ali smith, antigone„Jetzt richtete sich die alte Krähe ganz auf. Ihre Aufmerksamkeit war geweckt. Antigone und Ismene! Die kleinen Prinzessinnen! Hier, unter ihrem Nest, war alles, was von König Ödipus´ Familie noch übrig war, von der alten menschlichen Königsfamilie. Prinzessin Antigone als, die sich so rührend um Ödipus gekümmert hatte, den blinden Mann. Den Mann, der früher König gewesen war.“ (S. 19 f)

Die klassische Tragödie „Antigone“ des griechischen Dichters Sophokles mit ihrem Widerstreit zwischen Gesetz und Gewissen hat über die Jahrhunderte hinweg die Menschen berührt und über ihre eigene Wahl in diesem Konflikt reflektieren lassen. Ali Smith verarbeitet das Thema in ihrem Kinderbuch für ein junges Publikum.

alexander marguier, der selbstbetrug„Nach den schlimmen Erfahrungen der früheren Jahre wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Asylrechte weit gefasst und im nationalen Recht verankert. Damit wurden die Menschenrechte zwar von einer abstrakten Idee zu einem einklagbaren Anspruch. Aber es blieb weiterhin ungeklärt, wie diese Ansprüche aufrechterhalten werden können, wenn der liberale Rechtsstaat nicht als Ziel aller gesellschaftlichen Entwicklung akzeptiert wird, und wie die Ansprüche erfüllt werden können, wenn sie massenhaft gestellt werden.“ (S. 18)

Der Sammelband „Der Selbstbetrug“ bietet zehn Beiträge zum Thema „Migrationspolitik“, in denen das Thema aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet wird. Dabei wird die gegenwärtige Politik in Deutschland und der EU kritisch bewertet aber auch die Probleme des gegenwärtigen Asylsystems aufgezeigt.

hervé le goff, momo mammut„Momo ist ein seltsames kleines Mammut. Solange Dickhäuter zurückdenken können, hat man so etwas noch nicht gesehen. Wie alle Mammuts haben Momos Eltern überall wolliges Fell, sogar zwischen ihren dicken, breiten Zehen. Und Momo? Der nicht! Seine Haut ist so glatt wie der Rücken eines Pottwals!!!“

Nicht nur, dass Momo, der im hohen eisigen Norden ohne Fell ständig frieren muss. Noch dazu machen sich die gleichaltrigen Mammutkinder ständig über ihn lustig und verspotten ihn mit gemeinen albernen Sprüchen, die Momo immer besonders verletzen.

friedrich hahn, leergutIn einem radikalen Definitionsversuch lässt sich die Formel aufstellen: „Literatur ist Leergut.“ Die Formel wird etwas milder, wenn man sie mit der Beschreibung ergänzt, wonach ins Leergut Autor und Leser ihre Gedanken einlagern oder daraus entnehmen. Im Hintergrund schwingt diese schöne Kommunikationsüberlegung mit, wonach es Containment und Content braucht, damit ein Buch Zufriedenheit verströmen kann.

Friedrich Hahn greift diese radikale Überlegung für seinen Roman LEERGUT auf und erwähnt unter anderem, dass immerhin schon Flaubert einen Roman ohne Thema schreiben wollte. Probehalber nimmt er als Autor die Position einer leeren Schachtel ein, die danach verlangt, irgendwie befüllt zu werden.

tad williams, im dunklen tal 2„Warum hatten die Hikeda’ya Himano getötet? Um ihn zum Schweigen zu bringen, das schien klar – warum sonst sollte man jemanden töten, der kein Krieger war, dessen Bedeutung in seiner Weisheit lag? Dass all die Bücher im Haus ihres Meisters verbrannt worden waren, deutete doch wohl auf einen solchen Grund hin – es war ein Glück, dass er das Pergament über die Hexenholzkrone noch hatte retten können, ehe sie ihn töteten.“ (S. 30)

König Simon, der in seiner Verzweiflung um den Verlust seiner Frau Königin Miramel seinen Lebenswillen verloren hat, fordert Shan Unver zum Zweikampf heraus und fällt dabei, wie von einem Schwerthieb getroffen, tot um. Niemand ahnt, dass Königin Miramel noch am Leben ist und sich auf den zurück in die Hauptstadt macht. Sie kennt mittlerweile den großen Verräter am Königshof, der alle an die Nornenkönigin auszuliefern plant.

egyd gstättner, der große gogo„Eine ruinierte Karriere ist noch kein zerstörtes Leben!“ (56) – Nirgends lässt sich der Sinn des Lebens besser suchen als auf den Spielfeldern Literatur und Fußball.

Egyd Gstättner inszeniert zwischen den gesellschaftlich viel diskutierten Parallel-Universen Literatur und Fußball einen biographischen Roman, der nach seinem semi-fiktionalen Helden „der große Gogo“ überschrieben ist. Die Figur ist bestens in Wikipedia versteckt. Sucht man nach Goggerwenig, wie der „Gogo“ im Roman heißt, stößt man auf ein Kärntner Gasthaus in der Einöde. Verfolgt man den Tipp, wonach es sich um Günther Golautschnig aus Eberndorf handelt, so stößt man auf einen leeren Artikel. Der Fußballer Gogo ist also im fiktionalen Raum angesiedelt, aus dem ein verletztes Knie in die Realität herausragt.

maren hasenjäger, mein großer seekarten-atlas„Alle Meere der Welt sind miteinander verbunden und bilden ein riesiges, den Planeten umspannendes Weltmeer. Die größten Meere bezeichnet man als Ozeane. In wie viele Ozeane die Menschen das Weltmeer unterteilen, hat sich jedoch im Laufe der Jahrhunderte und je nach Kultur oft geändert. Heutzutage ist die am weitesten verbreitete Einteilung die in fünf Ozeane: den Atlantischen, den Pazifischen, den Indischen, den Arktischen und den Südlichen Ozean.“ (S. 8)

Unsere Erde besteht zu zwei Dritteln aus Meeren. Grund genug, die verschiedenen Meere auf unserem Planeten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Meere spielen vor allem für Seefahrer in der Vergangenheit und Gegenwart eine wichtige Rolle und wurden daher früh in Seekarten festgehalten.

sabine gruber, die dauer der liebeFür Frauen, die sich ein Leben lang einen autonomen Status geleistet haben, kommen am Lebensabend meist zwei Schocks angetanzt. Zum einen ist es die Aussicht auf eine miese Pension, wenn nicht pausenlos im gewerkschaftlichen Sinn gearbeitet worden ist, zum anderen ist es das Nachlassgericht, wenn die Behörde feststellt, dass es ohne Trauschein kein Erbverhältnis mit dem verstorbenen Partner gibt.

Sabine Gruber setzt mit jenem Knalleffekt ein, der die „Dauer der Liebe“ zu beenden weiß: mit dem Tod des Partners. Der Protagonistin Renata wird nach ungestümem Anklopfen an der Wiener Wohnung durch die Polizei mitgeteilt, dass ein gewisser Konrad gestorben sei. Seine Familie wohnt in Innsbruck, und genaueres werde sie dort erfahren.

davide morosinotto, timeshifters„Ein Dröhnen, lauter als der Donner zuvor, hundert Mal lauter als der Donner und das Gymnasium fällt in sich zusammen. Ein Anblick, der großartig und schrecklich zugleich ist. Ein dichter roter Nebel aus Ziegelstaub steigt auf und breitet sich gedankenschnell aus. Die Stadt versinkt im Chaos. Es hört nicht auf zu regnen.“ (S. 6)

In Bologna wird in im Gymnasium D’Arturo-Horn eine Bombe zur Explosion gebracht, die das ganze Schulgebäude zum Einsturz bringt und weitere schwere Unfälle in der Stadt zur Folge hat. In Prag stationierte Agenten, die sich auf Zeitreisen spezialisiert haben, versuchen die Katastrophe zu verhindern. Die siebzehnjährige Topagentin Leutnant Micaela Falco droht aus unerklärlichen Gründen an diesem Auftrag zu scheitern.

elisa asenbaum, interirdischWas für eine Verknüpfung des horizontalen Himmelsgewölbes mit einer vertikalen Tiefbohrung in den Untergrund! – In manchen Mundarten wird das Wort „interirdisch“ wie selbstverständlich verwendet, um das Sichtbare mit dem Unsichtbaren zu verknüpfen.

Elisa Asenbaum- stellt mit „interirdisch“ ein Projekt vor, in dem Gedichte und Bilder stets aufs Neue verknüpft werden. Gespeist wird dieses fragile Kunstwerk für den radikalen Augenblick der Realisierung aus einem Textdepot mit etwa vierzig Einzelgedichten, sowie einem Zyklus „Freefly“. Diesen Gedichten stehen zwölf mit römischen Ziffern nummerierte Bilder aus der Serie „interirdisch“ gegenüber, wobei witzigerweise statt der Elf eine Dreizehn auftaucht. Selbst das fragilste Konstrukt braucht eine Dreipunkt-Auflage, um halbwegs gesichert den nächsten Augenblick zu überleben, weshalb als dritte Komponente kursive Texte aus der Wissenschaft eingefügt sind. Dabei geht es um Versuchsanordnungen, Experimente mit Raum und Zeit, und Essay-Entwürfe für eine befreite Gesellschaft.