Davide Morosinotto, Die dunkle Stunde des Jägers
„Die Welt endete an dem Tag, an dem ich den Herrn des Waldes tötete. Es war Ama, die ihn als Erste entdeckte. Sie war die Älteste von uns und auch die Schnellste, deshalb führte immer sie unsere Jagdexpeditionen an. Ich dagegen musste ganz hinten gehen, tausend Schritt hinter den anderen, zusammen mit Hona, Amas kleiner Schwester.“ (S. 5)
Alle Mitglieder des jugendlichen Jagdtrupps, außer Roqi, haben von den Geistern ihre Begabung erhalten und galten nun nicht mehr als Kinder, sondern bereiteten sich auf ihr Leben als Erwachsene vor. Roqi ist verunsichert, weil er sich seine Begabung nicht vorstellen kann, doch endlich auch zu den anderen gehören möchte.
Der sogenannte Bundesländerroman gilt als eine raffinierte Besonderheit für die Rezeption der Literatur. Da der Grunderwerb von Lesen und Schreiben sowie das Betreiben von Schulen, Bibliotheken und Archiven meist in die Kompetenz der Länder fallen, hat sich ein eigenes Genre entwickelt, das fallweise die öffentlichen Bedürfnisse einer Region erfüllt. Im Volksmund nennt man dieses Kulturgut streng „Bundesländerroman“.
„Sie haben mich gebeten, alles aufzuschreiben, was ich über den Mann weiß, der Shetland Jack genannt wurde. Und das werde ich tun. Ich werde Ihnen über sein hartes Leben erzählen. Und ich werde die grausige Wahrheit über seinen gewaltsamen Tod berichten. Aber die Geschichte von Shetland Jack war mit seinem Tod nicht beendet. Und jetzt ist seine Geschichte zu einem Teil meiner eigenen geworden. Auch darüber muss ich schreiben, selbst wenn es mir schwerfällt.
Vom Gewicht her überstrahlt der Titel „Das Buch der Kommentare“ bei weitem den erfrischenden Zusatz „Unruhiger Garten der Seele“. Das eine erinnert an archaische Bibelformate jenseits von Raum und Zeit, das andere ist die zaghafte Verortung des Individuums im Garten der eigenen Seele.
„Am Rande des Walds auf einem Ast / sitzt Eule Elli und macht Rast. / Die kleine Eule liebt die Nacht, / wenn langsam Stern für Stern erwacht. / Am liebsten fliegt die Elli aus / mit ihrer Thea Fledermaus. / Wenn möglich, sind die Freunde stets / bei Nacht gemeinsam unterwegs.“
Titel sagen mittlerweile weniger darüber aus, was in einem Buch drinsteht, als vielmehr was der Leserschaft zugemutet wird.
„Über Evolution weiß ich Bescheid. Dem Sohn einer Professorin für Evolutionsbiologie bleibt gar nichts anderes übrig. Und immerhin bin ich schon dreizehn. Bei jeder möglichen Gelegenheit zeigt mir meine Mutter, wie die Evolution dauernd in unser Leben eingreift.“ (S. 10)
Je heftiger du vom Lesen schwärmst, umso weniger glaubst du vielleicht daran. – Diese schlaue Erkenntnis von Bibliothekaren, die sich mit aufgekratzter Kundschaft auseinandersetzen müssen, sollte man auch probehalber für Dichter anwenden, die zum Ruhestand in eine potentielle Lese- oder Schreibkrise geraten sind.
„Jetzt will ich dir von Karlchen erzählen. Karlchen ist nicht etwa ein Junge, wie du vielleicht denkst, Karlchen ist ein Mädchen, und eigentlich heißt sie Karla. Aber allen nennen sie Karlchen. Alle, das sind gar nicht so viele Leute, denn in dem winzigen Tal, in dem Karlchen wohnt, gibt es nur ein paar Höfe. Und auf diesen Höfen wohnen nur alte Leute. Karlchen und ihr kleiner Bruder Johann sind die einzigen Kinder im ganzen Tal.“ (S. 10)
Vor Jahrzehnten, als die Heranwachsenden noch hirnlos in den Tag hineinstudiern konnten und anschließend einen Job ins Maul geflogen bekamen, machte in Tirol ein seltsames Gerücht die Runde: In Hall sitzt in der Nudelfabrik während der Nacht ein Philosoph an der Pforte und sinniert während seiner Aufsicht über den Sinn der Welt nach.