Belletristik und Sachbücher

Rolf Dobelli, Wer bin ich?

andreas.markt-huter - 09.02.2007

Buch-CoverKlug gefragt ist halb gewonnen. Nicht nur Talkshows mit Quizcharakter boomen bis in die späte Sendenacht hinein, auch tagsüber wird der zeitgenössische Mensch ununterbrochen mit mehr oder weniger sinnvollen Fragen durchlöchert.

Rolf Dobelli, Schriftsteller, Manager und Gestalter von Überlebens-Knigges, hat die wichtigsten Fragen zusammengestellt, die einem so während eines geglückten Lebens kommen könnten. Dabei knallt er die Fragen manchmal ohne Aussicht auf Beantwortung knapp aufs Papier, manchmal gibt er verschiedene Lösungsmöglichkeiten an, die einander aber oft an Abstrusität übertreffen.

Felicitas Hoppe, Johanna

andreas.markt-huter - 08.02.2007

Buch-CoverAh, das ist ein idealer Roman für germanistische Seminare! Eine Dissertantin Johanna hockt über dem Thema Johanna, und plötzlich fließen die Welten ineinander.

So kommt einmal die Universitätswelt unmittelbar zum Vorschein, wie man schwitzt und ständig Angst hat vor Prüfungen, und indirekt schwitzt das universitäre Wissen die historische Figur Johanna aus, die natürlich ebenfalls Angst hat, weil sie ja auf den Scheiterhaufen muss um dann nach fünfhundert Jahren heilig gesprochen zu werden.

Richard Wall, Rom

andreas.markt-huter - 08.02.2007

Buch-CoverGanz Rom ist ein Palimpsest, Geschichten, Gebäude, Kulturen und Wetterlagen sind dermaßen in einander verschachtelt, dass man nie die einzelnen Schichten als Ganzes los lösen kann. Wie wenn man ein Stück Wurzel aus der Erde zieht, ist immer noch etwas von früher und von woanders dran.

In der Kultur- und Literaturtheorie ist ein Palimpsest ein Text, in welchen aus pragmatischen Gründen ein anderer hineingeschrieben worden ist. Das berühmteste Palimpsest der Literaturgeschichte gibt es bei Thomas Pynchon, wo Agenten unter dem Schnauzer die geheime Botschaft eingeschrieben haben, sichtbar nur für jenen, der die richtige Rasur kennt.

Katharina Götsch, Linke Liedermacher

andreas.markt-huter - 05.02.2007

Buch-CoverNichts lässt die Vergangenheit so alt aussehen wie hohe Geburtstage von Revolutionären. So feierte am Jahresende 2006 Franz Josef Degenhardt seinen fünfundsiebzigsten und Wolf Biermann seinen siebzigsten Geburtstag.

Grund genug für Katharina Götsch über die verzehrte Widerstandskraft der ehemals linken Liedermacher ein deklariertes Sachbuch zu schreiben. Bekanntlich ist eine Sache dann erledigt, wenn es darüber ein Sachbuch gibt.

Aschenwald/Kraxner/Strauß, Female Lyrics

andreas.markt-huter - 02.02.2007

Buch-CoverMeistens entsteht Literatur, weil eine Autorin oder ein Autor eine Lücke zwischen Realität und Vorstellungskraft sieht, und diese dann mit Text auskittet. Und dann gibt es noch die bestellte Literatur, wenn jemand aus Feierlichkeit, wegen eines Jubiläums oder einfach wegen einer statistischen Unausgewogenheit eine Literatur bestellt.

Die Tiroler Literaturzeitschrift Cognac & Biskotten hat eines Tages mit Entsetzen festgestellt, dass es zu wenig weibliche Literatur gibt, und daher den Wettbewerb „female lyrics“ ausgerufen. Völlig spontan sind daraufhin drei Autorinnen in drei Tiroler Dörfer gefahren und haben sich dort den weiblichen Teil der Welt angesehen und aufgeschrieben.

Ruth Oberrauch (Hrsg.), Appetit auf Lesen

andreas.markt-huter - 02.02.2007

Buch-CoverEin Buch ist mehr als eine Ansammlung von Texten und Bildern, und Lesen ist natürlich mehr als bloß das Abscannen von Buchstaben. Wie jede Kultur sammelt auch die Lesekultur von Zeit zu Zeit frische Kräfte und ruft eine mitreißende Aktion aus, in diesem Falle den Südtiroler Lesefrühling.

Im knitterfesten Spirallook stellt Ruth Oberrauch 125 Ideen vor, mit denen man das Lesen zu einem Ereignis werden lassen kann. Wie bei gastronomischen Auftischungen soll dabei der Appetit aufs Lesen mit sorgfältigen Arrangements und verblüffenden Wendungen allmählich wachsen.

Jean-Louis Poitevin, Die Gerüche der Küche

andreas.markt-huter - 01.02.2007

Buch-CoverSo umfangreich, abrupt und raffiniert verzirkelt wie Robert Musils Hauptwerk „Der Mann ohne Eigenschaften“ ist auch der Trakt jener Bücher, die mittlerweile über Robert Musil erschienen sind und stündlich neu erscheinen. Die Frage bei einem Werk über Musil lautet also. Was ist dieses Mal der besondere Aspekt, der die Ausführung einer weiteren Musilanalyse notwendig gemacht hat?

Für Jean-Louis Poitevin ist letztlich die Küche der ideale Ort, um sich Musil zu nähern. In einem ganz winzigen Schlusskapitel wird auf die relativ lapidare Erkenntnis zurückgegriffen, dass es in der Küche anders riecht als im Speisesaal, dass die Speisen am Schneidebrett anders aussehen als am Teller, ja dass das Leben in einem Text anders aussieht als in freier Wildbahn. Diese kleine Erkenntnis hat dem Musil-Buch schließlich den Titel gegeben, der Buchtitel ist somit eine wohlriechende Irritation auf dem großen Ausgelege des Musilschen Frischmarktes.

Hermann Winkler, Geschichten eines Mannes

andreas.markt-huter - 31.01.2007

Buch-CoverWenn am Klappentext der Schriftsteller als Wunderguru mit Auszeichnungen und Sternen der Dritten Art herzunterglänzt, wird es für die Leserschaft so richtig interessant, diesen Balsam des gelungenen Lebens mit der Qualität des Textes zu vergleichen.

Im Falle von Hermann Winkler spielt sich bereits auf der Umschlaglasche höchste Literatur ab. Während da Begriffe heruntersegeln wie Student des Jahres, Master of King Hong Kong oder Controller of the year, sind seine literarischen Auszeichnungen nicht minder aus den Socken werfend: Sparkassenpreis alle zwei Jahre und Prosaanerkennungspreis Brixen / Hall.

Andreas Maier, Ich

andreas.markt-huter - 30.01.2007

Buch-CoverEndlich seit Karl May wieder einmal jemand, der ICH sagt und daher wirklich alles sagt. In den Frankfurter Poetik Vorlesungen dürfen Autoren des Verlagshauses Suhrkamp alles sagen, was ihnen zum eigenen Werk oder zur eigenen Person einfällt. Andreas Maier tut das, indem er zu allem Ich sagt.

Dabei ist Andreas Maier ein Leben lang stolz auf seine Verweigerungskraft. Das Motiv der Kindergartenverweigerung zieht sich durchs ganze Leben. Etwas wird nur gut, wenn man es verweigert.

Gerhard Ochs, Ernte 23

andreas.markt-huter - 20.01.2007

Buch-CoverBei diesem fruchtigen Titel denkt man auch als Nichtraucher zu allererst an eine Zigarette. Aus alten Inseraten, als im Spiegel noch für Rauch geworben werden durfte, steigt der Duft von Bonn und Kleinbürgertum auf, alles riecht goldig und erfolgreich.

Tatsächlich lässt sich Gerhard Ochs Erzählung wie ein Stück Wunder aus der Nachkriegszeit an. Der Icherzähler ist Schelm, Held eines Bildungsromans und mit wachsender Zeitgenosse.