Mary Norton, Die Borger

„»Alles, was sie hatten, war geborgt. Sie besaßen nichts Eigenes. Trotzdem, sagte mein Bruder waren sie empfindlich und eitel und glaubten, ihnen gehöre die ganze Welt.« »Wie meinst du das?« »Sie dachten die Menschen seien eigens dazu erfunden worden, die Schmutzarbeit zu machen, große Sklaven, die sie einfach benutzen konnten.«“ (S. 16)

Nur ganz wenige wissen über die Existenz der Borger und so ist Kate ganz aufgeregt, als Mrs May, die zwei Zimmer im Haus ihrer Eltern bewohnte eines Tages ihre Geschichte von den geheimnisvollen Borgern erzählte, wer sie waren, was sie taten und wo sie lebten. Mrs May kannte die phantastische Geschichte von den Borgern von ihrem jüngeren Bruder, der als Reiteroberst den Heldentod gestorben war. Er hatte als zehnjähriges Kind das seltene Glück den Borgern begegnet zu sein.

Unter dem Küchenboden lebt die letzte Borger-Familie, knapp zwölf Zentimeter große Wese, die wie Menschen aussehen und sich selbst die „Clocks“ nennen, einen Namen den sie von der alten Standuhr in der Halle hergeleitet haben. Zur Familie gehören Mutter Homily, Vater Pod und die vierzehnjährige Arriety, die zum ersten Mal ihren Vater beim Borgen begleiten darf. Die Borger sammeln nämlich alles ein, was sie finden und brauchen können, wobei aus ihrer Sicht die Menschen ganz allein für sie da sind. Dabei verstehen sie unter „borgen“ aber nicht etwa, dass sie die Gegenstände jemals wieder zurück zu geben gedenken.

Nachdem Mrs Mays Bruder bereits Arrietys Vater Pod beim Borgen erwischt hat, trifft er Arriety im Garten. Beide sind zunächst überrascht und erschrocken und auch Mays Bruder fürchtet sich vor den vermeintlichen magischen Kräften des Borgermädchens. Während der Junge wissen will, ob es viele von ihrer Art gibt, zweifelt Arriety, dass noch mehr riesige Menschen, oder in ihren Worten „menschliche Besen“ existieren, weil es für so große Lebewesen gar nicht genug zu essen und Platz zu wohnen geben könne.

Bereits seine Großtante Sophy hatte Bekanntschaft mit Arrietys Vater Pod gemacht und sie so einige schöne Gegenstände von ihr geborgt. Als der Junge erzählt, dass Pod vor Angst gezittert habe, als er ihn gesehen hat, reagiert Arriety überaus verärgert und fängt einen Disput mit ihm an. Als er die Borger als Diebe bezeichnet, kann sich Arriety vor Lachen kaum noch halten:

„Oje“, japste sie mit Tränen in den Augen, „du bist vielleicht komisch!“ Sie blickte hoch in sein verwirrtes Gesicht. „Menschliche Besen sind doch für die Borger da, so wie Brot für Butter!“ (120)

Mary Norton gelingt es mit viel Fantasie ihrer Leserinnen und Leser in die Mini-Welt der Borger zu entführen. Auch wenn den Borgern nichts Magisches anhaftet und sie über keinerlei Zauberkräfte und andere märchenhafte Fähigkeiten verfügen, so liegt doch der Hauch des geheimnisvollen über ihnen. Dabei glaubt ein jeder von uns, sie bereits kennen zu müssen, weil schon jedem etwas auf geheimnisvolle Weise abhandengekommen ist.

Wie soll es möglich sein, dass ständig Dinge verschwinden, wenn nicht unsichtbare geheimnisvolle Wesen ihre Finger im Spiel hätten. Auch wenn den Borgern nichts Magisches anhaftet, eröffnet Mary Norton ihren jungen Leserinnen und Lesern eine magische Welt voller kleiner Wesen und spannender Abenteuer. Eine überaus empfehlenswerte Reise in die Welt der Fantasie, die zum Vorlesen und Selberlesen einlädt und die von den wunderschön gestalteten Illustrationen von Emilia Dziubak kongenial ergänzt wird.

Mary Norton, Die Borger. Ill. v. Emilia Dziubak, übers. v. Christiane Jung [Orig. Titel: The Borrowers], ab 10 Jahren
Frankfurt a. Main: Fischer Sauerländer Verlag 2015, 256 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-7373-4012-0

 

Weiterführende Links:
Fischer Sauerländer Verlag: Mary Norton, Die Borger
Wikipedia: Mary Norton

 

Andreas Markt-Huter, 11-04-2016

Bibliographie

AutorIn

Mary Norton

Buchtitel

Die Borger

Originaltitel

The Borrowers

Erscheinungsort

Frankfurt a. Main

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Fischer Verlag Sauerländer

Illustration

Emilia Dziubak

Übersetzung

Christiane Jung

Seitenzahl

256

Preis in EUR

15,50

ISBN

978-3-7373-4012-0

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Mary Norton wurde 1903 in London, England, geboren und wuchs in einer alten georgianischen Villa in der Grafschaft Bedfordshire auf, dem Manor House, das Vorbild für Mary Nortons Geschichten über die Borger war. Sie zählt zu den führenden englischen Kinderbuchautorinnen der Nachkriegszeit und starb 1992.

Emilia Dziubak studierte Graphik-Design an der Kunsthochschule in Posen, Polen. Seit 2010 arbeitet sie als freie Illustratorin.