henrike wilson, eichhörnchen zieht um„Die Sonne scheint. Und es riecht nach Frühling. Jetzt aber nichts wie raus aus meinem Haus. Nanu – Blumen? Direkt vor meiner Tür? Wie kann das sein? »Das war der Sturm letzte Nacht. Der hat deinen Baum entwurzelt. Hast du denn gar nichts gemerkt?«“

Eine Katastrophe ist passiert. Während Eichhörnchen geschlafen hat, wurde ist sein Baum von einem fürchterlichen Sturm hat umgeworfen worden. Nur gut, dass er die Haselmaus trifft, die ihn zu sich in ihre Höhle einlädt. Eichhörnchen nimmt dankend an.

michael dyson u.a., political_correctness„Politische Korrektheit geht von der Prämisse aus, dass Ungleichheiten, die lange Zeit als natürlich gegolten hatten, so wie Geschlechter- oder Rasseungleichheiten, dem Auge des Betrachters deshalb weitgehend entzogen waren, weil diese Ungleichheiten der Weltsicht und den Interessen von Weißen, Christen und Männern dienten. Diese Ungleichheiten haben tiefe Wurzeln in die Sprache geschlagen …“ (S. 19)

Das Streitgespräch zum Thema „Political Correctness“ fand 2018 im Rahme der Munk-Debatten statt, die sich in Kanada zu einem wichtigen politischen Ereignis der öffentlichen Diskussion entwickelt haben. Dabei werden vor einem Live-Publikum Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer zur Debatte eingeladen, die auch in nationalen und internationalen Medien übertragen werden.

ursula k. leguin, erdsee - die erste trilogie„Von diesen [Magiern, Anm.], heißt es, sei der wohl größte, ganz gewiss aber der am weitesten Gereiste ein Mann namens Sperber gewesen, der seinerzeit sowohl Drachenmeister als auch Erzmagier war. Von seinem Leben und seinen Heldentaten berichten das Gedlied und andere Gesänge, doch was hier erzählt werden soll, ist eine Geschichte aus der Zeit, als er noch nicht berühmt war und über die es keine Lieder gibt.“ (S. 15)

Der erste Band der Fantasy-Trilogie von Erdsee umfasst die drei Geschichten „Ein Magier von Erdsee“, „Die Gräber von Atuan“ und „Das fernste Ufer“ in denen das Leben und die Abenteuer des Erzmagiers Sperber erzählt werden.

bernhard bünker, wos ibableibtDie österreichischen Literaturhäuser sind ja seinerzeit unter staatlicher Aufsicht eingerichtet worden, um die wilde Literatur zu zähmen, das Samisdat-Unwesen zu unterbinden und die Ideen der Dichter in Vitrinen-große Happen aufzuschnetzeln.

Wenn nun der Nachlass des Konsum-abtrünnigen Bernhard C. Bünker ins Klagenfurter Musil-Archiv gekommen ist, ist für die Zeitgenossen Feuer am Dach. In ein paar Jahren wird er vollkommen vergessen und abgesperrt sein. Und wenn ein paar germanistische Happen aus dem Archiv-Fenster geworfen werden, dann als Demütigung für die wenigen Leser, die noch nicht dem globalisierten Literaturspektakel unterworfen sind.

friedl hofbauer, sagen aus tirol„Überall in den Gebirgen Tirols wohnen Salige Frauen und Fräulein. Sie können sich in Wolken verwandeln und ihr Haar in Sonnenstrahlen, denn sie wollen nicht, dass die Menschen erfahren, wer sie in Wirklichkeit sind. Immer wieder kommen Salige in die Täler herunter oder auch in einsame Bauernhöfe hoch oben. Dort helfen sie, wo es Not tut.“ (S. 7)

Sagen haben einen wahren Kern, in denen sich die Lebenswelt eines Landes widerspiegelt. Und auch die übernatürlichen und magischen Wesen, weisen in den jeweiligen Regionen ihre ganz eigenen Besonderheiten auf.

simon loidl, endstation ananasManche Dinge sind gesellschaftlich so ungeklärt, dass man als Schriftsteller nicht einmal abschätzen kann, welche Gattung man dafür verwenden sollte.

Simon Loidl verwendet für seine „Endstation Ananas“ jedenfalls eine offene Gattung. In einem Strukturverzeichnis am Ende des Buches sind die einzelnen Abschnitte aufgeschlüsselt mit amorphen Begriffen wie Nachtruhe, Tagwerk, Totschlagen oder Feierabend, die nummeriert gleich mehrfach vorkommen. Um das Vage dieser Begriffe zu unterstreichen, sind sie in einer verschwommenen Schrift gehalten wie von einem ausgeleierten Schreibmaschinenband heruntergewischt. Dazwischen gibt es die magischen Episoden „In der Tiefe“, „Maria und die anderen“ oder „Ausgespielt“. Und der Titel gehört wohl auch in die Kategorie rätselhaft. Bei der „Endstation Ananas“ handelt es sich um eine Band, die man nicht bewusst aufsuchen kann, sondern von deren Auftritten man sich streifen und berühren lassen muss.

john agee, auf der anderen seite lauert was„Mitten im Buch steht eine Mauer. Und das ist gut so.“ Mit diesen Worten beginnt Jon Agees Kinderbuch, in dem eine dicke Ziegelmauer zwei Welten voneinander trennt. Auf der einen Seite befindet sich ein kleiner Ritter, der sich aufmacht, die Mauer zu reparieren, auf der anderen Seite versuchen die Tiere, die Mauer niederzureißen.

Weder der Ritter noch die Tiere wissen, was hinter der Mauer zu finden ist und sich dort abspielt. Während die Mauer für den kleinen Ritter wichtig ist und repariert wird, um seine Seite des Buches zu schützen, stimmen sich das Nashorn, der Tiger und der Gorilla mit aller Kraft dagegen.

thomas antonic, wolfgang bauerSelbst der emsigste Literaturforscher muss sich im Laufe seines Lebens auf ein paar Auserwählte beschränken, die er allumfassend beforschen kann. Ein sterblicher Leser muss sich bei jedem dieser Monumente auf ein paar persönliche Zugänge beschränken, denn jede aufgeschriebene Biographie ist mindestens so groß wie das eigene Leben des Lesers.

Thomas Antonic arbeitet schon seit über einem Jahrzehnt an seinem Wolfgang Bauer, den er sich deshalb ausgesucht hat, weil dieser trotz Genialität vor und nach dem Tod in die Wahrnehmungs-Ecke gestellt worden ist. Die Theater-Österreicher haben sich lieber um den Loden-trächtigen, letztlich handzahmen Thomas Bernhard geschart, statt den flapsig-frechen, garantiert grausamen Wolfgang Bauer auf die Bühnen zu lassen.

holly-jane rahlens, das rätsel von ainsley castle„Ich hasse diese Insel. Sie ist zu klein. Und dieses Haus, das zu groß ist und zu zugig. Es gibt so viele Türen. So viele Menschen. Überall Personal und Gäste. Wir leben in einem Hotel am Rande des Meeres, ganz weit oben im Norden, dort, wo der dunkelste aller Himmel auf das Ende der Welt trifft.“ (S. 11)

Die dreizehnjährige Lizzy leidet hat ihre Mutter verloren, als sie noch klein war. Alle Fotos ihrer Mutter sind verloren gegangen und Lizzy kann sich nur noch schattenhaft an ihr Aussehen erinnern. Als ihr Vater wieder heiratet will, übersiedeln sie zu ihrer zukünftigen Stiefmutter, die Besitzerin von Hotel Ainsley Castle ganz im Norden Schottlands.

caroline schutti, patagonienManche Gegenden dienen nicht nur Reiseführern zum Austoben, sie ziehen oft eine eigene Literaturform nach sich. So sprechen wir von Gebirgsliteratur, wenn erhabenes Gestein als Grundlage für tiefgehende Psychosen dienen soll, von Sibirienliteratur, wenn es um Verbannung, Kriegsgefangenschaft oder Schamanen geht, und von Patagonienliteratur, wenn das Ende der Welt eine Rolle spielen soll.

Carolina Schutti baut ihre Texte von vornherein kunstvoll zu einem Sprachereignis auf, und erst in zweiter Linie liefert dieses Textkunstwerk etwas, was einer imaginierten Wirklichkeit entsprechen könnte. Patagonien ist somit kein Reiseführer und keine Erzählung, die in Patagonien spielt, sondern ein Schachbrett am Ende der Welt, auf dem in äußerst reduzierter Form Alltagsgegenstände und Alltagspersonen auftreten.