Albert Ennemoser, Geschichten und Bilder
Im Zeitalter der Digitalisierung ist es vielleicht die Hauptaufgabe eines Buches, haptisch unterwegs zu sein. Viele Sinneseindrücke lassen sich digital erregen, das taktile Aufschreien der Sensoren freilich, wenn Kunst auf den Körper trifft, lässt sich nur haptisch analog produzieren.
Albert Ennemoser ist in mehreren Genres und Künsten unterwegs. Seine „Geschichten und Bilder“ sind als eine Art Anleitung zum Gesamtwerk zu lesen. Aus diesem Grund erscheint das Buch mit zwei Bildern als Vorder- und Hintercover, die buchrelevanten Angaben nach Verlag, Autor und Titel sind auf den Buchrücken verschoben, wo sie letztlich den größten Nutzen entfalten, denn vom Buch sieht man meist nur das Rückgrat.
„Doch mitten im schönsten Klingeling wurde der Korb mitsamt Glöckchen plötzlich nach oben gezogen. Dann erschien ein Kopf. Braune Haare hingen Richtung Boden. Es war ein Kind. Ein Mädchen. Es guckte kopfüber aus den Zweigen. Frau Honig betrachtete es ein Weilchen, dann lächelte sie. »Ach, da ist ja doch jemand zu Hause. Ich hatte mich gerade erst so richtig eingeklingelt!«“ (S. 10)
„Was kann ein Mittelmäßiger am besten? Einen anderen Mittelmäßigen erkennen. Sie tun sich zusammen, kraulen sich gegenseitig das Fell und danken es mit einer Gegenleistung, um einem wachsenden Klan den Rücken zu stärken, denn schon bald werden sie andere Mittelmäßige anziehen. Wichtig dabei ist nicht so sehr, Dummheit zu vermeiden, als sie mit Bildern der Macht zu schmücken.“ (S. 11)
„Oh, was ist denn das für ein Krach? Pavarotti, der stolze Hahn, kräht wirklich laut! Das muss er. Es ist seine Aufgabe, alle hier in Igelwies zu wecken. Sieh mal unter dem Apfelbaum regt sich schon was. Das ist ja Murat Knistermister der fünfpunktige Marienkäfer. Hast du ihn schon entdeckt.“
„Die Thematisierung von Ausreißertexten im Deutschunterricht bietet sich schon deshalb an, weil im Zentrum die Reise steht, die oftmals mit abenteuerlichen Ausgestaltungen erfolgt. […] Die Abenteuertexte weisen Spannung auf und bieten die Möglichkeit, die literarische Verarbeitung mit den Schüler*innen zu thematisieren.“ (S. 19)
„Hofkirche, Innsbruck, 2021. Heutzutage betritt man die Kirche durch eine Seitentüre im Innenhof. Ich fühle mich klein und fehl am Platz als ich eintrete und plötzlich die mächtigen Rücken der Schwarzen Mander vor mir aufragen. Auf Zehenspitzen gehe ich um sie herum. In der Mitte befindet sich der Kenotaph, das monumentale, aber leere Grabmal, bewacht von den Ahnen des Verstorbenen. Maximilian I. von Habsburg, 1459-1519, der letzte Ritter.
„Lina Lasky glaubte an alles, was mit Magie zu tun hatte. Sie glaubte an Zaubersprüche und Hexentränke und bewunderte Leute, die Hasen aus Zylindern zauberten. In ihren Träumen sah sie Nixen und Trolle, die mit Gemüse tanzten. Einmal, als sie tagsüber vor sich hin träumte, stellte sie sich das flauschigste aller mystischen Wesen vor …“ (S. 7)
Provinz ist ein anderer Ausdruck für Österreich. – Diese literarisch etwas unterkühlte Übertreibung weist darauf hin, dass die österreichische Literatur dann am stärksten ist, wenn sie unzensiert das erzählt, was auf dem weiten, kleinen Lande so passiert.
Wenn ein Begriff für sich genommen schon Grübeln auslöst, ist er ein gutes Starterkabel für das Anwerfen eines Essays. Leserschaft und Autor sitzen aufgewühlt um diesen Begriff „Anstandslos“ herum, der vielleicht zur Beschreibung der jüngeren politischen Ereignisse in Österreich dient. – Zudem eignet sich das Genre Essay besonders gut für noch nicht verfestigte Lava in der Geschichtsschreibung, die künftig mit frischem Material bewachsen sein wird.
„Sophie ließ ihren Blick immer weiter die Straße hinunterschweifen. Plötzlich erstarrte sie vor Schreck. Da kam irgendetwas die Straße hoch, auf der anderen Straßenseite. Es war etwas Schwarzes … Etwas Großes und Schwarzes … Etwas sehr Großes und sehr Schwarzes und sehr Dünnes.“ (S. 13)