martin maier, engstelleIm Blutkreislauf löst die Engstelle einen mehr oder weniger raschen Eingriff aus, um den bedrohlichen Blutstau abzuwehren, in Verkehrssystemen sind die Engstellen die wahren Maßstäbe für Kapazität. Im Denken freilich gilt die Engstelle als etwas Edles, das es anzusteuern gilt. An den Engstellen nämlich steigen Gedanken am liebsten ab und beginnen sofort zu diskutieren.

Martin Maier stellt unter dem lapidaren Titel „Engstelle“ ein Buch vor, das im Ganzen als Engstelle einer Epoche gelesen werden kann. Macht man sich an die Einzelteile heran, so wird man etwa fünfzigmal zu höchster Konzentration gezwungen, die einzelnen Engstellen stechen als verdichtete Gedankenkapsel hervor, die bei Lektüre jeweils eine gesamte Geschichte auslösen.

wolfgang lenzen, david hume„Das empirische Moment in Humes philosophischem Werkt besteht in dem Ziel, die Grundgesetze der »human nature« durch genaue Beobachtung in Erfahrung zu bringen., wobei unter ‚nature‘ nicht der Körper, sondern der Geist des Menschen zu verstehen ist.“ (S. 19)

Der schottische Philosoph David Hume gilt als einer der zentralen Denker der Aufklärung und des Empirismus, der sich in seinen Schriften intensiv mit dem menschlichen Verstand und den Grenzen menschlicher Erkenntnis auseinandergesetzt hat und für andere Denker wie Immanuel Kant besonders inspirierend war.

peter hofinger, seelenabwasserWenn die Blase versagt, beginnt die Literatur erst richtig zu wirken. – Die Kraft der Literatur steckt zwischendurch darin, dass sie Grenzgängerin ist und regelmäßig jenen Schubladen entsteigt, in die man sie zu jeder Epoche aus pragmatisch-pädagogischen Gründen einlagert.

Peter Hofinger wählt mit seiner „Selbstbeschreibung der Kindheit“ eine Erzählform, die Elemente der Zeitgeschichte und der pädagogischen Vertuschung mit den Mitteln der seufzenden Autobiographie und transzendenten Bewusstseinserweiterung durch Esoterik bedient. Kraftvolle Literatur hat meist einen Anlass, und ihr Segen besteht darin, dass sie diesen Anlass überwindet.

nikola kucharska, ein jahr auf der burg„Zu Ehren des Bündnisses zwischen König Bolebor und Grimislaus findet auf der Burg ein Festessen statt. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange und die Küche voller Leckerbissen. Hilfst du dem Drachen und Nawoia, ihre Lieblingsspeisen zu finden?“

In der königlichen Ritterburg leben viele Menschen, Tiere und außergewöhnliche Wesen wie Drachen und Gespenster. Das Wimmelbuch „Ein Jahr auf der Burg“ zeigt den jungen Leserinnen und Lesern was sich auf der Burg im Laufe eines Jahres abspielt.

stefan verra, köpersprache gendert nichtWie weit darf ich als Mann im Bus die Beine spreizen, ehe ich von Mitfahrenden wegen sexueller Belästigung angezeigt werde? – Diese Frage ist nicht so sehr wegen des Inhalts bemerkenswert, sondern wegen der Überlegung, wer sie beantworten könnte.

Stefan Verra ist die erste Adresse, wenn es um Kunst, Kommunikation und politische Strategie rund um den Körper geht. Die sogenannte „Körpersprache“ ist nämlich älter als die gesprochenen Sprachen, daher ist sie mehr oder weniger überall verständlich, noch ehe jemand den Mund aufgemacht hat.

pacale quiviger, eckstein - die kunst des schiffbruchs„Erst gegen Mitternacht nahm sie endlich Fahrt auf. Die wenigen nüchtern gebliebenen Matrosen wurden der Nachtwache zugeteilt. Die anderen hauten sich im Zwischendeck aufs Ohr, ohne sich erst die Mühe zu machen, ihre Hängematten vom Haken zu nehmen und ihre Mäntel zu einem Kopfkissen zusammenzurollen. Niemand hatte den blinden Passagier bemerkt.“ (S. 21)

Prinz Tibald nutzt jede Gelegenheit, um dem Königshof aus dem Weg zu gehen und seine letzten Jahre der Freiheit noch zu genießen. Nach einer zweijährigen Forschungsfahrt auf dem Segelschiff Isabell macht er sich mit seiner Mannschaft auf den Weg nach Hause. Neben zahlreichen Schätzen und Gegenständen aus exotischen Ländern reist auch ein blinder Passagier mit, der Tibalds Leben grundlegend verändern wird.

tomaz salamun, steine aus dem himmelGedichte sind das Ringen um das, was Gedichte sind. Dabei sind diese vielleicht nur Steine aus dem Himmel.

Tomaž Šalamun ringt ein Leben lang um diese logischen Fügungen, die in einfachen Sätzen darstellen, was niemals einfach gesagt werden darf. Verwegen schickt er sein lyrisches Ich zwischen die Zeilen, um Unruhe durch Einfachheit auszulösen.

ben miller, der tag in dem ich in ein märchen fiel„Die ersten Sonnenstrahlen fielen über das noch schlafende Dorf, und am Fuß der Anhöhe, genau in der Mitte des Dorfparks, war aus einem anfangs maulwurfshügelgroßen Häuflein Erde, ein brandneuer Supermarkt geworden. Ein Lüftchen wehte und entrollte die braun-goldene Flagge an der Spitze des Fahnenmasts. Darauf stand ein einziges Wort: Grimm’s. (S. 13)

Lana ist enttäuscht, weil ihr großer Bruder Harrison, seit er das Gymnasium besucht, sich verändert hat. Anstatt sich mit ihr die lustigsten und fantasievollsten Spiele auszudenken, sitzt er nur mehr in seinem Zimmer und will beim Lernen nicht gestört werden. Ihr ist langweilig, bis sie mit ihrer Mutter einen geheimnisvollen Supermarkt besucht, der wie von Zauberhand über Nacht errichtet worden ist.

martin schwietzke, der hundeausführroboterausführhundIm Zeitalter von Hashtag-Überschriften ist es durchaus üblich, den Plot einer Nachricht in ein zusammengepresstes ZIP-Wort zu verpacken. Die deutsche Sprache neigt ohnehin zu Wortverpressungen, man denke nur an die Lust diverser Regierungen, ein Gesetz in Wortmonster zu verpacken und als „Gute-Kita-Gesetz“ zu beschließen.

Martin Schwietzke greift dieses Stilmittel auf und versieht neben der Haupterzählung auch den gesamten Erzählband damit. Durchgehendes Thema der neun Geschichten ist die Überlegung, dass die besten Erzähl-Champignons auf dem lockeren Nährsubstrat der bisherigen Literaturgeschichte wachsen. Eine gute Geschichte fußt meist auf dem Mist einer anderen guten Geschichte und ist upgedatet, aktualisiert und für den modischen Gendergebrauch umgemodelt.

anu stohner, das war doch nicht mit absicht„Es heißt immer, Füchse seien flink und schlau und alles, und das stimmt ja auch. Aber wenn sie noch so klein sind, können sie genauso tollpatschig sein wie zum Beispiel kleine Bären. Oder wie Menschenkinder. Es gab sogar einmal einen kleinen Fuchs, der war dafür im ganzen Wald bekannt.“

Der kleine Fuchs, von dem berichtet wird, ist wie vom Pech verfolgt und stolpert über jeden kleinen Hügel, bleibt in Dornhecken hängen und macht beim Anschleichen versehentlich Lärm. Dabei erschrickt er immer wieder die anderen Tiere im Wald, bei denen er sich entschuldigen muss.