martinf troger, ein einzelzimmer bitteSammlungen mit Geschichten haben ihre Initialzündung entweder als Schüttgut, als Chronik oder als thematische Verklumpung.

Martin Troger lässt sich mit seinen „Paargeschichten“ von allen drei Möglichkeiten anregen. Seine Sammlung „Ein Einzelzimmer bitte“ ist vorerst einem Wettbewerb des Projekts ZOOM ED geschuldet, darin werden Erstpublikationen von Literaturschaffenden aus Südtirol und den angrenzenden Gebieten gefördert. Für das Projekt hat der Autor 21 Geschichten aus der persönlichen Schütte ausgewählt und klug aufgefädelt. Einmal auf die Spur gesetzt, entdeckt man als Lesender tatsächlich die inneren Zusammenhänge zwischen den Geschichten, die vage auf den Begriff „Paar“ kalibriert sind.

reinhard margreiter, wohnen im zeitalter der mobilitätDie Wohnung ist nach dem Blastoderm und der Kleidung unsere dritte Haut, in der wir leben. Die vierte wäre das politische Gemeinwesen. So ungefähr ist für das Ende des letzten Jahrhunderts das Curriculum der Erwachsenenbildung aufgebaut. Anhand der vier Häute können damit alle Probleme des adulten Menschen besprochen und fallweise gelöst werden.

Das Wohnen an sich ist zwar seit Jahrhunderten jenes Thema, das dem Denken und Philosophieren eine weite Bühne bietet, man denke nur an den berühmten Heideggersatz „Die Sprache ist das Haus des Seins“. Im gegenwärtigen Diskurs freilich handelt das Wohnen vom Schaffen von Wohnraum, der Materialisation von Kapital und einem vorläufigen Endzustand einer Gesellschaft, die in den Segmenten Tourismus und Migration ständig unterwegs ist.

elisabeth lexer, fluchttiereDer Begriff Fluchttiere sagt den Tierliebhabern etwas völlig anderes als den psychologischen Analytikern, die sich gerne strategisch verlesen und von „Fluch-Tieren“ sprechen.

Elisabeth Lexer erzählt freilich Eindeutiges: Die Tiere sind das Um und Auf, Lebensinhalt und Skala zum Messen von Veränderung und schließlich Katalysatoren in den Beziehungen des knapp bemessenen Personals. Im Unterschied zur Hauptperson Elsa, für die Tiere das Sinnbild des Lebens sind, verliert der an Tieren weniger interessierte Leser leicht den Überblick über die Herde an mehr oder weniger gezähmten Vierbeinern und registriert letztlich bloß die ständige Anwesenheit von Hunden, Katzen und Pferden.

albert ennemoser, gschichten und bilderIm Zeitalter der Digitalisierung ist es vielleicht die Hauptaufgabe eines Buches, haptisch unterwegs zu sein. Viele Sinneseindrücke lassen sich digital erregen, das taktile Aufschreien der Sensoren freilich, wenn Kunst auf den Körper trifft, lässt sich nur haptisch analog produzieren.

Albert Ennemoser ist in mehreren Genres und Künsten unterwegs. Seine „Geschichten und Bilder“ sind als eine Art Anleitung zum Gesamtwerk zu lesen. Aus diesem Grund erscheint das Buch mit zwei Bildern als Vorder- und Hintercover, die buchrelevanten Angaben nach Verlag, Autor und Titel sind auf den Buchrücken verschoben, wo sie letztlich den größten Nutzen entfalten, denn vom Buch sieht man meist nur das Rückgrat.

josef oberhollenzer, prantnerDie meisten Bücher rennen einem nach, überfallen einen und man kommt mit der Abwehr der Massenware des Literaturbetriebes nicht nach. In seltenen Fällen lassen sich Bücher ausmachen, denen man als Leser selbst nachgehen muss, sie sind verschlüsselt, geheimnisvoll und einmalig. Sie lassen sich erst lesen, wenn man zuvor Freundschaft mit dem Autor und seinem Konzept geschlossen hat.

Josef Oberhollenzer „pflegt“ schon seit Jahrzehnten einen solitären Erzählstil. Im Layout ist sein Roman getragen von einer an der oberen Seitenoberkante ausgerichteten Hauptebene, der im Stile von wissenschaftlichen Arbeiten eine Fußnotenleiste untergelegt ist.

alain finkielkraut vom ende der literatur„In normalen Zeiten stehen uns zwei Mittel zur Verfügung, um zu verhindern, dass das Besondere im Allgemeinen untergeht: die Literatur und das Recht. Die Beachtung von Unterschieden und die Weigerung, pauschalierend zu denken – charakteristisch sowohl für die juristische als auch für die literarische Betrachtung des menschlichen Lebens –, bewahren uns vor ideologischem Denken. In revolutionären Zeiten aber gehen Menschlichkeit und Scharfblick solcher Art in der Flut der mitleidlosen Anteilnahme unter …“ (S. 78 f)

Alain Finkielkraut gilt als einer der bekanntesten und provokantesten französischen Philosophen der Gegenwart. Dabei stellt er ganz bewusst gängige dominierende Strömungen des politischen und gesellschaftlichen Diskurses in Frage und untersucht sie auf ihren Hintergrund und ihre Folgen.

andreas pavlic, sternhagelBücherfreunde wissen: Die Steigerung von Buch heißt Umkehrbuch. Das ist eine Art U-Turn, wie man ihn im Rallye-Sport kennt. Man hält das Buch wie immer, macht einen U-Turn, und hat plötzlich ein anderes Buch in der Hand. Die erste Frage bei der Lektüre eines Split-Buches lautet folglich: Was lese ich zuerst? Lese ich in einem Zug bis zur Mitte, oder wechsle ich nach jedem Gedicht die Buchhälfte?

Markus Lindner und Andreas Pavlic schweißt ein Schicksal zusammen, sie sind beide von Tirol-Erinnerung gewürgte Aussiedler, die ihre Jugenderinnerungen an Innsbruck mit einem Blues würzen, um diesen schließlich mit überregionalen Themen zu überlagern.

evelyne lorenz, das neunte landDer sogenannte Bundesländerroman gilt als eine raffinierte Besonderheit für die Rezeption der Literatur. Da der Grunderwerb von Lesen und Schreiben sowie das Betreiben von Schulen, Bibliotheken und Archiven meist in die Kompetenz der Länder fallen, hat sich ein eigenes Genre entwickelt, das fallweise die öffentlichen Bedürfnisse einer Region erfüllt. Im Volksmund nennt man dieses Kulturgut streng „Bundesländerroman“.

Evelyne Lorenz hat ein staatstragendes Jubiläum zum Anlass genommen, um anhand einer didaktischen Story die Geschichte des Burgenlandes in den letzten hundert Jahren zu erzählen. Der Bundesländerroman erweist sich dabei als passables Genre, um verzwickte Geschichte unterhaltsam darzustellen.

alexander kluge, das buch der kommentareVom Gewicht her überstrahlt der Titel „Das Buch der Kommentare“ bei weitem den erfrischenden Zusatz „Unruhiger Garten der Seele“. Das eine erinnert an archaische Bibelformate jenseits von Raum und Zeit, das andere ist die zaghafte Verortung des Individuums im Garten der eigenen Seele.

Alexander Kluge hat sich zu seinem neunzigsten Geburtstag sein Werk abermals selbst erschlossen, indem er in drei Einleitungsgeschichten unerwartete Zugänge zur Welt freischaufelt.

janko ferk, mein leben, meine bücherJe heftiger du vom Lesen schwärmst, umso weniger glaubst du vielleicht daran. – Diese schlaue Erkenntnis von Bibliothekaren, die sich mit aufgekratzter Kundschaft auseinandersetzen müssen, sollte man auch probehalber für Dichter anwenden, die zum Ruhestand in eine potentielle Lese- oder Schreibkrise geraten sind.

Janko Ferk nennt seine persönlichste Erzählung „Mein Leben. Meine Bücher“. Darin beschreibt ein ziemlich „authentisches Ich“ zehn Bücher, die es zu einem außergewöhnlichen Leben verführt haben. Die Erzählung ist erfüllt von Glück, Aufregung, Anspannung und Genugtuung, dem Helden ist nämlich nichts anderes gelungen als ein literarisch erfülltes Leben.