Luis Sepúlveda, Der langsame Weg zum Glück

„»Großvater, warum ist die Schnecke so langsam?« Ich sagte, im Moment hätte ich keine Antwort; aber ich versprach, ihm eine zu geben, ich wisse noch nicht wann, aber er werde eine Antwort bekommen. Da ich mir zugutehalte, zu meinem Wort zu stehen, soll diese Geschichte nun der Versuch einer Antwort sein.“ (5)

Auf einer Wiese lebt eine Schneckenkolonie, die davon überzeugt ist, am besten Platz zu leben, der sich denken lässt, auch wenn sie noch nie einen anderen Ort gesehen hatten. Die Schnecken waren mit allem so zufrieden, wie es war. Nur eine Schnecke wollte mehr wissen.

Sie wollte wissen, warum Schnecken so langsam waren und warum sie keinen eigenen Namen tragen. Die anderen Schnecken drohen ihr, mit den merkwürdigen Fragen aufzuhören oder die Schneckenkolonie zu verlassen. Enttäuscht, macht sich die kleine Schnecke auf den Weg, um Antworten auf ihre Fragen zu finden.

Selbst die weise Eule kann der Schnecke nicht weiterhelfen, sondern weiß nur über ihr eigenes Leid zu klagen. Die Schnecke wandert weiter und beschließt die Nacht auf einem Stein zu verbringen, der sich am Morgen aber als Schildkröte entpuppt, die sich mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Wiese bewegt.

„Ich kann dir nicht mehr folgen, du bist mir viel zu schnell“, wisperte die Schnecke. „Ich … schnell? … Das … höre … ich … aber … zum … ersten … Mal … Ja …, steig … nur … auf…, Schnecke“, antwortete die Schildkröte.

Die beiden Tiere verstehen sich von Anhieb an ausgezeichnet und die Schildkröte erzählt der Schnecke von ihrem Leben als Hausschildkröte, die bei den Menschen gelebt hat. Die Kinder, die sich anfangs um sie gekümmert und mit ihr gespielt hatten wurden immer größer und älter und hatten immer weniger für sie Zeit, bis sie eines Tages auf die Wiese ausgesetzt worden war.

Als die Schnecke ihre Geschichte erzählt, weiß die Schildkröte einen passenden Namen für sie.

So erzählte sie beispielsweise, dass ein Mensch, der unbequeme Fragen stellte wie »Muss wirklich immer alles so schnell gehen?« oder »Brauchen wir tatsächlich all das, um glücklich zu sein?«, als Rebell bezeichnet wurde. »Rebell! Der Name gefällt mir«, wisperte die Schnecke. (34)

Gemeinsam mit der Schildkröte erreicht die Schnecke den Rand der Wiese, wo die Menschen gerade damit begonnen haben, einen Parkplatz zu bauen. Die Schnecke erkennt die Gefahr für ihre Schneckenkolonie und beschließt sofort zurück zu kehren, um die anderen Schnecken zu warnen. Auf ihrem Weg zurück erzählt sie allen Tieren, denen sie begegnet vom drohenden Unheil. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Luis Sepulveda erzählt eine magische Geschichte von einer Schnecke, die mehr wissen will als andere und altvertraute Wahrheiten hinterfragt. Mit der vertrauten Neugier eines Kindes lässt der Autor die Schnecke auf einer abenteuerlichen Reise ihren Horizont erweitern und über sich hinauswachsen. Dabei erleben die jungen Leserinnen und Leser wie wichtig Freundschaften sind und dass ein jeder genau so richtig ist, wie er ist, egal ob langsam oder schnell.

Eine romantisch philosophische Geschichte über die Frage nach dem „Wer bin ich?“, die zum Denken anregt. Die poetische Sprache und die wunderschön gestalteten Illustrationen, machen das „Schneckenabenteuer“ nicht nur für junge Leserinnen und Leser sondern auch für Erwachsene zum Vorlesen zu einem überaus empfehlenswerten Lesegenuss.

Luis Sepúlveda, Der langsame Weg zum Glück – Ein Schneckenabenteuer. Ill. v. Quint Buchholz, übers. v. Willi Zurbrüggen [Orig. Titel: Historia de un caracol que descubrió la importancia de la lentitud], ab 8 Jahren
Frankfurt a. Main: Fischer Verlag 2015, 80 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-7373-5161-4

 

Weiterführende Links:
Fischer Verlag: Luis Sepúlveda, Der langsame Weg zum Glück
Wikipedia: Luis Sepúlveda
Wikipedia: Quint Buchholz

 

Andreas Markt-Huter, 13-11-2015

Bibliographie

AutorIn

Luis Sepúlveda

Buchtitel

Der langsame Weg zum Glück – Ein Schneckenabenteuer

Originaltitel

Historia de un caracol que descubrió la importancia de la lentitud

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Fischer Verlag

Illustration

Quint Buchholz

Übersetzung

Willi Zurbrüggen

Seitenzahl

80

Preis in EUR

15,50

ISBN

978-3-7373-5161-4

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Luis Sepúlveda wurde in Nordchile geboren und ging nach politischem Engagement in der Studenten- und Gewerkschaftsbewegung ins Exil nach Ecuador. Er gründete Theatergruppen in Peru, Ecuador und Kolumbien und arbeitete als Journalist. Nach vielen Jahren in Deutschland lebt er heute in Spanien. Luis Sepúlveda schreibt Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Hörspiele und Essays.<br />Quint Buchholz wurde in Stolberg geboren, studierte Malerei und Graphik an der Akademie für Bildende Künste in München. Seit 1979 arbeitet er als Maler und Illustrator und zählt seit vielen Jahren zu den bedeutendsten deutschen Buchillustratoren. Quint Buchholz lebt in München.