„Morris Lessmore liebte Worte. Er liebte Geschichten. Er liebte Bücher. Sein Leben war wie ein Buch, das er selbst geschrieben hatte.“

Morris Lessmore liebt die Ordnung in seinem Leben, das er fein säuberlich in einem Buch festhält, bis eines Tages ein gewaltiger Wirbelsturm sein ganzes Leben durcheinanderwirbelt – „selbst die Worte in seinem Buch“. Verwirrt und verunsichert macht sich Morris auf den Weg ins Leben.

Oft braucht es hundert Jahre und tausend Romane, bis man einen ausgewachsenen Wahnsinn halbwegs begreifen kann. Der Erste Weltkrieg, von dem Zyniker sagen, er sei Österreichs bislang größter Beitrag zur Weltgeschichte, wenn man von Hitler absieht, wird erst allmählich nach hundert Jahren überschaubar.

Josef Feichtinger widmet dem Thema „Tiroler Stimmen zum ersten Weltkrieg“ ein straff kommentiertes Lesebuch, in dem schwülstige Romane exzerpiert, zum Krieg aufputschende Predigten markiert und groteske Zeitungsmeldungen ungeschmückt dargeboten werden. Der lakonische Kommentator Josef Feichtinger geizt nicht mit klugen Einschätzungen, wenn er etwa Josef Kravogel als konventionellen Freizeitlyriker oder Karl Springenschmid als bis ins hohe Alter rechtslastig produktiv bezeichnet.

„Was ist das denn?“, fragt Eliot. „Bestimmt ein Wattvogel“, sagt Isabella. „Ich bin kein Wattvogel, ihr komischen Hamster!“ „Wir sind keine Hamster, du komischer Vogel!“, ruft Isabella zurück. „Was seid ihr dann? Wattwühlmäuse?“ „Wir sind Rattenkinder, du Heini!“, sagt Eliot empört. (32)

Statt Urlaub im Wald am Fluss zu machen, muss der Rattenjunge Eliot mit seinen Eltern die Ferien auf einer Insel verbringen. Dabei hat sich Eliot so darauf gefreut, endlich sein Freundin Isabella wiederzutreffen. Missmutig steigt Eliot mit seinen Eltern den Zug an die Nordsee, doch seine Stimmung hebt sich sprungartig, als er merkt, dass sich Isabella ebenfalls im Zug befindet, um ans Meer zu fahren. Wie jedes Jahr besucht ihren Onkel Knut, dem ganz zufällig das Zimmer gehört, das Eliot und seine Eltern gebucht haben.

Manchmal erzählen Bücher nicht nur die Geschichte von einzelnen Personen sondern gleichzeitig dazu den Sound eines Volkes.

Varujan Vosganian erzählt von der Geschichte, Verfolgung, Überleben und Eliminierung der Armenier im 20. Jahrhundert. Für dieses Mammut-Projekt gegen das Vergessen verwendet er einen Ich-Erzähler, der als kollektives Kind unter dem Tisch lauscht, was oben die Ahnen, Veteranen und Überlebenden zu sagen haben. Dieses Kind sitzt an jenem Bottich der Geschichte, aus dem gerade der erinnerte Stoff abfließt gegen das Vergessen.

„Opa, erzähl mir was“, sagte Herbert. „Was soll ich erzählen?“ „Irgendwas – eine Geschichte!“ „Hm.“ Der Großvater kratzte sich am Kinn. „Warte, da muss ich erst nachdenken“, sagte er. „Denk nicht so lange nach, erzähl lieber!“, sagte Herbert. (11)

Ausgerechnet zur Weinlese wird Herbert krank und muss im Bett liegen. Nur gut dass Großvater bei ihm bleibt und ihm Geschichten erzählt, damit Herbert nicht ganz allein bleibt und Langeweile hat. Aber Großvaters Geschichten sind anders als andere Geschichten. Er erzählt über viele Ecken, um sie immer wieder den Wünschen seines jungen Enkels anzupassen.

Autobiographien weisen immer Alltagsmythologien und auf das Ende ist immer unklar.

Carl Djerassi weiß um die Fallstricke einer Autobiographie, immerhin hat er vor Jahren eine „fachliche Autobiographie“ über sich selbst als die „Mutter der Pille“ geschrieben, und sein Tagebuch einer Krise lässt sich ebenfalls als Autobiographie lesen.

„Das Feuerwehrauto fährt nicht mehr. Obwohl alle Teile wieder im Feuerwehrauto drin sind. Oder doch fast alle. Knut kriegt Wut. Er gibt dem Feuerwehrauto einen Tritt. Treten ist gut bei Wut.“

Wenn Knut wütend ist, explodiert er wie ein Vulkan und schleudert Dinge durch die Gegend, wird er im Gesicht und brüllt wie am Spieß. Dass sich seine Wutanfälle nicht alle gefallen lassen und nicht alle so schnell wieder verzeihen, muss Knut bitter selbst erfahren.

Das Wichtigste an einem Roman ist oft das vorangesetzte Motto, oft schreiben Autoren nur einen Roman, um das Motto ins rechte Licht zu rücken.

Franz Friedrich Altmann nimmt naturgemäß als Kabarettist und Fun-Dramaturg die Sache mit dem Provinzkrimi recht ernst und beugt sich zum Publikum hinunter wie zu einem kleinen Kind, wenn er die Schlägereien, Fressereien und tierischen Kopulationen des Mühlviertels beschreibt. Aus dieser Haltung heraus ist auch das Motto zu verstehen: „Für den kleinen Emilian, der noch gar nicht lesen kann.“

„Ich werde nicht mehr auf eine Schule gehen, in der Menschen unterrichten, die auf der falschen Seite stehen. So wie heute Morgen, als Sie uns nicht geholfen haben, gegen den da.“ Jan zeigte auf Lucas, der ganz rot wurde. „Obwohl Sie genau gesehen haben, was los war. Nein, Sie sind kein guter Mensch, Herr Müller.“ (31)

Matthias, kurz Matts genannt, erzählt die Geschichte seines Mitschülers und Freundes Jan, der sich konsequent für das Gute und gegen das Böse entschieden hat und seine Überzeugung radikal umzusetzen beginnt. Er trifft damit bei seinen Mitschülern und zahlreichen Jugendlichen einen Nerv der Zeit, sodass die Zahl seiner Anhänger immer stärker zu wachsen beginnt und schließlich das Ausmaß einer großen Bewegung annimmt. Aber mit der Größe und der Popularität wachsen auch die Spannungen innerhalb der Gruppe.

Manche Titel verströmen Magie und wirken wie eine Zauberformel. „Samarkand Samarkand“ reißt den Leser quasi durch den Umschlag in den Text hinein.

Matthias Politycki wendet sich in seinem Roman einer der ältesten Kulturgegenden der Welt zu. Es gibt sogar die These, dass alle Veränderungen der Welt aus diesem von Gebirge und Wüsten eingekesselten Samarkand ausgehen, vielleicht weil dort die wertvollsten Gräber und Gebeine für alle Zukunft aufbewahrt werden.