Elias Schneitter (Hg.): Zirl. Heimat

Elias Schneitter, Zirl. HeimatAls die heikelste Form, etwas zu erzählen, gilt jene, es über das Heimat-Buch zu betreiben. In seinem Heimatort nämlich ist jeder ein großer Erzähler, aber es gibt kaum Zuhörer. So löst ein Heimat-Buch immer große Diskussionen aus, ob auch alle Geschichten drin sind, ob sie richtig erzählt sind, ob die Namen richtig gedruckt sind und vor allem, ob auch niemand vergessen worden ist.

Der Schriftsteller Elias Schneitter löst diese Probleme elegant, indem er das Heimatbuch zergliedert. Teil eins, zwei und drei sind schon erschienen, der aktuelle Band lässt sich nur lesen, wenn man zuvor die drei früheren Herausgeber Norbert Prantl, Benjamin Flöß und Anton Schnaiter mit ihren Werken gewürdigt hat.

Das aktuelle Buch hat zudem eine mobile Beigabe der Bibliothekarin Maria-Luise Post, worin alle relevanten Sagen und Fragen des Marktes Zirl enthalten sind. Diese Rätselform erspart die sonst üblichen Ausritte zu den Römern, wiewohl in jedem Zirler auch ein Nachfahre von Teriolis stecken könnte.

Großer Wert wird bei diesem Projekt auf verschiedene Erzählstandpunkte gelegt. Die arbeitende Bevölkerung erklärt persönlich ihre Arbeit, die anlegende Bevölkerung erklärt persönlich ihre Veranlagungen, die künstlerischen Persönlichkeiten zeigen ihre Kunstwerke, und jede Menge Interviews vermitteln schließlich jenes Gefühl, das unter Einheimischen gerne als Zirler Groove bezeichnet wird, wenn an der Kante des Steinbruchs wieder einmal das Wetter zwischen Ober- und Unterinntal wechselt.

Die Lebenswerke der einzelnen Bewohner können mit dieser feinen Erzählmethode gewürdigt werden, ohne dass Pathos alles ersticken würde, an manchen Stellen wird auch offen dargelegt, dass etwas ganz anders gekommen ist als geplant.

Diese hauchdünne Linie zwischen Planung und Chaos streicht Andreas Stögerer-Schwarz hervor, wenn er Fotovergleiche auslegt, wie die Gassen und Häuser früher ausgesehen haben und was heute daraus geworden ist. Selbst der größte Patriot muss zugeben, dass Zirl eher einem großen Bau-Unfall gleicht als einer Märchensiedlung. Als größte Katastrophe wird dabei das Gasthaussterben empfunden, aus dem einst geselligen Verkehrsknoten ist an manchen Tagen ein Vorschläfer-Dorf geworden.

Mit dem literarischen Blick schaut man in Zirl natürlich auf die öffentliche Bibliothek, die im ganzen Land als Meilenstein für Medien, Einrichtung, Ausbildung und Lesepflege gilt. Diesem Bibliotheksgeist ist auch das Heimatbuch zu verdanken, denn wie in den angelsächsisch-skandinavischen Bibliotheken üblich, wird darin alles Relevante vom Kanaldeckel bis zur Kurzparkzone diskutiert. Als literarischer Stützpunkt gilt mittlerweile auch der Verlag BAES, der den geschlagenen Beatniks des ganzen Kontinents als geistige Heimat dient.

Der moderne Mensch kriegt von Zirl nur mit, dass er am Zirlerberg viel hinauf- und herunterschalten muss. Aber hinter der Lärmschutzmauer kommen die Nachfahren von Teriolis jeden Tag in ihre eigenen Gänge.

Elias Schneitter (Hg.), Zirl. Heimat
Zirl: Augustin Medien / Marktgemeinde Zirl 2017, 375 Seiten, 32,00 €, ISBN 978-3-9504351-0-8


Weiterführende Links:
Augustin Medien & Design: Elias Schneitter (Hg.): Zirl. Heimat
Wikipedia: Elias Schneitter

 

Helmuth Schönauer, 24-03-2017

Bibliographie

Buchtitel

Zirl. Heimat

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Augustin Medien

Herausgeber

Elias Schneitter / Marktgemeinde Zirl 2017

Seitenzahl

375

Preis in EUR

32,00

ISBN

978-3-9504351-0-8

Kurzbiographie AutorIn

Elias Schneitter, geb.1953 in Zirl, lebt in Zirl.