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„Verscharre die Blechbüchse im Garten oder sonst wo!“ – Nach so einem ersten Satz muss man als Leser unbedingt wissen, was es da mit der Büchse auf sich hat.

Mutter muss ins Spital, die zehnjährige Tochter vergisst die Büchse und alles drum herum, erst als nach Jahrzehnten die Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen, taucht diese Blechbüchse wieder auf.

Buch-CoverAuf dem Weg zum Klassiker muss ein verstorbener Dichter ein, zwei Editionen des Gesamtwerks auf die Beine bringen.

Jörg Fauser hat ideale Voraussetzungen zu einem Klassiker, allein sein Tod, für den er sich pünktlich zum 43. Geburtstag auf der Autobahn überfahren lässt, lässt Germanisten vor Schicksalslust quiecken. Und auch sonst ist die Biographie prall voll von Begriffen wie Studienabbrecher, Flughafenarbeiter, Nachtwächter, Aushilfsangestellter, Nadel, Drogen, Istanbul.

Buch-CoverManchmal entsteht eine Kostbarkeit dadurch, dass nichts mehr von ihr übrig ist außer einer Ahnung, wie es einmal war. Dieser seltsam nachklingende Geschmack kann sich als Geruch, Gesprächsfetzen, Ambiente oder Anekdote einfinden.

Im Falle der Erzählung „Der Zumpel“ ist so gut wie alles verschollen, peripher oder abgeklungen. Ein kleiner Verlag gibt eine längst abgelegte Erzählung eines längst vergessenen Dichters heraus. Und auch die Thematik ist so was von fern und entlegen, dass man sie nur mit Mühe wieder auf eine Landkarte bringt.

Buch-CoverZwischen Italien und Österreich gibt es literarisch gesehen einen Riß, in dem die Südtiroler sitzen. Beide Literaturen lassen einander vermutlich deshalb in Ruhe, weil jede von der anderen annimmt, dass die Südtiroler den Kontakt herstellen werden.

Am Beispiel von Vicenzo Consolo zeigt sich für den deutsch-monolingualen Leser, was sich in Italien für Sprachschätze auftun. Der Folio-Verlag versucht mit seiner Serie Transfer, die eine oder andere Kostbarkeit zugänglich zu machen. Den Roman „Retablo“ erschließt dabei mit großer Übersetzergeduld die Südtiroler Autorin Maria E. Brunner, die auch ein Nachwort über Stoff, Sprachschatz und politischen Kontext des Romans verfasst hat.

Buch-CoverIn der Literatur gibt es auch diese familiären Grundkonstellationen, die ständig zitiert und auf die jeweils aktuelle Generation herunter gebrochen werden.

Gerade im Stifter-Jahr wimmelte es nur so von Enkeln, die dem erzählenden Großvater die Hand gaben, die Vater suchenden Jungautoren sind gerade in der österreichischen Dichterszenerie legendär, und niemand vermag aufzuzählen, wie oft Kafkas Brief an den Vater Grundlage für Erbschaftsverträge geworden ist. Auch die Brüder und Schwestern schlängeln sich in psychologisierenden Schleifen durch die Buchregale der ehemaligen Kinderzimmer.

Buch-CoverKann ein unspektakulärer Mensch eine spektakuläre Biographie haben? Wolfgang Raffeiner zeigt mit seinen Mitschriften zum eigenen Leben, dass das so genannte einfache Leben durchaus aufregend sein kann.

Als Chef einer Zimmerei hat er ein Leben lang nicht nur die schwersten Stämme behauen und zersägt, sondern daneben auch immer sein Leben in wohl proportionierte Scheiter zerhackt und zu einer Tagebuchartigen Kulturmitschrift aufgeschlichtet.

Buch-CoverKlaus Händl zieht sich beim Schreiben immer die Umkehrmütze über den Kopf und wird zum Händl Klaus. Das macht Buchhändler und Bibliothekare ziemlich verrückt, weil plötzlich Vor- und Nachname und jegliche Ordnung überhaupt nicht mehr stimmen. Und noch eine zweite Besonderheit zeichnet Händl Klaus aus. Seine Stücke lassen sich auch als Buch mit großem Abenteuergewinn lesen.

Rechtzeitig zur Uraufführung des Stückes „Dunkel lockende Welt“ ist ein Händl-Reader mit drei Stücken erschienen. Im jüngsten Stück schlagen sich jeweils zwei Personen drei Akte lang durch die Untiefen einer brüchigen Alltagswelt. Im Mittelpunkt steht Corinna, die von einem Asthmatiker eine Wohnung gemietet hat und das Lebensgefühl des frostigen Finnland mit der Bruchbude in Leipzig vergleicht. Die Wortmeldungen sind jeweils so asthmatisch kurz, dass sie nie über eine halbe Zeile hinausgehen.

Buch-CoverFahndungsfotos sind dann am wirkungsvollsten, wenn darauf nur die gröbsten Details scharf zu sehen sind und alles andere dem Fahnder überlassen bleibt.

Etwas Ähnliches ist David Honigmann mit seinem Porträt der Alpenstadt „Stöck“ gelungen. Zwar ist scheinbar nichts polizeischarf erzählt, dennoch aber ergibt der Roman hinter der Netzhaut des Lesers ein dichtes Porträt der Stadt Innsbruck, die mit all den kauzigen und wahnsinnigen Bewohnern mit klaustrophoben Tiefgang perfekt beschrieben wird.

Buch-CoverWo ist die toteste Gegend einer Stadt? – Meistens dort, wo nicht einmal mehr Einheimische wissen, wie die Straßenzüge heißen.

In Innsbruck gehört die Feldgasse sicher zum schattigsten Bewusstseinswinkel, den man sich in einer geistig schattigen Gegend vorzustellen hat. Mitten in diesem Brachland zwischen Pädagogischer Akademie und Umspannwerk ist in der ehemaligen „Konsum“-Zentrale das Westbahntheater untergebracht.

Buch-Cover„Ich werde, wenn’s hoch geht, noch zwanzig Jahre lang klettern gehen können. In jedem Jahr gibt es vielleicht zehn solcher Klettersonntage wie den verpatzten gestrigen. Zehn mal zwanzig sind zweihundert. Was sind zweihundert schöne Sonntage? Nichts, ein Wischer übers Gesicht. Ein Glück, dass ich in Innsbruck zur Welt gekommen bin, wo die Berge vom Stadtrand emporwachsen, oder besser – die letzten Häuser schon droben auf den Bergen stehen.“ (25)

Heinrich Klier hat mit seinem 1954 erschienen Roman „Verlorener Sommer“ vermutlich eine neue Literaturgattung eingeführt, den fiktionalen Routenplaner. Verlorener Sommer ist einerseits eine grandiose Schilderung von konkreten Bergrouten ins Karwendl, aufs Matterhorn oder überhaupt durchs Wallis, andererseits ist es ein mit dürrem Erzähldraht zusammen gewickelte Liebesgeschichte, in der es nur so von Steinschlägen und Blitzeinschlägen wummert.