Bernd Schuchter, Innsbruck abseits der Pfade

Gerade in Zeiten der Apps und Maps braucht es zum Entschleunigen zwischendurch diesen guten alten „Führer“, in dem man sich innen über die eigene Reise orientieren kann und an dem außen am Verschleiß die anderen beurteilen können, wie intensiv man die Reise nimmt.

Bernd Schuchter leitet mit seinem Entschleunigungs-Führer den Gast tatsächlich abseits der üblichen Pfade durch die Stadt Innsbruck, und dennoch werden die sogenannten Musts nicht ausgeklammert. So gibt es für die Kernzone, die natürlich immer wieder das Goldene Dachl aufblitzen lässt, eine Sommer- und Winterwanderung, weil die Stadt heftig dem touristischen Wabern zwischen Sommer und Winter ausgesetzt ist. Allein die Glühwein-Standln oder Jodler-Boxen überstülpen die Stadt je nach Jahreszeit mit einer unverwechselbaren Geruchs- und Akustikblase.

Schwerpunkte dieses anderen Angebots sind kulturelle, literarische und Konsum-verweigernde Einrichtungen, die jenseits der Standesdünkel und Promi-Düfte ihr Programm unverblümt dem Gast zur Verfügung stellen. Bei diesen Angeboten muss der Gast aktiv werden und sich selbst auf die Socken machen, während bei üblichen Touristenangeboten das Angebot zu den Gästen kommt, um diesen die Socken auszuziehen.

Föhn, Georg Trakl, Mühlauer Dichter-Friedhof, Villensaggen, Altstadt, Sillschlucht, Bergisel – die unverwechselbaren Innsbruck-Ingredienzien sind alle da. In den einzelnen Kapiteln gibt es jeweils eine Spazierempfehlung, die in einem durchaus impressionistischen Ich-Ton gehalten ist, die markanten Stationen sind mit Bild dokumentiert, und im Anhang gibt es Adressen, ein markantes Rezept  und eine Literaturempfehlung, damit man später zu Hause noch nachschmecken und nachdenken kann.

In die Impressionen sind wohltuend kritisch auch Quergedanken über die Innsbrucker eingestreut, die beispielsweise ununterbrochen Olympische Spiele abwimmeln müssen, die ihnen das Land überstülpen will. Aber auch der Opportunismus der Innsbrucker ist legendär, wer immer sich am Balkon zeigt, ihm wird hemmungslos zugejubelt, egal ob es ein Führer oder ein Sportler ist. Auch dass die Stadt jahrzehntelang nur Sport und keine Kultur betrieben hat, merkt man ihr bis heute noch an. Legendär ist etwa die Ignoranz gegenüber den Festspielen Oskar Werners 1959, den man mit großen Andreas-Hofer-Spielen übertüncht hat.

Das große Plus von Innsbruck ist seine Multikulti-Offenheit, jetzt profitiert die Stadt davon, dass sie immer schon auf Menschen gesetzt hat, die sich freiwillig in der Stadt niedergelassen haben und die nicht aus einem inzestuösen Einheits-Stammbaum hervorgegangen sind.

Bernd Schuchter ist ein idealer Begleiter für das Verweilen, Kontakt Aufnehmen, Geschichten Erzählen. Er nimmt die Gäste mit Umsicht in Empfang und zeigt ihnen nur Menschen und Aktivitäten, die er auch selbst schätzt. Selten ist in einem Guide so wenig gelogen worden wie in diesem fast schon poetischen Pfad durch die Herzensstadt der Alpen.

Bernd Schuchter, Innsbruck abseits der Pfade. Eine etwas andere Reise durch die Stadt mit dem Goldenen Dachl. Abb.
Wien: Braumüller 2015, 192Seiten, 14,90 €, ISBN 978-3-99100-142-3

 

Weiterführende Links:
Braumüller Verlag: Bernd Schuchter, Innsbruck abseits der Pfade
Homepage: Bernd Schuchter


Helmuth Schönauer, 03-05-2015

Bibliographie

AutorIn

Bernd Schuchter

Buchtitel

Innsbruck abseits der Pfade. Eine etwas andere Reise durch die Stadt mit dem Goldenen Dachl

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Braumüller Verlag

Seitenzahl

192

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-99100-142-3

Kurzbiographie AutorIn

Bernd Schuchter, geb. 1977 in Innsbruck, lebt als Verleger und Autor in Innsbruck.