Herbert Günther, Zeit der großen Worte

„Die Zeit der großen Worte ist vorbei, hat Helene gesagt. Jetzt bist du an der Reihe, Paul. Du und deinesgleichen. Denkmäler haben wir genug und tote Helden auch. […] Schreib einfach auf was dir durch Kopf und Bauch gegangen ist. Damit es nicht vergessen wird.“ (7)

Paul Hoffmann ist vierzehn Jahre alt, als am 1. August 1914 mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs eine alte Zeit zu Ende geht. Voller Begeisterung melden sich die Männer freiwillig, unter anderem auch Pauls Vater Walter und sein älterer Bruder Max. Nach anfänglicher Begeisterung nimmt bei Paul die Skepsis gegenüber dem Krieg immer mehr zu.

Da es nach Kriegsbeginn für Pauls Mutter Anna schwer wird, mit der Arbeit im Kolonialwarengeschäft ihres Vaters alleine zurecht zu kommen, holen sie sich Ida, die Tochter Schmieds als Hilfe, die aus demselben Dorf stammt, in dem die Familie vor ihrem Umzug in die Stadt gewohnt hat.

Bald schon wird es für die Familie schwer, das gewohnte Angebot des Warengeschäfts zu gewährleisten. Lebensmittel und andere Waren werden nach Hamsterkäufen zunehmend knapp. Als Paul beim nahegelegenen Gärtner Obst und Gemüse für das Geschäft seiner Mutter zu besorgen versucht, wird er von Louise Reinecke angesprochen, die mit seinem Bruder Max befreundet ist. Louise wollte nicht, dass sich Max freiwillig zum Kriegsdienst meldet, weshalb es zu einem Streit gekommen war. Sie bittet Paul ihr von Max zu erzählen und ihr Pauls Adresse zukommen zu lassen, um sich mit ihm zu versöhnen und ihre Beziehung zu retten.

Pauls gleichaltrige Freunde sind ganz begeistert vom Krieg und drängen Paul dem Jungdeutschlandbund beizutreten, um sich schon auf den Kriegsdienst vorzubereiten. Während Pauls Vater in seinem Brief recht zuversichtlich über den Krieg im Osten schreibt, schreibt sein Bruder Max, der an der Westfront im Einsatz ist nur die zwei kryptischen Sätze:

Ich lebe noch, stand da Und: Demnächst mehr. Max (58)

Paul macht sich rasch auf den Weg, um Louise die Nachricht von seinem Bruder mitzuteilen und dessen Adresse weiterzugeben, als er Louises Arbeitskollegin Helene Linde, die gute alte Seele der Buchhandlung kennenlernt, die ihn sofort in ihr Herz schließt, ihn mit Literatur versorgt und in ihm die Liebe zu Büchern weckt.

Von Louises Bruder Hermann, der mit Max in den Krieg gezogen war, erhält Paul einen Brief von seinem Bruder, in dem er ihm schreibt, wie der Krieg wirklich ist und was er aus den Menschen macht.

Das ist der Krieg, Paul, dieser einzige Moment: Du oder ich. Totschießen oder totgeschossen werden. Alles andere sind große Worte, verlogenes Zeug, an das ich nicht mehr glaube. Ich will, dass du weißt. Das schlimmste am Krieg ist vielleicht gar nicht, dass man totgeschossen werden kann, das Schlimmste ist, dass man totschießen muss. (99)

Herbert Günther gelingt es mit großer Leichtigkeit die Schrecken des Krieges glaubwürdig mit zwei Liebesgeschichten zu verquicken und am Schicksal einer Familie das Unglück und Leid aufzuzeigen, das der Krieg hervorruft und das mit vielen großen Worten und Propaganda, zugedeckt werden soll.

Auf diese Weise erleben die Leserinnen und Leser die Kriegsjahre von 1914 – 1918 am Schicksal der Familie Hoffmann hautnah mit. Sie werden Zeuge wie der Krieg die Lebensplanung junger Menschen und Familien völlig aus der Bahn wirft, aber auch welche Auswirkungen der Krieg auf die Menschen zu Hause hat. Ein überaus lesens- und empfehlenswertes Buch zum Themenschwerpunkt 1. Weltkrieg, der zum Nachdenken über Krieg, Propaganda, Heldentum und Zivilcourage anregt.

Herbert Günther, Zeit der großen Worte. Ab 14 Jahren
Hildesheim: Gerstenberg Verlag 2014, 227 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-8369-5757-1

 

Weiterführende Links:
Gerstenberg Verlag: Herbert Günther, Zeit der großen Worte
Wikipedia: Herbert Günther

 

Andreas Markt-Huter, 09-04-2014

Bibliographie

AutorIn

Herbert Günther

Buchtitel

Zeit der großen Worte

Erscheinungsort

Hildesheim

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Gerstenberg Verlag

Seitenzahl

227

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-8369-5757-1

Lesealter

Altersangabe Verlag

14

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Herbert Günther wurde in Göttingen geboren und arbeitete nach einer Buchhandelslehre als Lektor sowie als Leiter einer Kinderbuchhandlung in Göttingen. Er schrieb Drehbücher für Kinderfilme im ZDF und ist seit 1988 freier Schriftsteller. Zusammen mit seiner Frau Ulli übersetzt er auch Kinder- und Jugendbücher aus dem Englischen ins Deutsche. Er lebt mit seiner Familie und vielen Büchern in Friedlandbei Göttingen.