Heftige Liebe dauert oft über Jahrzehnte an, vor allem, wenn sie abrupt beendet wird.

Gabriele Weingartner schickt im Roman „Die Hunde im Souterrain“ das Liebespaar Felice und Ulrich durch die akademische Welt Berlins der 1970er Jahre. Während sie zu einander zu finden versuchen, sind sie umtost von weltpolitischen Angelegenheiten und dem Strom der Weltliteratur, worin sie heftig lesen und zitieren. Immerhin startet er gerade eine akademische Karriere als Politologe, während sie sich überlegt, ob eine Dissertation über Hermann Broch günstig sein könnte für wen auch immer.

Die meisten Zeitgenossen nehmen Südtirol als Durchreisende am Talboden oder auf  Hangautobahnen wahr, sie würden ordentlich staunen, stiegen sie kurz aus und schauten nach oben.

Tatsächlich gibt es in Südtirol so etwas wie die „Oberschicht“, die knapp unterm Himmel in völliger Freiheit in einer eigenen Kultur wohnt. Diese Bergbauern kultivieren meist das Land knapp an der Baumgrenze, freilich können ihre Wirkungsstätten auch durchaus tiefer liegen, wenn es sich etwa um „Bergbauern des Weins“ handelt.

In einer Saga ist einerseits so viel los, dass kaum ein Erzähler mit der Dokumentation der Ereignisse fertig wird, andererseits tut sich fast nichts, außer dass Helden ihr Heldenleben abspulen.

Johannes J. Voskuil nennt seinen zweiten Teil der siebenteiligen „Büro-Saga“ Schmutzige Hände. Eingeklemmt zwischen innerer Tobsucht und äußerer Korrektheit arbeiten sich die Helden an einer Gesellschaft ab, mit der sie kaum in einen zeitgleichen Kontakt treten. Dennoch geht die Angst um, dass man sich die Hände schmutzig machen könnte, wenn man nicht aufpasst, wo man hintritt und was man dabei sagt.

Dieser seltsame Zustand „zwischen“, quasi nicht Fisch und nicht Fleisch, oder „eingeklemmt“ wie es der Lyriker N.C. Kaser einmal genant hat, gilt am Kontinent als österreichische Kernmentalität: Nicht anstreifen, nicht dabei sein, nicht Farbe bekennen.

Judith Nika Pfeifer stellt zwölf Prosa-Sequenzen vor, die jeweils von einem Zwischenzustand, Zwischengefühl oder Zwischenreich handeln. Gleich zu Beginn wird ein „Zwischenfall“ eingefroren und zurück zum Ausgangspunkt geschickt.

Sprachminiaturen sind treffsichere abgerundete Fügungen, die sich wie Gebilde mit Widerhaken auf dem Filz des Alltags festsetzen.

Rudolf Kraus setzt mit dieser feinen additiven Methode, wo überraschende Wendungen wie Magnetsteine auf die Fläche gesetzt werden, durchaus großen Themen zu wie dem Tod. Nicht nur das nicht Voraussehbare, „wie wird denn wohl mein Tod ausschauen?“, spielt eine Rolle, sondern manche Ereignisse spitzen sich schon zu Lebzeiten so dramatisch zu, dass ihnen der Tod den Deckel drauf setzen muss. So kümmern sich die Sprachminiaturen nicht nur um die Ars moriendi, die Kunst des Sterbens, sondern mindestens so heftig um die Ars vivendi, die Kunst des Lebens.

Tatsächlich sind manche Wochentage und Tageszeiten wie geschaffen dafür, helle Gedanken auszufassen, ein Sonntagmorgen verströmt geradezu verdoppelt das leise Sinnieren durch den eigenen Erinnerungsraum.

Christine Trüb stellt in ihrer Erzählung Sonntagmorgen eine Sie in die Küche und lässt sie sofort im Stil des roman nouveau darin untergehen. Dutzende kleine Partikel fesseln die Protagonistin, die Wand, die darin installierten Bilder, eine Lehrtafel aus einem Schulkabinett und schließlich diverse Dosen, Lebensmittel und Verzierungen, die alle den Befehl des Systems hinausschreien:

Ein Fernsehabend erlöst den anderen. - Wenn Sprichwort-artige klare Analysen im Spiel sind, ist Georg Paulmichl nicht weit. Er schafft es mit seinen beinahe täglichen Schreibüberlegungen, dem jeweiligen Tag und sich selbst den letzten Schliff zu geben.

Seit mehr als drei Jahrzehnten schreibt Georg Paulmichl mehr oder weniger freiwillig unter Anleitung seiner Betreuer seinen Tagesstoff, der zwischen Therapie, Heimatkunde und Jahreskreis angesiedelt ist. Die Miniaturen halten sich oft an ein ausgegebenes Thema und entlarven diverse Kommunikations-Rituale, indem die Sachverhalte oft allzu wörtlich, seltsam verschränkt oder mit Querverweisen aus völlig fernen Gebieten abgesichert werden.

Dem Roman „Ein guter Tag zum Fliegen“ ist ein Lesezeichen beigelegt mit der Zauberformel: „Ein guter Tag zum Lesen.“ - Die gute Witterung zum Abhauen aus der Schwerkraft lässt sich vielleicht mit Lesen bewerkstelligen.

Mathias Klammer faltet seinen Roman über einen tief sinnierenden Außenseiter in zwei Flächen auf. Im ersten Abschnitt, ein guter Tag zum Fliegen genannt, wühlt sich ein Erinnerungs-Ich durch die Kindheit und andere familiäre Krisen-Situationen und setzt sich intensiv mit der Todeskrankheit des Bruders auseinander.

Die Bilder, die wir Leser uns von einem Land machen, gehen oft auf ein einziges Buch oder die Schreibweise einer einzigen Autorin zurück. Dabei entpuppt sich diese reduzierte Sichtweise als wahr und gerecht zugleich.

Im Falle von Norwegen denkt man unwillkürlich an Tor Ulven, der mit seinen ins Unterbewusstsein einschießenden Prosazellen etwas evoziert, was wir mit Norwegen, Blockhütte, Psyche und Ibsen in Verbindung bringen.

Wie sich die sogenannte Freiheit in einer straff geführten Gesellschaft anfühlt, kann am besten jemand erklären, der gerade frisch aus dem Gefängnis entlassen worden ist.

E. W. Bichler schickt seinen Helden Kluibenschädel, der in mehreren existentiellen Abenteuern das Leben gemeistert hat, in eine durchaus an den Nerven zehrende Endzeit und schließlich in den Tod.