Reinhard Kocznar, Hamster im Laufrad

Für manche Zustände sind Beamtenwitze am erklärungsfreudigsten: Treffen sich zwei unkündbare Hamster, fragt der eine, in welchem Modell rennst du?

Reinhard Kocznar geht seine Hamster-Analyse witzig wie einen Beamtenwitz an, er wählt dabei den Standpunkt eines Außenstehenden, der wohlwollend auf das rennende Getier schaut, der aber auch weiß, dass er selbst in einem Meta-Rad seine Runden dreht.

In zwölf Episoden (wegen 11a sind es natürlich dreizehn!) zeigt der Autor jene Grenze auf, wo der Mensch aus seiner eigenen Entscheidungskraft aussteigt und sein Tun von Apparaten übernommen wird. Das Lieblingswort ist dabei Apparat, das durchaus als die große Fassung eines Apps angesehen werden kann. Und Apps haben schon längst die Weltherrschaft übernommen.

Am Beispiel des Luftverkehrs, wo Piloten quasi wie Crash-Dummys ins Cockpit gesetzt werden, während der Autopilot alles übernimmt, wird erklärt, dass es zumindest bei der Letztentscheidung kein friedliches Nebeneinander zwischen Mensch und Apparat gibt. Das Wesen des Apparates ist es, unbarmherzig und allumfassend zu sein. Auch das Börsenwesen ist längst in die Hand von Apparaten geraten, wo in Milli-Sekunden der Handel abgewickelt wird, während der Mensch noch damit beschäftigt ist, sich Zahlen vorzustellen.

Niemand soll sich dem Trugschluss hingeben, dass er nicht längst gesteuert ist. Wer sich ein „kostenpflichtiges Einkaufsgerät“ zulegt, ist mit seinem Flachgerät bereits ein fester Bestandteil des Apparates. Die Handys, Smartphones und anderen Dinger dienen nämlich nur als Einsaug-Stutzen für die kostenpflichtigen Dienste, die im Sekundentakt heruntergeladen werden.

Der Tagesablauf besteht fortan im permanenten Downloaden, Gefällt-mir-Drücken, Einkaufen und Aufladen des Akkus. Als Belohnung für unser kräftiges Mitspielen werden unsere Daten vernetzt und gespeichert, bis auch die letzte Ritze von uns ausgekundschaftet ist.

Noch nie hat sich eine Gesellschaft freiwillig mit solcher Begeisterung ins Hamsterrad gesetzt und zu „appen und appeln“ begonnen.
Aber es gibt einen Ausweg: Stecker ziehen und ausschalten. Alles andere unterstützt bloß diese Apparatur, die uns versklavt. Denn Hamsterräder sind heute nicht mehr rund sondern flach mit runden Kanten.

Wie schwer dieser Ausstieg ist, wenn man einmal bei seiner Ehre gepackt worden ist, zeigt der Film die „Brücke am Kwai“. Nur um den Japanern zu beweisen, dass Engländer bessere Ingenieure sind, bauen diese dem Feind eine Brücke, die sie mit einer pfiffigen Melodie unterlegen. Auch unsereins gibt sein letztes Hemd, wenn er dafür ein glitzerndes App kriegt.

Reinhard Kocznars Hamster-Essay ist durchaus aufweckend, auch wenn vielleicht niemand sein Verhalten ändert. Aber das ist die Aufgabe eines Essays: auszuprobieren, ob die Welt nicht anders sein könnte, als wir sie uns in unserem geistigen Einschicht-Hof vorstellen.

Reinhard Kocznar, Hamster im Laufrad. Wie die Apparate den Menschen versklaven. Essay.
Innsbruck: Limbus 2013. (= Limbus Essay 5). 125 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-3-902534-92-7.

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Reinhard Kocznar, Hamster im Laufrad
Homepage: Reinhard Kocznar, Hamster im Laufrad

 

Helmuth Schönauer, 08-10-2013

Bibliographie

AutorIn

Reinhard Kocznar

Buchtitel

Hamster im Laufrad. Wie die Apparate den Menschen versklaven

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

125

Preis in EUR

10,00

ISBN

978-3-902534-92-7

Kurzbiographie AutorIn

Reinhard Kocznar, geb. 1951, lebt in Innsbruck.