susanne gurschler, 111 orte in tirol„Die Tischofer Höhle im Kaisertal ist ein mystischer Ort. Rund 40 Meter in den Felsen geht sie hinein, am Eingang ist sie rund 20 Meter breit und 8 Meter hoch. Beeindruckend ist nicht nur ihre Größe, sondern auch ihre Geschichte.“ (S. 20)

111 besondere Orte in den verschiedensten Gemeinden Tirols von Galtür im Westen bis Fieberbrunn im Osten, von Obergurgl im Süden bis Erl im Norden werden in dem kleinen aber feinen Reiseführer durch das Alpenland mit viel Sympathie und Liebe für die unscheinbaren und verborgenen Dinge vorgestellt.

inghels und Starik, das einsame begräbnisWo das Reden aufhört beginnt die Literatur. Deshalb ist der Friedhof die ideale Streusiedlung für Dichtung.

Was ursprünglich als soziales Projekt begonnen hat, ist in den letzten fünfzehn Jahren eine eigene Kulturform geworden. In der Anonymität großer Städte sterben immer wieder Menschen ohne Angehörige und Bekannte. Oft bleiben sie in einer Wohnung über und werden erst nach einiger Zeit tot entdeckt, oft haben sie sich auch wie Elefanten zum Sterben an den Rand der Gesellschaft zurückgezogen, oft erwischt sie auch der Tod aus heiterem Himmel und der Spontantod sprengt alle Zeremonien.

szilard borbely, kafkas sohnKafka ist wahrscheinlich der einzige –ismus ohne –ismus. Wer Kafka sagt, meint neben der Biographie auch einen Mythos, eine Religion, eine Schreibhaltung und lebenslängliche Auseinandersetzung mit sich selbst.

Im Nachlass des ungarischen Schriftstellers Szilárd Borbély findet sich das fast fertige Manuskript „Kafkas Sohn“, das jetzt auf Deutsch erschienen ist. Diese lockere Prosa räkelt sich an der Figur „Kafka“ hoch, die explizit inszeniert ist. „Wir sehen Kafka als…“ lautet die Eingangsformel für Geschichten, die ihn im Bademantel zeigen, beim Schreiben, unter Blinden oder einfach an einem trüben Tag.

ada zapperi zucker, von sizilien in die toskana.jpgFür einen in einer anderen Sprache und in einem anderen Land sitzenden Menschen sind Sizilien und die Toskana etwa gleich weit entfernte Sehnsuchtslandschaften, für die Autorinnen sind diese Gefilde Heimaten, die einen jeweils unverwechselbaren Lebenslauf ermöglichen.

Ada Zapperi Zucker und Lorella Rotondi verschränken in diesem Erzählband jeweils drei Erzählungen zu einem plastischen Erinnerungsland, aus dem zwischendurch wie die Füße einer Kommode Sizilien und die Toskana herausragen. Dabei entsteht durch den Erzählfaden, welcher über die Generationen hinausführt, eine heftige Glaubwürdigkeit, weil sich die erzählte Welt der Heldinnen mit der erfahrenen Welt der Autorinnen überlagert.

susanne gurschler, 111 orte in innsbruck„Ich hoffe, dieses Buch inspiriert und motiviert Sie, mit wachem Blick durch die Straße und Gassen zu flanieren, offen zu sein für die versteckten Besonderheiten und Schönheiten Innsbrucks – bemerkenswert sind sie allemal!“ (Vorwort, S. 3)

Von den 111 Orten in Innsbruck findet sich ein Großteil im Zentrum der Stadt rund um den alten Stadtkern aber auch die umliegenden Regionen, vom Flughafen bis Igls oder Arzl bieten zahlreiche Besonderheiten, die im Buch ausführlich zur Sprache kommen.

paolo rumiz, der leuchtturmIn der Literatur gilt der Leuchtturm als der Höhepunkt der Schreibkultur. Einerseits ist so ein entlegener Turm der beste Ort zum Schreiben, andererseits nimmt die Schrift das Licht der Lampe auf und leuchtet anschließend quer über die Regale der Neuerscheinungen. Gute Literatur hat Leuchtturmfunktion, heißt es dabei etwas geschwollen formuliert.

Paolo Rumiz ist Reisejournalist im erweiterten Sinn, mal tritt er dabei als Kriegsberichterstatter auf, dann als Sozialreporter und zwischendurch als philosophierender Literat. Die Grenzen sind fließend, wie sich überhaupt ein kluger Gedankenfluss nie einschränken lässt.

wolfgang hermann, das japanische FährtenbuchVon Kindheit an sind Leser Fährtensucher und Fährtenleser, Abenteuer sind nur zu bestehen, wenn man Spuren lesen kann. Und auch später gehen die Leser immer noch Fährten nach, um sich im Erlebnisdschungel der Welt jenseits aller Digitalisierung mit den eigenen Sinnesorganen zurechtzufinden.

Wolfgang Hermann bringt den Zustand des Schriftsteller-Seins mit Energie, Durchhaltevermögen, Sturheit, aber auch Beschränktheit, Blindheit, Verbissenheit in Verbindung. (85) Vollends gefordert ist er, wenn er sich durch eine fremde Kultur schlängeln muss, auf Wegen, die noch gar nicht existieren.

alejandro zambra, ferngesprächDer Titel Ferngespräch löst sofort Neugierde und Fernweh aus und macht ein weites Lesefeld auf, denn wie oft liest unsereins schon einen Band mit chilenischen Stories.

Alejandro Zambra erzählt in seinen elf Geschichten von diesen diffusen Metamorphosen, wo man mit der Wahrheit hineingeht und mit was Falschem herauskommt, wo das Kind mit ein paar Handgriffen erwachsen wird, wo ein Schriftsteller schließlich echt und professionell wird, weil er das passende Programm verwendet hat.

erika wimmer mazohl, meran abseits der pfadeDer klassische Städtetourismus gelangt immer mehr an seine Grenzen. Die Trampelpfade sind oft so verstopft, dass man Periskope ausfahren muss, will man jene Sehenswürdigkeiten sehen, die man ohnehin besser auf Wikipedia nachschlägt. Und der Mix an Sehenswürdigkeiten und Geschäften ist so international, dass man alle Strümpfe dieser Welt gesehen hat, wenn man in ein Strumpfgeschäft geht, und alle Museen der Welt kennt, wenn man eines dieser neuen Einheitsmuseen betreten hat.

Erika Wimmer Mazohl nimmt die wohltuend ausscherende Serie „abseits der Pfade“ zum Anlass, um der Stadt Meran jene Liebenswürdigkeiten abzuluchsen, die diese nur ihren Freunden und Gönnern zukommen lässt. So sind zwar die Villen und Promenaden das Markante, das Meran seit Jahrzehnten in den Prospekten vorzeigt, die Besonderheiten liegen aber in kleinen Gevierten, die auf einer Fußgänger-Karte ausgewiesen sind.

norbert kaser, mein haßgeliebtes bruneckUm wirklich unsterblich zu werden, musst du zu einem Mythos mutieren. - Die Zeitgenossen eines Mythos sitzen Jahr für Jahr fassungsloser vor diesem Satz und rechnen ihr armseliges Leben mit siebzig gegen den aufregenden Mythos eines Helden auf, der schon beinahe ein halbes Jahrhundert tot ist.

norbert c. kaser hat sich genial in jenen Mythos hineingeschrieben, den seine Zeitgenossen von ihm verlangt haben. Er hat offensichtlich so genau die Südtiroler Seele getroffen, dass diese ihm zwar zu Lebzeiten nichts, anschließend aber alles an Anerkennung verpasst hat. Preise, Schulen, Vorlässe, alles, was die Romantik heroischen Helden zu bieten hat, ist für norbert c. kaser aufgeboten worden. Gerüchtehalber soll sogar der Haymon-Verlag als Vater aller Nachlässe nach dem toten Hund Kasers (Haymo) benannt sein.