Belletristik und Sachbücher

Christopher Clark, Die Schlafwandler

andreas.markt-huter - 02.10.2014

„So gesehen waren die Protagonisten von 1914 Schlafwandler – wachsam, aber blind, von Albträumen geplagt, aber unfähig, die Realität der Gräuel zu erkennen, die sie in Kürze in die Welt setzen sollten.“ (718)

Christopher Clarks großes Geschichtswerk schildert die Vorgeschichte zum 1. Weltkrieg und stellt detailliert jene Ereignisse, machtpolitischen Konstellationen und politischen Akteure anhand zahlreicher Quellen kenntnisreich vor, in deren Umfeld Europa wie ein Schlafwandler in den Krieg zog.

Chris Adrian, Ein besserer Engel

h.schoenauer - 30.09.2014

Zum Unterschied vom Roman lassen sich bei Erzählungen oft besonders markant die typischen Erzähl-Fräsungen eines Autors feststellen, weil ja jede Erzählung wieder von null beginnt und jedes Mal der ganze Handwerkskoffer ausgepackt werden muss.

Chris Adrian stellt neun solcher Erzähleinsätze vor, die meist mit einem Vorspann eines Kindes beginnen. Also jemand ist gerade sechs oder neun, dann wird das Markante dieser Figur erzählt, ehe Jahre später dann die Kern-Erzählung einsetzt.

Max Frisch, Aus dem Berliner Journal

h.schoenauer - 28.09.2014

In witzigen Gesprächen wird die Bedeutung eines Dichters gerne in G gemessen, G ist die Einheit für Germanisten. Wenn jemand drei Germanisten beschäftigt, hat seine Literatur die Schwerkraft von drei G.

Ungefähr in solchen Witzeinheiten fängt man zu sinnieren an, wenn man Max Frischs Ausriss aus dem Berliner Journal liest. Eine Handvoll Germanisten hat jetzt das pure Nichts ediert, das Max Frisch in den Jahren 1973 und 1974 hinterlassen hat.

Christl Greller, Im Narrenturm

h.schoenauer - 25.09.2014

In der Psychiatrie des 18. Jahrhunderts gilt der Narrenturm als eine durchaus moderne Einrichtung, um die gestörten Persönlichkeiten industriell zu beobachten und zu bewachen. In der Literatur gilt der Narrenturm folglich als Chiffre für einen erhöhten Erzählstandpunkt, von dem aus die Zuwendung für diverse Helden und Situationen gesteuert werden kann.

Christl Greller geht aus der Sicht des Narrenturm-Zentrums über zwanzig seltsamer Schicksale nach, die in den Erzählungen kurz aufblitzen, aber noch während man die Kranken-Akte öffnet, schon wieder in einer neuen Tagesepisode verschwunden sind.

Robert Kleindienst, Vermintes Echo

h.schoenauer - 23.09.2014

Kriege haben die ungute Eigenschaft, dass sie sich zwar beginnen aber niemals beenden lassen. Ein Krieg wirkt nicht nur in den Erinnerungen über Generationen nach, auch handfeste Minen, vergrabene Bomben und nicht gezündete Sprengstoffe devastieren oder verstrahlen ein Land oft über Jahrzehnte.

Robert Kleindienst erzählt von diesen nur provisorisch abgedichteten Gefährlichkeiten, oft ist nicht nur das Land vermint, auch die Gedanken, die historischen Einschläge oder die Alltagsgräuel sind vermint und abgeschirmt und gehen höchstens als Blindgänger los. Die Erzählungen sind unter dem vielsagenden Titel „Vermintes Echo“ subsumiert, tatsächlich hallt es von den Wänden und grummelt es aus den Talkeseln, wenn wieder irgendwo eine Erzählmine losgetreten worden ist.

Erika Wimmer, Nellys Version der Geschichte

h.schoenauer - 21.09.2014

Es gibt keine absoluten Wahrheiten, alles, was wir für wahr halten sind letztlich mehr oder weniger geschickte Arrangements.

Erika Wimmer stellt in ihrem Roman über die „Ansicht eines Dichterinnenlebens“ bewusst Mehrdeutiges, Vages und Relatives in den Mittelpunkt des Erzählens. So genau und bohrend auch recherchiert wird, das Ergebnis ist immer nur eine gewisse Version einer Geschichte zu einer bestimmten Zeit.

Jürg Amann, Lebenslang Vogelzug

h.schoenauer - 18.09.2014

In der Literatur gibt es letztlich nur zwei Themen: Liebe und Tod. Wenn das Leben ausgeistert, fällt alles ab und diese beiden bleiben übrig.

Jürg Amann hat seinen letzten Gedichtband noch selbst geordnet, während er an dieser Schwelle zwischen Leben und Tod seine Gedichte sortiert hat. Die Themen dieses schmalen Werkes sind dann auch die herbstliche Liebe, Aufrufe, Gebete und Fragment-Sätze, und schließlich der pure Tod.

Bernhard Aichner, Totenfrau

h.schoenauer - 16.09.2014

Ein kluges Buch wendet sich an die Intelligenz des Lesers und bietet so nebenbei seine Freundschaft an. Wenn das Buch als abgerissener Konsumartikel mit der Brechstange der Werbesemantik auftritt, wird man als Leser vorsichtig.

Bernhard Aichner hat mit seiner „Totenfrau“ einen Durchbruch-Thriller geschrieben, entweder es gelingt ihm jetzt der internationale Durchbruch oder er lässt es in Zukunft bleiben, ist seine Botschaft. Daher geht es in diesem Thriller nicht um eine Geschichte oder eine fiktionale Überlegung sondern um die Anwendung von internationaler Promotion.

Carsten Otte, Warum wir

h.schoenauer - 14.09.2014

Wer glaubt, Tragödien mit elementarer Schicksalsherausforderung könnten nur in hohen Position oder sozialen Randlage auftreten werden, ist wohl in die Irre geführt. Die höchsten Anforderungen an das Leben stellen sich immer aus heiterem Himmel heraus bei Sonnenschein.

In Carsten Ottes Roman „Warum wir“ macht sich ein paar Seiten lang die Idylle breit, ehe es dann richtig losgeht. In einem zeitgemäßen Patchwork-Arrangement freuen sich der Ich-Erzähler Jan und seine Frau Nina auf das Kind, das soeben vom Schwangerschaftstest bestätigt worden ist. Er wird zum ersten Mal Vater und ist aus dem Häuschen vor Glück, sie hat bereits zwei Kinder und blickt eher routiniert in die Zukunft.

Siegfried Frech u.a. (Hg.), Europa in der Schule

andreas.markt-huter - 11.09.2014

„Umfragen belegen, dass das Wissen über und das Interesse an Europa bei den Bürgern und Bürgerinnen vergleichsweise gering ist. Dieses Unwissen ist nicht nur bedauerlich, sondern gefährlich: Europa lebt von seinen Bürgern und Bürgerinnen.“ (9)

Um das Projekt Europa zu sichern, braucht es überzeugte Europäer, welche die Europäische Union um ihrer Bedeutung für Freiheit und Frieden, Demokratie und Menschenrechte sowie Gleichheit und Solidarität unterstützen und bejahen. Diese Europäer müssen jedoch erst gebildet werden und zwar dort, wo Bildung auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet, in der Schule.