Geschichte | Politik

Harald Specht, Jesus? Tatsachen und Erfindungen

andreas.markt-huter - 04.01.2017

„Hat Jesus jemals gelebt? Oder ist er nur ein Phantom. »War Jesus doch nur eine Erfindung der urchristlichen Gemeinde?«, fragt Augstein. Eine erdichtete Figur, ausgesponnen von frühen Christen und Kirchenmännern? Kann man diese Frage heute noch klären? Gibt es von Jesus überhaupt noch greifbare Spuren in der Geschichte?“ (18)

Es gibt wohl wenige Figuren der Weltgeschichte, über die so viele Bücher geschrieben worden sind wie über Jesus von Nazareth, der als zentrale Person des Christentums bis in die Gegenwart die Faszination und den Glauben von Millionen von Menschen begründet. Ist die Historizität Jesu aber wirklich absolut geklärt und haben sich die Geschichten um Jesus tatsächlich ereignet? Diesen Fragen versucht das Sachbuch „Jesus? Tatsachen und Erfindungen“ auf mehr als 650 Seiten aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln nachzugehen.

Florian Neuner, Inseltexte

h.schoenauer - 23.12.2016

Inseltexte sind eine beinahe magische Gattungsbezeichnung für einen Inhalt, der vielleicht zwischen Insel der Seligen und Mullinsel aufgestellt ist.

Florian Neuner nimmt den Begriff „Inseltexte“ einerseits sehr wörtlich, wenn es um eine Flussinsel im Ruhrgebiet oder um Helgoland geht, andererseits sind diese Inseltexte auch etwas Hermetisches, das in einem anderen Medium schwimmt wie ein Fetttropfen auf dem Wasser.

Gino Chiellino, Der Engelfotograf

h.schoenauer - 19.12.2016

Zu den verwerflichsten Dingen gehört die Rekrutierung von Kindern für ein diffuses politisches Ziel. Was man heute diversen Terrorgruppen vorwirft, hat bis vor kurzem noch die Kirche perfekt abgewickelt.

Gino Chiellino beschreibt eine Kinderekrutierung aus der Sicht eines betroffenen Kindes in Kalabrien. Im Sommer 1957 sind die in Bio-Wolle gekleideten Patres aus dem Norden wieder in den armen Gegenden des Südens unterwegs, um Ausschau zu halten nach lebensfrohen Kindern, mit denen sie die Internate füllen werden. Die Armut ist ein Argument, gegen das keine Eltern und Verwandten aufkommen, und so kommt der Knabe Rusco in das Internat.

David Cay Johnston, Die Akte Trump

andreas.markt-huter - 16.12.2016

„Als Donald Trump im Juni 2015 auf der Rolltreppe in das Atrium des Trump Tower herabschwebte, um bekannt zu geben, dass er bei den Präsidentschaftswahlen antreten würde, live übertragen von den nationalen Fernsehsendern, hielten fast alle Journalisten seine Kandidatur für ein reines Eitelkeitsprojekt. Ich nicht.“ (9)

Während sich früher nur Leser der Klatschspalten und Regenbogenpresse für den „Milliardär“ und „Bau-Tycoon“ Donald Trump interessierten, fragt sich nach seiner Wahl zum mächtigsten Präsidenten der Welt im November 2016 wohl die ganze Welt, welche Persönlichkeit sich hinter Donald Trump verbirgt und was die Welt von seiner Präsidentschaft zu erwarten hat. Der bekannte amerikanische investigative Journalist David Cay Johnston befasst sich schon seit Jahrzehnten mit dem frisch gebackenen US-Präsidenten und bietet in seinem Buch „Die Akte Trump“ tiefe Einsichten in das Wesen und die Vergangenheit von Donald Trump.

Kat Kaufmann, Superposition

h.schoenauer - 14.12.2016

Wer eine Superposition einnimmt, hat es sportlich, gesellschaftlich oder sexuell geschafft. Der Begriff zieht durchaus den Neid an und wird zum Selbstschutz der Helden deshalb oft ironisch verwendet. Jemand mit der Arschkarte in der Hand kann also durchaus verkünden, dass er eine Superposition habe.

Heldin dieses zeit-geistigen Romans von Kat Kaufmann ist die 26-jährige Jazz-Pianistin Izy, deren Wurzeln in Russland und in der Ukraine liegen, und die sich im dynamisch-wuseligen Berlin der Gegenwart einzunisten versucht. So sind denn auch Abklärung der Herkunft und das heimisch Werden in der Kunst die Grundvoraussetzungen, um sich in den gekrümmten Koordinaten Berlins zurechtzufinden. Die Hauptforderung heißt dann auch Migrationsvordergrund statt -hintergrund.

Georgi Gospodinov, 8 Minuten und 19 Sekunden

h.schoenauer - 12.12.2016

Ein guter Titel wird unumstößlich wahr, wenn er sich an physikalische Grundgesetze hält. 8 Minuten und 19 Sekunden braucht das Licht, um von der Sonne auf die Erde zu gelangen, wir sind also mit jedem Sonnenstrahl dieser Zeitangabe ausgesetzt.

Georgi Gospodinov kümmert sich in seinen knapp zwanzig Erzählungen um alles, was durch die Zeit zum Verschwinden gebracht wird oder sich so verändert, dass es nicht mehr erkannt wird. Bereits in der Titel-gebenden Eingangsgeschichte verschwindet die Sonne, was aber erst nach den berüchtigten acht Minuten neunzehn bemerkt wird. Der Erzähler erklärt dem Leser, dass die Sonne während des Lesens verschwinden könnte, denn die Geschichte dauert genau so lange, wie das Sonnenlicht bis zu uns braucht. Es ist also gar nicht gewiss, dass etwas, was am Beginn einer Erzählung noch wie selbstverständlich da ist, am Ende des Textes auch noch da ist. Vielmehr dient das Erzählen oft der Auflösung von Selbstverständlichem.

Rüdiger Görner, Nausikaa oder Die gefrorenen Wellen

h.schoenauer - 09.12.2016

Nausikaa ist in der griechischen Mythologie eine einheimische Frau, die am Ufer gierig wartet, dass ein Flüchtling angeschwemmt und ihr Lover wird.

Rüdiger Görner zeigt in seinem Roman „Nausikaa“ ein Liebespaar, das allen Kriegsvorbereitungen zum Trotz ein intellektuell unterlegtes Leben führen will und dann doch nicht mit sich und der Zeit zurechtkommt.

Dietmar Füssel, Der Strohmann

h.schoenauer - 07.12.2016

Alles, was wir von Amerika kennen, kennen wir meist über die Abflugschneisen von Hollywood und dem Weißen Haus. Dabei wird an manchen Tagen kein Unterschied zwischen Politik und Film gemacht, alles unterliegt der Dramaturgie einer ungeheuren Groteske.

Dietmar Füssel wählt in seinem Kriminalroman „Der Strohmann“ einen scheinbar blauäugigen Zugang, indem er seinem Privatdetektiv Winston einen Fall von nationalen Dimensionen überträgt. In Wirklichkeit ist diese groteske Erzählform natürlich eine kluge Anmache, um den perversen Machtverhältnissen auf die Spur zu kommen.

Robert Burns , Here's a bottle …

h.schoenauer - 18.11.2016

Wenn es einem Dichter gelingt, den archaischen Lebenskampf durch Saufen zu unterlegen und dabei noch Patriotismus zu entwickeln, steht einem flächendeckenden Absingen seiner Hymnen nichts mehr im Wege.

Robert Burns 1759 – 1796 gilt nicht zuletzt deshalb als schottischer Nationaldichter, weil seine Gedichte und Songs oft nahe an der Gerste und dem schottischen Überlebensmittel Whiskey angesiedelt sind. Seine Texte sind voll von Widerstandskraft, Lebenswillen, Aufmüpfigkeit und Partisanenwesen. Diese Zutaten sind für den Kampf gegen Invasoren, feindlich-religiöse Übernahmen oder schlicht dem Entkommen eines dürftigen Alltags unentbehrlich.

Ursula Flacke, Das Mädchen aus dem Vinschgau

andreas.markt-huter - 09.11.2016

Hinter jedem gelungenen Buch steckt eine vollkommene Bibliothek. Manchmal bedanken sich Autorinnen und Autoren bei diesen Bibliotheken, andere setzen auf den Genie-Begriff und behaupten, sich alles selbst aus den Hirnwindungen gesogen zu haben.

Ursula Flacke setzt an das Ende des historischen Romans vom „Mädchen aus dem Vinschgau“ zwei Anmerkungen, einmal bedankt sie sich bei der Schlanderer Bibliothek, die ihr diesen regionalen Stoff erst zugänglich gemacht hat, andererseits betont sie das Fiktionale des Romans, worin Kernfiguren, Kernzeiten und  Kernhandlungen aus einer Unmenge von Möglichkeiten herausdestilliert sind. So spielt das „Mädchen aus dem Vinschgau“ komprimiert um das Jahr 1519.