Martin Kolozs, Mein unruhiges Herz

Bei jedem Lyrikband von Format bleibt einem als Leser beim ersten Anblättern etwas in Erinnerung, was diesen Band einmalig macht.

Im Falle von Martin Kolozs „Mein unruhiges Herz“ ist es die Unruhe im Cover, dessen Inschrift völlig auszuckt, um sich dann letztlich in einem Buchstaben-Klumpen zu beruhigen. Dieses Cover lässt schon erahnen, wie wild es rund um das lyrische Ich im Buchinnern zugeht.

Die lyrischen Erzähler, Protagonisten oder Ich-Schablonen entwickeln ihre Identitäten meist durch den ständigen Neuanfang des Nachdenkens, kaum ist ein Gedicht abgearbeitet, steht schon das nächste an. Bei Martin Kolozs jagt sich das lyrische Ich von einem Zweifel in den nächsten, alles ist unruhig, nichts ist gewiss. An keinem Ort der Welt kann man von einer Zweifelattacke sicher sein, wie die Ortsangaben beweisen, die den Gedichten beigefügt sind.

Das Hauptthema ist nichts anderes als der generelle Zweifel an allem, der in katholisch angehauchter Prägung auch in Selbstzweifel, Selbstleiden und geistiger Selbstpeitschung ausarten kann.

Vor allem die Liebe macht dem lyrischen Ich zu schaffen. Ist es einmal schön, ist es auch schon furchtbar, weil die Worte ausgehen für dieses Glück. Und das lyrische Ich ist in manchen Sequenzen so wild verliebt, dass alles zu einem Seitensprung wird, wenn es sich nur für einen Augenblick vom Mund der Geliebten abwendet.

Opfer meiner selbst // Meine Gewissensbisse fressen mich auf. / Schon haben sie meine Hände verschlungen. // Mir blieben nur die Füße, / um mich zu wehren - nach ihnen zu treten - / und davonzurennen. // Jedoch verfolgen sie mich, / jagen mir nach und / schnappen nach mir. / Wie eine Meute wild gewordener Hunde. // Lilienfeld, März 2013 (30)

Viele Gedichte sind an jener Kante zwischen Meditation und Gebet angesiedelt, wo sich das lyrische Ich ordentlich auswringt, um alle schlechten Gedanken fahrenzulassen. Manchmal entsteht ein aphoristischer Stil, wenn das Unglück repariert und der Alltagskarren wieder flottgemacht werden kann, dann wieder geht es ins Apokalyptische, wenn der Tag nicht mehr zu retten ist.

Als Leser bewundert man die Offenheit, mit der hier intime religiöse Verknüpfungen ausgestellt werden, andererseits ist der Ton zwischendurch von Gebetsformeln durchmischt, die dem agnostisch angehauchten Publikum höchstens als poetisches Grundrauschen auffallen.

Die Gebete, Anrufungen und Psalm-ähnlichen Evokationen kommen manchmal in die Nähe des frühen Thomas Bernhard, wenn dieser in hora mortis das lyrische Ich auf den nächstbesten Stein fallen lässt, um alles abzuministrieren, was sich an Last aufgestaut hat.

Alles Liebe // O mein Gott, mein Herz, / was schlägst du fest, / als könnte eine Brust / nicht brechen --- (66)

 

Martin Kolozs, Mein unruhiges Herz. Gedichte
Zirl: Edition BAES 2016, 68 Seiten, 9,00 €, ISBN 978-3-9504186-5-1

 

Weiterführende Links:
Edition BAES: Martin Kolozs, Mein unruhiges Herz
Wikipedia: Martin Kolozs

 

Helmuth Schönauer, 28-09-2016

Bibliographie

AutorIn

Martin Kolozs

Buchtitel

Mein unruhiges Herz. Gedichte

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2016

Verlag

Edition BAES

Seitenzahl

68

Preis in EUR

9,00

ISBN

978-3-9504186-5-1

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kolozs, geb. 1978 in Graz, lebt in Innsbruck und Wien.