Susanne Waiz / Andreas Hempel, Das Land baut

Auf den ersten Blick besteht die Unsterblichkeit in Gebäuden, Galerien und Kreisverkehren. Was eine Gesellschaft im Laufe einer Generation zusammenbaut, beeindruckt auf Anhieb durch Architektur, Funktion und Verbrauch von Landschaft.

Susanne Waiz und Andreas Hempel zeigen unter dem lapidaren Titel „Das Land baut“, was in den letzten fünf Jahren in Südtirol öffentlich gebaut worden ist.

Dieser Fotoband ist einerseits ein Rechenschaftsbericht, damit man ungefähr erahnen kann, wie die öffentlichen Gelder in öffentliche Bausubstanz transformiert worden sind, andererseits zeigt quasi jedes einzelne Bauereignis in Funktion und Ästhetik, was die Gesellschaft unter sichtbar gemachter Verwaltung versteht. Ob es nun Schulen, Museen, Umfahrungen oder Brücken sind, sie alle zeigen, wie ein autonom verwaltetes Südtirol in den Jahren 2009-2013 getickt hat.

Neben den großen Begriffen wie Schulen und Umfahrungen, die gerne in Eröffnungsreden vorkommen, sind es vor allem die Kleinodien, die beeindrucken. Das Gewächshaus für die Gärten von Trauttmansdorff ist ein luzider Glaskäfig geworden, den man vor Leichtigkeit erst beim fünften Hinschauen sieht, nachdem der Bau in allen vier Jahreszeiten unsichtbar bleibt. (148) Der Straßenstützpunkt Töll zeigt, wie moderne Außenposten des Reiches funktionieren, wie ein Ausriss aus dem römischen Limes ist hier eine unauffällige Halle gebaut, in der sich der verloren abgestellte Unimog sichtlich wohl fühlt. (152)

Die Umfahrungen haben es mittlerweile in sich, dem Götzen Auto werden in der Umfahrung Brixen etwa auf vier Ebenen Tempelanlagen errichtet, die es durchaus mit Maya-Kolossen aufnehmen, wenn der Bewuchs einmal eingesetzt hat. Neben diesen betonierten Protz-Kleeblättern und Betonovalen in der Ausblühung eines Atompilzes beeindrucken die schlichten Stege und Promenade-Brücken, die man oft erst wahrnimmt, wenn man sie schon benützt hat.

Das Bauen an der Galaxie Südtirol nimmt andererseits auch unsichtbare Züge an. In einem kleinen Schlitz, nicht tiefer als eine Schatulle, wird im ganzen Land das Breitband verlegt, eine verlässliche Ameisenstraße der Information.

Der Fachmann wird aus den verschiedenen Komponenten durchaus die Ausläufer diverser Stilrichtungen erkennen und benennen, aus denen sich schließlich ein beinahe schon unverwechselbarer Südtiroler Stil entwickelt hat. Im Volksmund wird diese Gattung „Durnismus“ genannt, der vor allem der Übertreibung frönt, lieber eine Spur größer als zu klein, lieber eine Spur frecher als zu brav, lieber eine Felsnase weg, als dass sich das Auto an einem Felsen die Nase anhaut.

„Das Land baut“ ist ein imposantes Dokument über die öffentlichen Bauten Südtirols, die durchaus Bewunderung, Stolz und zustimmendes Nicken auslösen können.

Susanne Waiz / Andreas Hempel, Das Land baut. Öffentliche Bauten in Südtirol 2009-2013. La Provincia all`opera, deutsch, italienisch, zahlr. Farbabbildungen.
Wien, Bozen: Folio 2014. 303 Seiten. EUR 42,50. ISBN 978-3-85256-650-4.

 

Weiterführende Links:
Folio Verlag: Susanne Waiz / Andreas Hempel, Das Land baut
Homepage: Susanne Waiz
Homepage: Andreas Hempel

 

Helmuth Schönauer, 02-07-2014

Bibliographie

AutorIn

Susanne Waiz / Andreas Hempel

Buchtitel

Das Land baut. Öffentliche Bauten in Südtirol 2009-2013. deutsch, italienisch

Originaltitel

La Provincia all`opera

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Folio Verlag

Seitenzahl

303

Preis in EUR

42,50

ISBN

978-3-85256-650-4

Kurzbiographie AutorIn

Susanne Waiz, geb. 1958 in Wien, lebt als Architektin in Bozen.<br />Andreas Gottfried Hempel, geb. 1941 in Dresden, lebt als Architekturprofessor in Brixen.