Horst Schreiber / Irmgard Bibermann, Von Innsbruck nach Israel

Trotz aller Bemühungen um eine ausgewogene Geschichtsvermittlung, schaffen es Andreas Hofer mittlerweile auf diverse Käseverpackungen und Zu Mantua in Banden in die Hitlisten diverser Landtage, von einer Geschichte der Juden in Tirol weiß hingegen kaum jemand etwas.

Horst Schreiber stellt vor das Porträt des Abraham Gafni daher einen historischen Essay über das jüdische Leben in Tirol. Und da kommt es gleich zu einer Begegnung zwischen dem Mythos Andres Hofer und dem jüdischen Leben. Als die Hofer-Bande 1809 Innsbruck wieder erobert, grölt sie durch die Altstadt und macht sich über die wenigen Juden her, die in Innsbruck damals ansässig sind. Quasi zur Belohnung dichtet 1831 Julius Moser, ein deutscher Burschenschafter mit jüdischen Wurzeln, das berühmt-berüchtigte „Zu Mantua in Banden“ zusammen“. (14)

Einen Zuzug der jüdische Gemeinde in Tirol gibt es erst ab 1869, bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges sind es 490 Mitglieder. Man muss sich diese dünnen Mitgliederzahlen vor Augen halten, um zu begreifen, wie brutal das Wirken der Nazis mit der Ermordung von vier Innsbruckern im Novemberpogrom 1938 ist. Andererseits beklagt der Mob nach der Vertreibung der Juden, dass zu wenig Kapital da ist, das man sich unter den Nagel reißen könnte.

Vor dieser Geschichte zeigt sich das Schicksal des Abraham Gafni erst in voller Ungeheuerlichkeit. Die erhaltenen Bilder aus den 1920er Jahren sind für alle gleich. Erich Weinreb wächst vor dem Rasen des Innsbrucker Rapoldiparks auf, ist wie alle anderen Kinder des Jahrgangs 1928 voll integriert im aufblühenden Stadtteil Pradl, dann kommt die Katastrophe und Erich Weinreb flieht nach Palästina. Dort nimmt er den Namen Abraham Gafni an und hilft mit bei der Errichtung des Staates Israel.

Zu Hause in Innsbruck werden die Juden ein zweites Mal enteignet, denn die sogenannten neuen Besitzer haben mit Unrechtsbewusstsein nichts am Hut und beharren auf ihr Nazi-Recht. Auch mit der Würde der Vertriebenen nehmen es die Innsbrucker nicht genau. Als bei einem „Heimatbesuch“ Abraham das Grab seiner Mutter besuchen will, ist dies samt den anderen jüdischen Gräbern planiert worden, weil man darauf für die Olympischen Spiele den Südring errichten musste.

In den letzten Jahren hat sich durch Aufklärung, Geschichtsforschung und das politische Wirken einer jungen Generation das Verhältnis zu den überlebenden Vertriebenen ein wenig entspannt. Abraham Gafni ist längst Israelischer Bürger geworden, dennoch bringt er seine Enkelkinder immer wieder nach Innsbruck, damit sie sehen, wo er herkommt und was alles geschehen und lange verdrängt worden ist.

Mit diesem ungewöhnlichen Porträt versuchen die beiden unermüdlichen Aufklärer und Mahnerinnen Horst Schreiber und Irmgard Bibermann gegenwärtigen Generationen eine Handreichung zu geben, wie ein Innsbrucker Schicksal im 20. Jahrhundert auch hat verlaufen können. Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende, aber es fällt zunehmend hoffnungsvolles Licht auf sie. Und wenn man nur bei jedem Hofer-Auftritt daran denkt, dass es auch eine andere Geschichte gibt, ist schon ein bisschen was gewonnen.

Horst Schreiber / Irmgard Bibermann, Von Innsbruck nach Israel. Der Lebensweg von Erich Weinreb / Abraham Gafni. Mit einem historischen Essay über jüdisches Leben in Tirol. Abbildungen.
Innsbruck: Studienverlag 2014. 256 Seiten. EUR 21,90. ISBN 978-3-7065-5319-0.

 

Weiterführende Links:
Studienverlag: Horst Schreiber / Irmgard Bibermann, Von Innsbruck nach Israel
Michael Gaismair Gesellschaft: Von Innsbruck nach Israel

 

Helmuth Schönauer, 14-12-2014

Bibliographie

AutorIn

Horst Schreiber / Irmgard Bibermann

Buchtitel

Von Innsbruck nach Israel. Der Lebensweg von Erich Weinreb / Abraham Gafni

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Studienverlag

Seitenzahl

256

Preis in EUR

21,90

ISBN

978-3-7065-5319-0

Kurzbiographie AutorIn

Abraham Gafni, geb. 1928 als Erich Weinreb in Innsbruck, vertrieben 1938, lebt in Israel.<br />Irmgard Bibermann, geb. 1962, ist Historikerin und Theaterpädagogin an der Universität Innsbruck.<br />Horst Schreiber, geb. 1961, ist Historiker an der Universität Innsbruck.