Gustav Ernst, Tollhaus
Offensichtlich kann ein Tollhaus überall dort auftreten wo jemand scheinbar unbeobachtet und seltsam enthemmt seine Gedanken ausbreitet. - "Kultur ist, wenn einer allein im Keller sitzt, im Finstern, und sich trotzdem die Hand vorhält beim Gähnen." (42)
Gustav Ernst schickt seine Figuren in die aberwitzigsten Situationen, worin sie letztlich nichts anderes tun, als sich ununterbrochen auf die Eier zu gehen oder sich sonst irgendwie durch penetranten Mono-Dialog an die Grenze des rhetorisch Erträglichen zu katapultieren.
Geschmeidig und handzahm springt dieses kulturhistorische Bilderlesebuch dem Benützer in die Hand und verhält sich wie ein Wanderführer, den man unauffällig griffbereit in die Überlandkleidung steckt.
An manchen Tagen hat man als einer von sechs komma sechs Milliarden Erdbewohnern den Eindruck, in einer globalen Erd-Soße zu stecken, welche sich mit wenigen Begriffen beschreiben lässt.
Diese große Sehnsucht, aus einem unauffälligen Dasein eine Besonderheit zu machen, zieht sich durch die Träume der Menschheit und folglich der Literatur. Vielleicht kann man an Eichendorffs Realo-Romantik-Roman denken "Aus dem Leben eines Taugenichts", eine feine Sache über die Jahrhunderte.
Was harmlos klingt, verbirgt oft die größten Lebenstumulte. Wer sich literarisch unter einem Garten was sauber Aufgeputztes vorstellt, ist spätestens seit Hugo von Hofmannsthal auf der falschen Spur. Literarisch betrachtet ist der Garten die friedliche Form der Hölle.
Achtzig ist eine sehr sinnliche Zahl, um etwa in achtzig Tagen die generelle Welt zu umrunden oder im Laufe eines Winters die Schiwelt einer geheimnisvollen Südalpenlandschaft.
Das Geilste an Stifter ist immer das Nachwort, er selbst schiebt nämlich eine ziemlich ruhige Kugel durch die Literaturgeschichte. - Dieser süffisante Germanistenwitz begleitet jede Seite einer Neuausgabe seiner Werke.
Verzettelung ist wohl das Lieblingswort eines Bibliothekars. Erst wenn er die Welt so halbwegs verzettelt hat, liegt sie ihm zu Füßen und er kann sie ins Regal stellen. Selbst in Zeiten der Digitalisierung gilt echtes Verzetteln als hohe Kunst.
Wenn eine Gedichte-Sammlung mit der Losung "Kein Sterbenswort" überschrieben ist, so eröffnet das mindestens zwei Zugänge: Zum einen soll jede Botschaft verschlossen sein, kein Sterbenswort dürfe herausgerückt werden, zum anderen sind die Gedichte vielleicht so hermetisch angelegt, dass man mit ihnen nicht einmal einen brauchbaren Tod hinkriegt, kein Wort zum Sterben also.
Häuser sind ein Dauermotiv in der Literaturgeschichte, ist doch damit vom Herrscherhaus, über die Familienkunde bis hin zum Wüstenrothaus alles angesprochen. Gleich vier Häuser und dazu noch eine Sehnsucht, das ergibt schon eine passable Leseerwartung!