Susa Hämmerle, Das Korallentor

„Alle hier auf Niemandort nennen sich gegenseitig und auch selbst: Niemand. Sie denken auch von sich als »Niemand«: Niemand geht aus dem Haus. Niemand holt Holz. Niemand schaut der Brandung zu. Niemand fühlt sich glücklich … »Nein, ich fühle mich nicht glücklich«, flüstert Niemand.“ (7)

Eine als Niemandort bezeichnete Insel wird von lauter Menschen bewohnt, die sich selbst als „Niemand“ bezeichnen. Immer wieder wird ein neuer „Niemand“ am Strand angespült und geht seiner eigenen Wege, ohne sich um die anderen zu kümmern. Bis eines Tages ein „Niemand“ aufbegehrt, sein „Ich“ entdeckt und beschließt, die Insel mit einem Boot durch das Korallentor zu verlassen und sich auf die Suche nach seinem Namen zu machen.

Auf Niemandort gibt es keine Bräuche. Nur die Gesetze. Und außerdem die Regel: Brauche niemanden, störe niemanden und teile mit niemandem dein Haus. (49)

Mitten in einer stürmischen Nacht macht sich Niemand hastig auf zur Flucht und verletzt sich in der Hektik an den gefährlichen Klippen. Mit letzter Kraft gelingt es ihm das Boot durch das Korallentor zu steuern, bevor er sein Bewusstsein verliert. Er treibt durch die See und kämpft gegen die Elemente als er in seinem leck gewordenen Boot auf ein kaltes Land aus Eis und Schnee stößt.

An der Küste wird Niemand von einem Eisbären angegriffen und kann im letzten Augenblick von einem Jäger gerettet werden, der sich „Derwindundwettertrotztundabendspfeiferaucht“ nennt und mit seiner Tochter „Mitdemwirbelaufemkopfundsternenaugenohnegrund“ in einem Haus aus Eis lebt. Niemand kann sich bei den beiden von seinen Strapazen und Verletzung erholen. Er erlebt, was es bedeutet, mit anderen Wesen und Menschen verbunden zu sein und fühlt sich von der Tochter des Jägers, die er kurz „Sternenauge“ nennt verstanden und angezogen.

Einen Namen, kann er bei den beiden nicht finden und so beschließt er, einer inneren Stimme zu folgen und sich mit dem reparierten Boot wieder auf den Weg zu machen. Mit seinem neuen Segel kommt er zügig voran, bis eine Flaute aufkommt und sein Boot vor sich hintreiben lässt. Er ist ganz überrascht als plötzlich ein merkwürdiges, felliges Wesen im Boot auftaucht, das er „Fluff“ nennt und das in fortan begleiten wird.

Nach einer langen Fahrt stoßen die beiden endlich an Land und gelangen ins himmellose Land, wo sie auf eigenartige Menschen treffen, die in einer dunklen Höhle ohne Licht leben. Was Niemand jedoch als besonders merkwürdig erscheint ist jedoch, dass diese Menschen ihn offensichtlich erwartet haben. Eine alte Prophezeiung hat ihn als ihren Retter angekündigt.

Susa Hämmerle entführt die Leserinnen und Leser in surreale Welten, in denen Namen eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Während sich auf „Niemandort“ alle als „Niemand“ bezeichnen, beschreiben die außergewöhnlich langen Namen der Menschen der Eisregion wichtige Eigenschaften ihrer Träger. Die Namen der Bewohner des himmellosen Landes hingegen klingen wie ein Koordinatensystem wie z.B. Lea-plus-3 oder der Seher „Minor-Ax-1“.

Aus dem anfangs isolierten Niemand, der sich nur um sich selbst gekümmert und für sich allein gelebt hat, entwickelt sich im Laufe seiner Reise immer mehr ein soziales Wesen, der sich mit anderen verbunden fühlt und schließlich sogar bereit ist, für andere sein Leben zu riskieren. Aus einem „Niemand“ wird ein „Jemand“, der am Ende seiner Reise sich seinen Namen verdient.

„Das Korallentor“ ist eine magische Geschichte über Suche nach sich Selbst und die Begegnung mit anderen. Die surrealen Landschaften und Handlungen erzeugen eine fantastische Traumwelt, welche die jungen Leserinnen und Leser zum Nachdenken und Philosophieren anregt. Eine überaus spannende und empfehlenswerte Lektüre, die nicht nur junge Leser in ihren Bann zu ziehen vermag.

Susa Hämmerle, Das Korallentor. Ill. v. Rene van de Vondervoort, ab 10 Jahren
Innsbruck: Obelisk Verlag 2015, 144 Seiten, 10,95 €, ISBN 978-3-85197-804-9

 

Weiterführende Links:
Obelisk Verlag: Susa Hämmerle, Das Korallentor
I-geh-lesen: Porträt - Susa Hämmerle
Homepage: Rene van de Vondervoort

 

Andreas Markt-Huter, 07-11-2016

Bibliographie

AutorIn

Susa Hämmerle

Buchtitel

Das Korallentor

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Obelisk Verlag

Illustration

Rene van de Vondervoort

Seitenzahl

144

Preis in EUR

10,95

ISBN

978-3-85197-804-9

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Susa Hämmerle, lebt mit ihren drei Kindern nahe bei Wien. Nach diversen Berufen und Berufungen wie Lehrerin, Lektorin, Redakteurin etc. ist sie seit 1990 freie Autorin. Sie schreibt vorwiegend Bilder- und Kinderbücher und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet.<br />Rene van de Vondervoort wurde in Asten in den Niederlanden geboren. Er lebt seit 1992 in Wien, wo er 1997 seinen Abschluss in der interdisziplinären Klasse der Wiener Kunstschule absolvierte. Seit 2010 beschäftigt er sich mit der Kinderbuch-Illustration.