Franz Josef Noflaner, Dichter Worte. Menschen Blicke

franz josef noflaner, dichter worteIn einer völlig erschlossenen, zivilisierten und geschäftlich austarierten Kunstwelt sind wir dann völlig fertig, wenn jemand auftaucht, der das Außenseitertum zur Kunst erhoben hat und auf alles pfeift.

Als Franz Josef Noflaner 1989 stirbt, geht er niemandem ab, das ist eigentlich das Übliche im Tiroler Kunst- und Literaturbetrieb. Aber als man dann das Werk exemplarisch 2017 in einem Schuber vorstellt, sind alle verblüfft. Im Textteil wimmelt es nur so von hermetischen Texten, die mit dem Vokabular des Talschlusses und dem Formelvorrat der Romantik massenweise Themen abhandeln und die dann entstehen, wenn nichts passiert. Im Bildteil stechen vor allem die Kugelschreiber-Bilder hervor, die als Vignetten ausgeführt von einem gewaltigen Zeitverbrauch bei der Entstehung der ausgekritzelten Flächen künden.

Was macht diesen Franz Josef Noflaner auf Anhieb so sympathisch? Vermutlich ist es sein Risiko, völlig auf sich allein gestellt seine Kunst auszuleben, nichts zu verkaufen, nicht anerkannt zu sein, in keinem Museum zu hängen und dennoch als Unikat die Welt zu besiegen.

Als Grödner stützt er sich ein Leben lang auf die deutsche Sprache, die er offensichtlich sich selbst gegenüber irgendwo in der Romantik einfriert. So sind die Gedichte stets schlau gereimt, aber in der inflationären Fülle erinnern sie eher an Abreißkalender, als an wertvolle Kleinodien.

In den Briefbeispielen um das Jahr 1930 herum pflaumt er der Reihe nach Verlage an und stellt sich als Genie vor- Als die Verlage nicht reagieren kläfft er in einer ziemlich hinterweltlerischen Art zurück und meint, dass er durchaus Nobelpreisverdächtig sei. Diese Selbstüberschätzung gibt ihm offensichtlich die Kraft, als abgewunkener Sonderling sein Werk herunterzuschreiben, dabei gilt vielleicht das Durchhalten mehr als die einzelnen Texte das Leben voranbrächten.

In den 1950er Jahren hat er einige Gedichtbände im Selbstverlag produziert, die herumliegenden Auflagen werden nach seinem Tod wertschätzend an öffentliche Bibliotheken verteilt, wo sie aber weiterhin in ihren barocken Umschlägen ruhen: Gebundene Ähren / Kristall und Sonnenlicht / Die gefräßige Straße / Antennen wie Schwingungen.

Ähnliches gilt für die Malerei, die er sich spät selbst beigebracht oder zugefügt hat. In der Hauptsache kümmert er sich um Porträts, denen in allegorischer Manier allerhand Pflanzen und Verzierungen aus der puren Physiognomie wachsen. Die Bilder sind sorgfältig zu einem imaginären Katalog zusammengestellt, aber der Öffentlichkeit kaum bekannt. Auch hier werden einzelne Motive zu einem Zeichengelage ausgewalzt, ganze Blöcke von Papier verwandeln sich in gekratzelte Vignetten, die vielleicht an verschollene Sagenfiguren erinnern.

Vielleicht hat Franz Josef Noflaner zwei große Leistungen vollbracht: Er hat bewiesen, dass man in Tirol auch ohne Publikum durchaus kreativ sein kann, und er hat seine Umgebung durch Verweigerung geadelt, indem er das Leben zu einer Talschluss-ähnlichen Symphonie zusammengestutzt hat. Aufregend auf alle Fälle!

Franz Josef Noflaner, Dichter Worte. Menschen Blicke. Ausgewählte Werke, zwei Bände im Schuber, herausgegeben von Markus Klammer
Innsbruck: Haymon Verlag 2017, 528 Seiten, 34,90 €, ISBN 978-3-7099-7246-5


Weiterführende Links:
Haymon Verlag: Franz Josef Noflaner, Dichter Worte. Menschen Blicke
Wikipedia: Franz Josef Noflaner

 

Helmuth Schönauer, 26-02-2016

Bibliographie

AutorIn

Franz Josef Noflaner

Buchtitel

Dichter Worte. Menschen Blicke. Ausgewählte Werke

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Haymon Verlag

Herausgeber

Markus Klammer

Seitenzahl

528

Preis in EUR

34,90

ISBN

978-3-7099-7246-5

Kurzbiographie AutorIn

Franz Josef Noflaner, geb. 1904 in St. Ulrich, starb 1989 in Brixen.