dennis cooper, mein loser fadenDie größte denkbare Kluft tut sich nicht zwischen diversen Kulturen auf, sondern zwischen der Welt der Jugendlichen und Erwachsenen. Das hat neben pädagogischen Konsequenzen auch zur Folge, dass es kaum Brücken in der Literatur gibt, diesen Gap zu überwinden. Denn die Autoren schreiben selten das, was Jugendliche betrifft, und die Jugendlichen haben keinen Bock auf die Entschleunigungsliteratur der Erwachsenen.

Dennis Cooper greift ein Thema auf, das sich nur vage von außen beschreiben lässt. Und es liegt die Vermutung nahe, dass auch die jugendlichen Heroen selbst nicht wissen, was in ihrem Innern los ist. „Mein loser Faden“ deutet auf die Konsistenz eines Helden hin, der nur vage einen Faden hat, an dem er sich entlang denkt. Und auch die Bedeutung „loser“ als Verlierer liegt auf der Hand.

anne becker, die beste bahn meines lebens„In dem schmalen Schatten der Hecke hockte tatsächlich ein Huhn. »Gehört das jetzt auch uns?« Tobi stieg aus dem Sandkasten und ging langsam auf das Huhn zu. »Natürlich nicht« Das Huhn gackerte und rannte mit den Flügeln flatternd quer durch den Garten. Und dann sah ich Flo zum ersten Mal.“ (S. 14)

Der dreizehnjährige Jan ist zutiefst enttäuscht, als er umziehen und seinen Schwimmverein verlassen muss, weil sein Vater eine neue Arbeit angenommen hat. Bald aber lernt er seine neue Nachbarin und Schulkollegin Flo kennen, zu der er sich immer mehr hingezogen fühlt. Doch ein unangenehmes Geheimnis lastet auf seiner Seele.

alois reiter, polterdämmerungWas für ein aufregender Abgang! Es poltert ein wenig, eine Epoche geht zu Ende, langsam wird es dunkel, vielleicht beruhigt sich auch alles wieder.

Alois Reiter greift für seine Sammlung von Gedichten und Aphorismen auf ein seltsames Wort zurück, das ein wenig nach Brauchtum, Heimatverbundenheit, Naturgegebenheit und Abgang klingt. Ein lyrisches Ich zieht sich zurück, poltert noch einmal ordentlich, schickt auch den einen oder anderen schweren Stein in die Tiefe, ehe es dann ruhig wird und das Herz aus dem Stolpermodus zurückfindet in die Gelassenheit.

sonja danowski, im garten mit flori„Endlich sind Ferien. An so einem Tag möchte man vor Freude kopfstehen oder hüpfen wie und Hund Flori. Es klingelt, Linns Mama eilt zum Telefon. »Hallo, Theo!« » Oh nein! Hast du Schmerzen? Ich komme gleich vorbei und bringe dir dein Waschzeug und deinen Schlafanzug!«

Linns Opa hat sich bei der Gartenarbeit verletzt. Er ist über eine Wurzel gestolpert und hat sich den Fuß gebrochen. Mama muss ihm Waschzeug und Schlafanzug ins Krankenhaus bringen. Linn begleitet sie und verspricht Opa, sich um seinen Garten zu kümmern, bis er wieder heimkommt.

agnes heller, was ist komisch?„Dieses Buch sollte als Versuch gelesen werden, über das Phänomen des Komischen im Allgemeinen philosophisch nachzudenken. Soviel ich weiß, ist dies der erste Versuch, dies zu tun. […] Mein Buch soll keine Zusammenfassung sein, sondern eine Ouvertüre. Es ist nicht provokant, auch wenn Form und Inhalt vielleicht stellenweise provokant wirken. Ich hoffe, es wird angefochten, zurückgewiesen oder lächerlich gemacht. Nur dann kann ich von einem Erfolg ausgehen.“ (S. 9)

Ágnes Heller stellt ihr Nachdenken über die Komödie in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen und bezieht sich dazu auf Romane, Komödien, Gemälde oder Filme, die sie selbst gelesen oder gesehen hat. Unabhängig von Sekundärliteratur versucht sie dazu ihr eigenes Verständnis der jeweiligen Kunstwerke darzulegen und „über komische Phänomene nachdenken und nicht bloß Informationen darüber sammeln“ (S. 9).

friedrich hahn, niemand wird es je erfahrenAls Prüfungsfrage gestellt ist die Novelle diese berühmte „unerhörte Begebenheit“, von der in der Germanistik seit 150 Jahren gesprochen wird. Im Alltagsleben eines Lesers ist die Novelle eine aufwühlende Angelegenheit in einem beschaulichen Leben. Dabei kann dieses beschauliche Leben sich über Autor, Leser oder Helden legen.

Friedrich Hahn lässt in seiner geheimnisvollen Novelle „Niemand wird es je erfahren“ einen Pensionisten auftreten, der die Talsohle des Lebens erreicht hat. Stefan ist nach ein paar Jahren Frührente jetzt echter Rentner, seine Frau ist gestorben, seine Hauptbeschäftigung ist es, gelangweilt zu sein. Dabei betrachtet er seine Bücher und DVD-Sammlung, alles Mögliche könnte er anstellen, um sich vom Nichtstun abzulenken, aber schließlich rappelt er sich mühsam auf, um auf den Naschmarkt zu gehen. Den Erstbesten, den er trifft, wird er vielleicht ansprechen, aber was dann.

ben still, das physikbuch„Es ist schade, dass wir in der Schule oft nicht erfahren, wie Konzepte und Ideen in der Wissenschaft entstanden sind. Es wird von uns erwartet, dass wir sie fraglos akzeptieren. Aber so ist die Physik nicht, so ist die gesamte Wissenschaft nicht. Wir fragen uns, wie die Welt funktioniert, und wir entwickeln Theorien und Hypothesen. Gleichzeitig machen wir Beobachtungen und führen Experimente durch, revidieren und verbessern das, was wir wissen.“ (S. 9)

Die Physik hat aus Beobachtungen, Versuchen, und Irrtümern Hypothesen und Theorien entwickelt, die unsere Vorstellungen vom Aussehen und Wesen der Welt und was sie zusammenhält im Laufe der Geschichte auf vorher unvorstellbare Weise verändert hat. Das Physik-Buch bietet einen Überblick über die Entwicklung dieser Ideen von den Anfängen bis in die Gegenwart.

masha gessen, die zukunft ist geschichteNicht umsonst hat es in der Lesedidaktik lange das Diktum gegeben: Wenn du ein anspruchsvoller Leser sein willst, musst du dich an russischen Romanen schulen! Wer nämlich durch die Slalomstangen eines üppigen Personalstandes halbwegs durch den Roman hindurch finden will, braucht auf jeden Fall Geduld und Erinnerungsvermögen, damit er eine Figur auch dann nicht verliert, wenn sie bloß einmal kurz vorkommt.

„Die Zukunft ist Geschichte“ ist zwar ein wissenschaftlich gut unterlegtes Geschichtswerk, ist aber generell als Roman ausgelegt. So erklärt die Autorin umfangreich das Wesen der russischen Namen. Sie sind je nach Alter, sowie Grad der Intimität und öffentlichen Reputation einzusetzen. Ein interessanter Mensch bringt es im russischen Literatur- und Alltagsgebrauch auf gut ein Dutzend Varianten seines Namens.

karsten brensing, die spannende welt der viren und bakterien„Anfang 2020 erlebten Schüler auf der ganzen Welt eine große Überraschung: Coronaferien. Doch anders als bei Hitzefrei wurde nicht gejubelt. Die Welt hielt den Atem an und erwartete die größte Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Grund: ein Virus, das im Verhältnis zu uns nicht größer ist als eine Maus zur Erde.“ (S. 8)

Seit Beginn der „Corona Krise“ hat sich das Leben der Menschen weltweit verändert. Grund genug, sich über das Wesen von Viren und Bakterien sowie deren Gefahren aber auch über deren Nutzen für uns Menschen etwas näher zu informieren.

leopold federmair, tokyo fragmenteTokyo Fragmente sind wahrscheinlich genauso schützenswerte Originale wie Lebensmittel, Weine oder Käse, die ihre Ursprungsbezeichnungen als Markenzeichen geschützt haben. Tokyo Fragmente könnte man in einer Schutzurkunde vielleicht als Notate bezeichnen, die ein Sprachforscher während seines Aufenthaltes im Großraum Tokyo niederlegt.

Leopold Federmair notiert in überschaubaren Erlebnis-Schleifen, im aktuellen Fall sind acht solcher Erfahrungsverdichtungen jeweils mit einem Foto als Kapitel ausgewiesen. Diese Einteilung ist aber völlig offen, denn die Gedankenschlieren werden niemals eingesperrt. Im Gegenteil, immer wieder treten Überlegungen zutage, wie man Tokyo anders erfahren könnte.