David Arnold, Auf und davon
„»Jeder hat Hilfe verdient, Mary. Selbst wenn er nicht weiß, dass er Hilfe braucht.« Ich sagte, dass mir das total einleuchtete, weil es so war. Und so ist es immer noch. Es ist ganz einfach, Isabel: Meine Mutter braucht gerade Hilfe. Und ich weiß das, selbst wenn sie es nicht weiß. Es meldet sich ab, Mary Iris Malone, Vagabundin der Samaritan Avenue.“ (105)
Mary Iris Malone, kurz Mim genannt, übersiedelt nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrem Vater und seiner neuen Frau Kathy von Cleveland, Ohio nach Jackson Mississippi. Bei einem Gespräch zwischen dem Rektor und ihren Eltern hört sie heimlich mit und erfährt, dass ihre Mutter Eve erkrankt sei. Mim stürmt nach Hause, packt ihren Sportrucksack , stiehlt Geld und macht sie mit dem Bus auf die 1524 km lange Reise nach Norden, um ihre Mutter unbedingt am Labour Day in Cleveland zu besuchen. Sie hat vier Tage Zeit und will auf keinen Fall zu spät kommen.
Mim leidet unter psychischen Problemen und muss auf Drängen ihres Vaters Medikamente nehmen, da er befürchtet, dass sie die gleiche Krankheit hat wie seine Schwester Isabell, die sich das Leben genommen hat, als Mim sechs Jahre alt war. Auch Mim selbst hat Angst verrückt zu sein.
Dinge werden erst Dinge, wenn man sie ausspricht. Ich bin Iris Mary Malone, und mit mir stimmt etwas nicht. (7)
Jahre später hat Mim bei einer Sonnenfinsternis zu lange direkt in die Sonne geschaut hat, weshalb sie auf dem rechten Auge fast nichts mehr sehen, was sie ihren Eltern aber verschwiegen hat.
Mim hat die Trennung ihrer Eltern nicht überwunden und ist vor allem von der raschen Heirat zwischen ihrem Vater und Kathy entsetzt. Als sie sich mit dem Greyhound Bus auf den Weg nach Cleveland macht, lernt Mim Arlene kennen, eine nette alte Frau, die sie rasch als Seelenverwandte erlebt. Aber da sind noch der widerliche und unheimliche „Ponchomann“ und der überaus attraktive zwanzigjährige Beck, in den sich Mim auf der Stelle verliebt und den sie später wieder treffen wird.
Als der Bus verunglückt, kommt Arlene ums Leben. Im durcheinander des Busses entdeckt Mim ein kleine Holzkästchen, das Arlene ihrem Neffen Ahab in Independence schenken wollte und beschließt das Kästchen für sie zu übergeben. Am Straßenrand trifft sie auf Walt, einem Waisenjungen mit Down-Syndrom, der ihr in der Nähe des Waldes sein Lager zeigt und seinen Bekannten Caleb vorstellt. Mim ist von Anfang an fasziniert von der Ehrlichkeit und der Lebensfreude von Walt.
Nach zahlreichen Abenteuern treffen Mim und Walt auf Beck, mit dem sie die Reise nach Cleveland fortsetzen. An einer Tankstelle muss Mim feststellen, dass sie von ihren Eltern bereits per Steckbrief gesucht wird, wovon sie sich aber nicht aufhalten lassen will.
„Auf und davon“ ist als überaus spannender Roadmovie gestaltet, in dem sich gleichzeitig die innere Reise der Heldin auf ihrer Odyssee zu sich selbst wiederspiegelt. Je länger die Reise dauert desto tiefer dringen die Leserinnen und Leser in ihre Gedankenwelt ein und erleben ihre Ängste, ihre Wut, ihre Sehnsüchte aber auch Freude und ihren vor Ironie triefenden Humor kennen.
Der Roman überzeugt vor allem durch seine starken Charaktere, die einem sofort ans Herz wachsen und die Leserinnen und Leser an ihren Schicksalsschlägen mitleiden lassen. Im Mittelpunkt stehen aber die kleinen Freuden des Lebens, die kleinen Zeichen und unscheinbaren Momente, die zeigen, was wahre Freundschaft und wahres Glück bedeutet. Ein wunderbar schöner Jugendroman, der nicht nur jugendlichen Leserinnen und Lesern gerne weiterempfohlen werden kann.
David Arnold, Auf und davon. Übers. v. Astrid Finke [Orig. Titel: Mosquitoland], ab 14 Jahren
München: Heyne fliegt Verlag 2015, 384 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-453-26983-5
Weiterführende Links:
Heyne fliegt: David Arnold, Auf und davon
Homepage: David Arnold
Andreas Markt-Huter, 23-03-2016