Alois Schöpf, Wenn Dichter nehmen

Im Essay lehnt sich der Autor bei offenem Fenster mit seinen Thesen kühn hinaus in den Fahrtwind. In einer Gesellschaft, die vollklimatisiert durch die eigene Gedankenwelt reist, ist das mittlerweile zu einem seltenen Ereignis geworden.

So ist es kein Wunder, dass es den Leser bei Alois Schöpfs Essay selbst aus dem Sessel reißt, behauptet er schlicht nichts anderes, als dass sich die gefeierten Dichter der Gegenwart manchmal heimlich mit den Germanisten der entsprechenden Region treffen und unter dem Titel „Vorlass“ eine Menge öffentlicher Kohle kassieren.

So ist dann in Kultureinrichtungen plötzlich kein Geld mehr für die Pflege der Gegenwartsliteratur vorhanden, weil sich dieses ein paar Alte pfleglich unter den Nagel gerissen haben.

An den Beispielen Mitterer, Zoderer, Handke und Turrini wird sarkastisch die Qualität ihrer Texte analysiert um dann zu fragen, ob es sich lohnt, diesen Semmel für die nächste Generation im Archiv zu sammeln, das ohnehin für die nächste Generation gesperrt ist.

Zu jedem Wahn, den eine Gesellschaft als Zeitgeist ausspuckt, gibt es die geeigneten Bücher und ihre servilen Dichter. (97)

Völlig unwissenschaftlich und fahrlässig gegenüber der öffentlichen Hand sortieren Archiv-Germanisten dabei die Literatur nach den Kriterien „angepasst“ und „verwerflich“. Die Angepassten werden konserviert, damit die nächste Generation nicht die Wahrheit über die gegenwärtige erfährt, und die Verwerflichen werden, wie schon der Name sagt, verworfen und stumm gemacht.

Dabei gilt der Grundsatz, dass das Gestrige stets besser ist als das Heutige, die Natur besser als der Mensch, das Regionale besser als das Internationale und das Religiöse besser als die Aufklärung ist. (105)

Joseph Zoderer, von dem der Volksmund sagt, er habe den Hut nur dann auf, wenn er damit nicht betteln geht, hat sich sein Werk bereits zu Lebzeiten mehrmals abgelten lassen, ehe es jetzt endlich im Innsbrucker Brenner-Archiv dekontaminiert wird. Das gleiche gilt für Felix Mitterer, der für die Endlagerung seines Werkes immer noch mit den Landeshauptleuten von Niederösterreich und Tirol pokert, um einen möglichst guten Preis im Millionen-Bereich zu erzielen.

Während bei einem Nachlass wenigstens klar ist, wie umfangreich er ist, wird der Vorlass immer in kleinen Portionen verkauft, sodass er bei entsprechendem Netzwerk zu einer verlässlichen Einnahmequelle wird.

Am Vorlass-Kartell ist Mehreres verwerflich: Die öffentliche Kohle fließt heimlich, ohne dass es irgendwelche Spielregeln gäbe, öffentliche Einrichtungen pokern mit öffentlichem Geld um den Erwerb diverser Texte und schaffen dabei wie im Bankenwesen eine künstliche Blase, die Autoren, die in ihren Texten oft moralisierend davon schreiben, wie ein sauberes Leben zu gestalten sei, halten ungeniert die Hände auf und bedienen sich wie jene negativen Helden, die sie eben noch denunziert haben.

Alois Schöpf sticht mit seinem Essay in ein Wespennetz, denn nicht nur Tirol und Südtirol sind fest in der Hand des Vorlass-Kartells, jedes Bundesland kauft sich mit Vorlässen eine scheinbar gut gemeinte Stimmung für die Nachwelt ein, wie die Tabelle im Anhang des Essays beweist.

Alois Schöpf, Wenn Dichter nehmen. Über das Vorlass-Kartell. Essay.
Innsbruck: Limbus 2014. (= Limbus Essay 6). 113 + 39 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-3-902534-99-6.

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Alois Schöpf, Wenn Dichter nehmen
Wikipedia: Alois Schöpf

 

Helmuth Schönauer, 15-04-2014

Bibliographie

AutorIn

Alois Schöpf

Buchtitel

Wenn Dichter nehmen. Über das Vorlass-Kartell

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

113 + 39

Preis in EUR

10,00

ISBN

978-3-902534-99-6

Kurzbiographie AutorIn

Alois Schöpf, geb.1950 in Lans, lebt in Lans.