Zumindest in der Literatur, sagt man, kann es Austria mit Amerika aufnehmen. Und dann werden gleich wuchtige Beispiele von Kürnberger, Kafka, Roth und Handke genannt, worin von Europa aus ein kontinentales Weltbild von Amerika entwickelt worden ist.
Das sogenannte Amerikabild wird in der heimischen Literatur immer wieder hinterfragt, schließlich sind die Einflüsse über Beat, Musik, Shortstory und Filmepik immer noch virulent, mittlerweile ergänzt durch die Eruptionen von Sozialmedia, KI und Fake-Kultur.
Regina Hilber hat das Land einst zu Recherchezwecken für ihr Buch „Super Songs Delight“ bereist und seither ein scharfes Auge auf ein Amerika geworfen, das sich momentan irgendwo zwischen Traum und Trump mit Schlagzeilen ausschmücken lässt.
Im Podium-Spezial „Mein Amerika? America Me!“ kuratiert sie zwei Dutzend Beiträge österreichischer Gegenwartsliteratur, die sich in drei Schleifen über den Kontinent hermacht
- Geographisch ruhen die Texte zwischen „Ost- und Westküste“, wie die Beschreibungspunze Amerikas oft genannt wird; konkret sind u. a. Florida, North Carolina, Ohio oder Illinois dabei.
- Epochen-mäßig spielen die Essays von den Höhlenkulturen New Mexicos aufwärts bis hinein in die Jahrzehnte der europäischen Immigration bis herauf in die zeitgeschichtliche Gegenwart rund um den Vietnamkrieg und die politischen Bewegungen von Me Too.
- Literatur-thematisch geht es immer wieder um den Beat, die Dramaturgie Hollywoods, die psychologischen und psychodelischen Erzählformen der Postmoderne, bis hin zu Texten der Forensik oder des Konsums.
Die hier vorgestellten Amerika-Texte sind mit bio- biographischen Angaben hinterlegt, so dass es ein leichtes ist, das größere Werk der Autorinnen abzurufen, das unendliche Verknüpfungspunkte darstellt. Denn die Amerika-Literatur ist sowohl in der Produktion als auch Rezeption immer auf „great“ angelegt.
So berichtet Richard Wall von einer peripheren Lyrik, die aber umso erstaunlicher wirkt, je verschollener sie wahrgenommen wird. Als persönliche Erfahrung für dieses „lyrische Paradoxon“ erzählt er von Robinson Jeffers (1887-1962), der mit seiner Naturlyrik die Welt beeinflusst hat bis ins Mühlviertel hinein, obwohl er selbst unbekannt geblieben ist.
Elias Schneitter erzählt von seinem Ferieneinsatz in einem YMCA-Camp in Minnesota, den er kurz nach seiner Musterung beim Bundesheer angetreten hat. Trotz der schönen Natur wundert es ihn, dass die Stimmung unter den Campisten recht gedrückt ist, da sie ständig damit rechnen müssen, nach Vietnam geschickt zu werden. Die kulturelle Auseinandersetzung darüber findet mit Musik und Beat-Literatur statt. Wieder zu Hause bekommt der Erzähler den österreichischen Einberufungsbefehl, der aber nicht die Melancholie von Vietnam auszulösen vermag. Hinterher erfährt er, dass er zufälligerweise während der An- und Abreise in New York im Hotel mit Giganten des Beat zusammengelebt hat.
Von der Schwerkraft der amerikanischen Musik berichtet auch Manfred Chobot, indem er vor allem den Einfluss der Musik auf die österreichische Untergrundliteratur hervorhebt. Über diese musikalische Kraft wird später das Bonmot verbreitet: Bob Dylan hat mit seinen Protestsongs quasi im Alleingang die US-Regierung in die Knie gezwungen und den Vietnamkrieg beendet.
Dietmar Füssel fackelt nicht lange herum und erzählt ein ausgewiesenes Klischee, worin alles vorkommt, was in Western, Kinderbüchern über Indianer und Prärie-Schnulzen so Platz hat. Das Klischee ist nämlich die einzige Möglichkeit, der KI Paroli zu bieten.
Erika Kronabitter zeigt auf Kraft der amerikanischen Verheißung aus den 1950er auf die zum Staatsvertrag frisch aufmunitionierten Österreicher. Die teuflische Parole heißt: „größer schöner besser reicher“.
Monika Gentner legt Amerika als Schablone aus und stellt fest, dass die Amerika-Bilder und die Literatur davon immer stimmen, weil wir den Kontinent immer literarisch inhalieren.
Ditha Brickwell analysiert N.Y. City als sichere Stadt, wie sie diese selbst wahrgenommen hat, als sie als Westberliner Stipendiatin in der Stadt anlegt wie früher echte Einwanderer.
Für den österreichischen Literaturbetrieb ist es Usus, von Zeit zu Zeit dieses Gefühl zu analysieren und in Anthologien darzustellen, das Regina Hilber vortrefflich beschrieben hat mit der paradoxen Frage-Antwort: Mein Amerika? America Me!
Regina Hilber (Hg.), Mein Amerika? America Me! Podium 217/218. Mit Beiträgen von Richard Wall / Manfred Chobot / Elias Schneitter / Dietmar Füssel / Monika Gentner / Erika Kronabitter / Ditha Brickwell u. a.
Wien: Podium - Zeitschrift für Literatur 2025 (= Doppelheft 227/218), 159 Seiten, 12,00 €, ISBN 978-3-902886-94-1
Weiterführende Links:
Podium. Zeitschrift für Literatur
Wikipedia: Regina Hilber
Helmuth Schönauer, 08-11-2025