heinz helle, eigentlich müssten wir tanzenDie Zeit zwischen Hardcover und Taschenbuchausgabe nützen professionelle Leser manchmal, um die dargestellte Welt einmal hart und einmal weich zu überprüfen. Die beiden Buchsorten werden von jeweils einem anderen Publikum wahrgenommen und diskutiert. Im Rezensionswesen ist es zudem nicht üblich, ein Buch noch einmal zu besprechen, wenn es als Taschenbuch erscheint.

Das sollte man aber, wenn es sich um dramatisch klare Bücher handelt wie bei Heinz Helles Roman „Eigentlich müssten wir tanzen“. Darin machen sich fünf Abenteurer nach Tirol auf, um bei Events die eigenen Leistungsgrenzen kennenzulernen. Doch dann verrutscht alles zu einer gigantischen Dystopie, worin das Land in einem Post-Tourismus traumatisiert darniederliegt.

georg stefan troller, ein traum von parisIm Zentrum von Innsbruck ist eine Uhr aufgestellt, die ununterbrochen eine belanglose Ziffernfolge laufen hat. Meist sind es Ankünfte eines Rodlers oder Schispringers, welche heruntergezählt werden, momentan läuft die Uhr gegen die Rad-WM. Warum kann diese dumme Uhr nicht einmal etwas Sinnvolles herunterzählen, etwa, dass am 21. Juni 2018 Georg Stefan Troller nach Innsbruck kommt und in der Studia liest?

Georg Stefan Troller ist Schriftsteller, Journalist und Fotograf, nach seinen Büchern ist beispielsweise die Trilogie „Wohin und zurück“ entstanden. Wer ein Paris-Bild vor dem inneren Auge aufbaut, wird dabei an die frühen Fotos denken, die das Lebensgefühl der 1950er Jahre am Beispiel von Paris für den ganzen Kontinent eingefangen haben.

ruud koopmans, das verfallene haus des islam„Dieses Buch ist islamkritisch, aber nicht islamfeindlich. Jeder, der nicht zwischen Kritik an einer Religion – oder besser gesagt: an ihrer derzeit dominierenden Interpretation – und Rassismus unterscheiden kann, sollte dieses Buch beiseitelegen.“ (S. 9)

Ruud Koopmans geht den Schwierigkeiten bei der Integration von Migrantengruppen aus islamischen Ländern nach, die in Europa eingewandert sind und zeigt auf, dass sich viele Hindernisse für eine erfolgreiche Integration muslimischer Migranten auf die Religion zurückführen lassen.

martin prinz, die unsichtbaren seitenDie höchste Roman-Kunst besteht darin, sein eigenes Leben so aufzuschreiben, dass man meint, es sei eine allgemeingültige Geschichte der Menschheit.

Martin Prinz hat seine Kindheit in der Peripherie-Hauptstadt Lilienfeld verbracht, die 1976 während der tausendjährigen Babenberger-Ausstellung zumindest in Österreich zu Weltruhm gelangt ist. In den unsichtbaren Seiten beschreibt er einerseits Teile des erzählenden Ichs, die normalerweise nicht sichtbar sind, andererseits liegt den aufgeschriebenen Sequenzen immer eine geheime, unsichtbare Chronik zugrunde, die zwar während des Lesens kurz aufleuchtet, dann aber wieder mit dem zugeklappten Cover im Regal verschwindet, wenn der Roman abgestellt wird.

annett krendlesberger, zwei blatt und zweiManchmal ist eine Seele so verletzt und aufgewühlt, dass sie nicht einmal mehr mit einem Roman über die Runden kommt, in so einem Fall hilft nur spitze Prosa.

Annett Krendlesbergers „Zwei Blatt und zwei“ ist natürlich ein Roman, wenn man ihn beim ersten Mal durchstreift, in einem zweiten Nachgang bemerkt man als Leser, dass es gerade jene, Schnitt für Schnitt, zertrennte Seelen-Helix ist, die in zwanzig Prosaanläufen als Thema herausgeschält wird.

simon konttas, arme leuteIm Kapitalismus sind arme Leute die Systemverlierer, mit denen niemand mehr etwas zu tun haben will, wenn man ihnen das Geld abgezapft und nach oben hin umverteilt hat. Diese Armen tauchen dann noch verschämt in diversen Statistiken auf. Der Volksmund freilich verwendet den Begriff „arm“, um eine Schicht von Eigenbrötlern zu beschreiben, die in Ermangelung von Bildung den Konsum-Flow für den Lebenssinn halten.

Simon Konttas lässt in seinem Roman von den “armen Leuten“ eine Menge Protagonisten auftreten, die entweder über Patchwork-Familie, Schuljahrgang oder Grätzl miteinander zu tun haben. Über alle kann man aus der Hüfte heraus sagen: „Mei, ist der arm!“

constantin schreiber, inside islam„Es ist eine Schwelle, die die wenigsten Deutschen überschreiten: die in eine der zahlreichen Moscheen in unserem Land. Wir wissen sehr wenig über das, was sich in diesen Moscheen wirklich abspielt, und spekulieren doch so häufig darüber – etwa dann, wenn verstörende Videos und Predigten uns aufschrecken.“ (S. 11)

Constantin Schreiber geht in seinem Moschee-Report der Frage nach, was in den Moscheen geschieht, was dort gepredigt wird und wer die Moscheen besucht. Der Autor hat acht Monate lange verschiedene Moscheen in Deutschland besucht und seine Erfahrungen dazu anschaulich dargestellt.

petra ganglbauer, mit allen sinnenIn der Literatur sind alle Zeiten gleichzeitig vorhanden, wenn wir uns auf den Weg machen, eine Erinnerung, eine Stadt oder eine Freundschaft abzurufen.

Petra Ganglbauer hat vor gut dreißig Jahren Graz verlassen und ist nach Wien gezogen, aber deshalb hat die Stadt noch lange nicht ihre Bindungen und Emotionen gekappt. Im Gegenteil, wenn jemand nach so langer Zeit einen intensiven Erkundungsaufenthalt angeht, springen plötzlich alle Sinne an. Deshalb ist dieses literarische Begegnungsbuch auch ein Rundum-Erlebnis, worin sich Kindheit, Spaziergänge, Plätze und Freunde auf dem Pflaster der Zeit wiedereinfinden.

christian moser-sollmann, titoDie größte Integrationskunst ist dann gefragt, wenn es ein Mensch aus den Bundesländern in der Wiener Bobo-Szene mit anderen Bundesländer-Menschen zu tun kriegt.

Christian Moser-Sollmann weiß als gebürtiger Osttiroler in Wien, wovon er spricht. Sein Roman vom tragisch-jammernden Ich-Erzähler Tito, der tröstlichen Bar Einhorn und der Piaffe, einer ungezähmten Gangart des Pferdes, ist eine angespannte Liebesgeschichte, welche die herumlavierenden Protagonisten ordentlich fordert.

lukas meschik, die räume des valentin kempDie beunruhigenden Romane setzen oft mit einem Kontrollverlust des Erzählers ein, mal erwacht einer als Käfer, dann wird er auf einem Boulevard erstochen oder jemand tritt auf einen zu und es ist dunkel.

Bei Lukas Meschik erwacht der Held Valentin in einem fremden Raum. Er ist in einem Pub gewesen und vielleicht hat man ihm etwas ins Getränk gegeben. Andererseits scheint alles gut vorbereitet zu sein, als hätte das erste Mal in seinem Leben jemand auf ihn gewartet.