Im Brennpunkt: Lies weiter - Beratungsstelle für Lesepädagogik in Tirol

Die Beratungsstelle für Lesepädagogik in Tirol Lies weiter wurde von LR Sebastian Mitterer Anfang 2004 ins Leben gerufen, um bei Schülerinnen und Schülern die Freude am Lesen zu wecken und ihre Lesekompetenzen spielerisch zu fördern.

Mit Lies weiter setzten die ehemaligen Mitarbeiterinnen der Landesbücherei ihre Leseförderungsangebote, mit denen sie bereits gute Erfahrungen sammeln konnten, fort. Zum Service von Lies weiter zählt unter anderem die Unterstützung der Arbeit der Lehrer. LehrerInnen, die Leseprojekte durchführen wollen, werden beraten und erhalten die Möglichkeit auf Kinder- und Jugendbücher für ganze Klassen (d.h. jeweils 30 Exemplare) zurückgreifen zu können.

In der Buchauswahl finden sich außerdem auch zahlreiche englischsprachige Titel. Auf der Internet-Site von Lies weiter stehen derzeit mehr als 100 verschiedene Titel für alle Altersgruppen und Schultypen zur Auswahl, die jeden Dienstag Nachmittag von LehrerInnen aus ganz Tirol im Gymnasium in der Sillgasse kostenlos ausgeliehen werden können. Neu dazugekommene Titel werden im Internet immer extra vorgestellt.


Genoveva Kahr-Graf und Gabriele Ennemoser haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Lesefreude und Lesekompetenzen von SchülerInnen zu fördern. Foto: Markt-Huter

 

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Lesen in Tirol hat Genoveva Kahr-Graf und ihre Kollegin Gabriele Ennemoser in der Stadtbücherei Innsbruck besucht und ein Interview mit Frau Kahr-Graf geführt.

Lesen in Tirol: Zu den zentralen Aufgaben von Lies weiter zählt vor allem die Leseberatung für LehrerInnen. Wie sieht dieses Beratungsangebot aus und wie wird es von den SchülerInnen angenommen?

Genoveva Kahr-Graf: Die Nachfrage ist enorm. Fast jede Woche bin ich ein oder zwei Tage an den verschiedensten Schulen in ganz Tirol. Dabei stelle ich in jeder Klasse der jeweiligen Schule einen ganzen Vormittag Bücher vor. Das heißt ich lese Kurztexte aus Büchern vor. Es ist unglaublich wie sehr sich die Schüler für die einzelnen Bücher begeistern und sie dann auch tatsächlich lesen.

Im Rahmen eines von mir entwickelten Projekts, habe ich an zwei Schulen eine Klasse, die ich von der ersten bis zur vierten Schulstufe begleitet habe. Ich habe jedes Monat eine Stunde lang neue Bücher vorgestellt, darüber gesprochen und die Schüler nach ihrer Meinung zu den Büchern befragt, ob sie ihnen gefallen haben, ob sie langweilig oder interessant waren. Diese Bücher haben die Schüler als Aufgabe immer liebend gern gelesen. Nach einem Monat wurden die Bücher besprochen und den Schülern neue Bücher gegeben.


Am 23. April dem "Welttag des Buches" war die Innsbrucker Altstadt mit lesebegeisterten Schülerinnen und Schülern gefüllt.  Foto: Lies weiter

 

So konnte ich den SchülerInnnen von der ersten bis in die vierte Klasse ein literarisches Wissen an Kinderliteratur auf spielerische Weise weiter vermitteln. Der Eifer der SchülerInnen bei den Buchbesprechungen war gewaltig. Obwohl ich den Schülern nur aufgetragen hatte ein paar Notizen zu den jeweiligen Büchern zu machen, verfassten viele von ihnen regelrechte Referate zu den einzelnen Büchern.

Derzeit ist das Projekt mit einer 4. Volksschulklasse in Amras noch im Gange.
Das Projekt bleibt aber nicht eine einmalige Angelegenheit bei zwei Schulen, sondern findet bereits eine Fortsetzung z.B. in der Volksschule St. Peter in Ellbögen.
Das faszinierende an diesem Projekt ist, dass einem die Schüler die Bücher richtiggehend aus der Hand reisen. Sie lesen Sie liebend gern. Was kann man sich mehr wünschen?


Besonders beliebt sind Lesenächte wie z.B. "die Hexenschule", bei denen die SchülerInnen in der Schule übernachten.
Foto: Lies weiter

 

Lesen in Tirol: Lies weiter bietet auch Lehrerfortbildungs-Veranstaltungen für den Bereich Leseförderung an. Wie schaut so ein Programm aus?

Genoveva Kahr-Graf: Die Lehrerfortbildung biete ich einerseits am Pädagogischen Institut an. Auf der anderen Seite nehme ich auch an der Ausbildung der Schulbibliothekare als Referentin teil. Dabei versuche ich den LehrerInnen zu vermitteln: wie werden Projekte entwickelt, wie können Bücher vorgestellt werden, sei es nun im Sachunterricht oder zu bestimmten Themenschwerpunkten.

Nächstes Jahr veranstalte ich z.B. an der Volksschule Mieders unter dem Motto "grüne Woche" eine "Frühlingswoche", in denen es eine ganze Woche lang nur um Frühlingsgeschichten und Frühlingsgedichte geht. Wir wecken dabei Pflanzen auf und führen Theaterstücke mit den verschiedensten Pflanzen und Tiere durch.

Ein Thema bei der Lehrerfortbildung im Jänner heißt: "Literatur in Farben des Regenbogens". Dabei nimmt sich jede Klasse eine Farbe vor und sucht die dazu passende Literatur. Für rot bietet sich z.B. das Buch Die feuerrote Fredericke an und andere rote Geschichten. Diese werden dann beispielsweise in einer roten Galerie präsentiert. Außerdem spielt diese Klasse dann ein Theaterstück, in dem die Farbe Rot vorkommt. Nachdem die SchülerInnen mit einer entsprechenden Farbe gearbeitet haben, werden die Klassenräume auch der Farbe nach dekoriert. Am Schluss kommen die Regenbogenfarben bei der Vorführung der einzelnen Geschichten dann wieder zusammen.

Eine andere Arbeit an den Schulen ist es, Theaterstücke mit den SchülerInnen zu erarbeiten und aufzuführen. Wir haben beispielsweise bereits ein Unterwassertheater veranstaltet oder einen Schwerpunkt "Märchen" durchgeführt. Dabei hatte jede Klasse die Aufgabe ein Märchen auszuwählen und spielerisch umzusetzen, in dem die Zahl Sieben eine Rolle spielt. So wurden z.B. Die sieben Raben mit Handpuppen gespielt.


Ein nettes Beispiel aus dem "Lexikon der Tiere besonderer Art" ist der Klammeraffe. Foto: Markt-Huter


Im Gymnasium Imst war ein Themenschwerpunkt der Woche "Geschichten erfinden" und ein Lexikon der besonderen Art zu erarbeiten, in denen Tiere wie die "Blechschlange", der "Baulöwe" oder die "Brillenschlange" zu finden sind. Die Tiere waren vorgegeben und die Schüler hatten die Aufgaben diese zu beschreiben.

Lesen in Tirol: Was ist derzeit bei SchülerInnen besonders beliebt?

Genoveva Kahr-Graf: Derzeit lieben SchülerInnen das Abenteuer in der Schule. Eine Lesenacht wird dabei als besonders abenteuerlich erlebt. Auch hier gibt es verschiedene Themen wie z.B. die "Bärennacht", die "Hexenschule" oder "Gespenster" und "Kuscheltiere". Und immer werden ausschließlich zum Thema passende Gedichte und Geschichten aus der Kinder-Literatur den SchülerInnen angeboten, die dann gemeinsam erarbeitet werden.

Lesen in Tirol: Wie schaut so eine Lesenacht konkret aus?

Genoveva Kahr-Graf: Bei der "Bärennacht" wurde z.B. eine Bärengeschichte vorgelesen und die Klasse dann in verschiedene Arbeitsgruppen zu bestimmten Aufgaben eingeteilt. Die einen erhalten den Auftrag ein Bärenrätsel zu machen, die anderen sich einen Bärentanz auszudenken. Am Schluss kommen alle wieder zusammen und alle Gruppen präsentieren, was sie jeweils entwickelt haben. Dann wird z.B. wieder gemeinsam gebastelt. Vor dem Schlafen gehen lese ich noch abschließend eine Gutenachtgeschichte vor, dann schlüpfen die Kinder in ihren Schlafsäcke und können noch selbst in ihren Büchern lesen.


Bei der "Bärennacht" wurde nicht nur gelesen sondern auch gerätselt und getanzt, bevor es im Schlafsack zum Schlafen ging. Foto: Lies weiter

 

So eine Lesenacht ist ein gemeinsames Abenteuer bei dem die Schüler zusammenwachsen. Und für die Schüler ist es einfach fein, wenn einmal jemand anderer und nicht ein Lehrer oder eine Lehrerin die Lesenacht gestaltet.

Lesen in Tirol: Welche Aufgaben werden im Rahmen von Lies weiter noch wahrgenommen?

Genoveva Kahr-Graf: Eine große Aufgabe ist die Beratung von LehrerInnen bei der Kinder- und Jugendliteratur. Wir stellen dabei Bücherlisten zu bestimmten Themen zusammen wie z.B. Frühling, Räuber, Piraten, Ritter, Märchen?. Dabei konzentrieren wir uns nicht nur auf die Volksschule, sondern bieten ganz bewusst auch Programme für die Hauptschule und das Gymnasium bis in die Oberstufe an, wie z.B. im Gymnasium am Adolf-Pichler-Platz oder in der Sillgasse. Ähnliche Projekte wurden aber auch mit berufsbildenden Schulen durchgeführt.

Als Beispiel möchte ich ein Projekt mit der Jugendbuchautorin Adele Sansone nennen, an dem eine Gymnasium- und eine Haupschulklasse teilgenommen hatten. An alle SchülerInnen wurde das Jugendbuch Hassan von Adele Sansone verteilt. Sie erhielten die Aufgabe, die Lektüre durchzuarbeiten und hatten anschließend die Gelegenheit, die Autorin bei einer Lesung in der Stadtbücherei Innsbruck zu treffen. In einer Fragestunde stand Sie ihnen dann Rede und Antwort. Die SchülerInnen waren unglaublich gut vorbereitet. Sie hatten nicht nur das Buch gelesen, sondern auch Lieblingstextstellen herausgeschrieben, Bilder zum Buch gezeichnet. Die Autorin wurde sogar zu Kritiken zu ihrem Buch um Stellungnahme befragt, die die SchülerInnen im Internet gefunden hatten.

Lesen in Tirol: Welches Projekt ist von Lies weiter als nächstes geplant?

Genoveva Kahr-Graf: Anlässlich des 200. Geburtstages von Hans Christian Andersen ist für April 2005 ein einmaliges Projekt mit dem Titel "Mit Däumelinchen über den Brenner" geplant. An diesem Projekt nehmen SchülerInnen aus unterschiedlichen Schultypen und Altersstufen teil. Jeweils eine erste Klasse der Hauptschule Zirl und des Gymnasiums Sillgasse sowie sechs 17jährigen SchülerInnen die sich freiwillig am Projekt beteiligen wollten, nehmen daran teil. Die Jugendlichen haben die Aufgabe die Biographie von Hans Christian Andersen vorzustellen. In die Präsentation werden dann Märchenszenen eingefügt, die von den SchülerInnen der Hauptschule Zirl und dem Gymnasium Sillgasse gespielt werden.


Mit "Däumelinchen über den Brenner" heißt das grenzüberschreitende Schulprojekt, das das beiderseits des Brenner durchgeführt wird. Foto: Lies weiter

 

Besonders aufregend dabei ist es, die verschiedenen Schultypen und Altersgruppen zu einer Zusammenarbeit und Interaktion zu bringen. Die Jugendlichen, die ihre Biographie ursprünglich ganz abstrakt gestalten wollten, haben im Zuge der Vorbereitungen von sich aus gesagt: "Halt wir arbeiten doch mit Kindern zusammen" und dann ganz bewusst darauf Rücksicht genommen. Gerade dieses Entwickeln von Gemeinsamkeiten zwischen Jugendlichen und Kindern ist für mich das aufregendste an diesem Projekt.

Das gleiche Projekt, das für Innsbruck geplant ist, wird derzeit auch in Bozen durchgeführt. Die Innsbrucker Gruppe hat nun am 16. April die Möglichkeit, die Aufführung der Südtiroler SchülerInnen anzusehen. Die Südtiroler Gruppe wird eine Woche später, am 23. April, dem "Tag des Buches" nach Innsbruck zu einem Gegenbesuch kommen.

Auf unserer Homepage starten wir im kommenden Jahr eine Aktion, die von Gabriele Ennemoser durchgeführt wird. Kinder und Jugendliche werden monatlich eine Aufgabe vorfinden, die z.B. lautet: "Nenne mir fünf Märchen, in denen gegessen wird." Es werden also regelmäßig Aufgabenstellung aus Kinder- oder Jugendbüchern zu finden sein. Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass Lies weiter Kinder und Jugendbuch-AutorInnen fördert, besonders Tiroler AutorInnen, deren Bücher im Jahr 2005 erscheinen werden. In Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei Innsbruck gibt es dazu einen Zyklus von AutorInnen aus der Jugendbuchszene wie z.B. Andreas Schlüter, Joachim Friedrich, W. Egli und Juliane Ploeger.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview

 

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Andreas Markt Huter, 12-01-2005

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