Oliver Scherz, Keiner hält Don Carlo auf
„»Wie komm ich von hier nach Palermo?«, frag ich. Hinterm Schalter sitzt eine Frau. Die tippt etwas in ihren Computer. Ich knibbel aufgeregt an meiner Geldrolle rum. »Die nächste Möglichkeit wäre um 14 Uhr 49 nach München, Gleis drei. Dann umsteigen in den Nachtzug nach Rom. Der ist morgen früh um 9 Uhr 25 da. Eine Stunde später Abfahrt nach Palermo.«“ (5)
Carlo ist elf Jahre alt und lebt bei seiner Mama in Bochum. Seit sich seine Eltern vor fünfeinhalb Monaten getrennt haben und sein Papa zurück nach Palermo gezogen ist, träumt Carlo davon, ihn zu besuchen. Aber immer, wenn er seine Mutter darauf anspricht, beginnt sie nur die ganzen Fehler von Papa aufzuzählen. Eines Tages als Carlos Mutter Nachtdienst hat, beschließt Carlo sich auf den Weg zu Papa nach Palermo zu machen.
Carlo hat sich gut vorbereitet und kennt die Karte von Italien beinahe auswendig. Sizilien ist für ihn der Ball vor der Fußspitze des italienischen Stiefels. Er vermisst seinen Papa und sein Ausflüge zum Fußball mit ihm. Er möchte aber auch seiner Mama keine Sorgen bereiten und setzt alles daran, in Palermo anzukommen ehe seine Mutter in der Früh von ihrer Nachtschicht zurück ist, um sie von seinem Papa aus anzurufen und zu sagen, dass alles gut ist.
Aber bereits der Start mit dem Zug von Bochum nach München verläuft nicht so glatt wie erhofft. Der Schlaf oder Liegewagen nach Rom kostet doch deutlich mehr, als Carlo bei sich hat. Er springt also als Schwarzfahrer auf den Zug und versteckt sich unter dem Tisch im Speisewagen, wo er sich rasch mit einem kleinen Hund anfreundet. Als der Schaffner sein Fahrticket sehen will, hat er spontan eine gute Idee.
„Junger Mann! Ihre Fahrkarte!“ „Die hat der Hund gefressen“, sag ich auf einmal.“ (13)
In München muss Carlo feststellen, dass sein Zug große Verspätung hat, sodass er gerade noch den Nachtzug nach Rom erwischen kann. Sofort versteckt er sich im Klo und macht sich für das Schlafen zurecht, als sich plötzlich die Tür öffnet und eine alte Frau herein kommt. Er beschließt ihr die ganze Geschichte zu erzählen, von der Trennung seiner Eltern und seiner großen Sehnsucht nach Papa. Die Frau lädt ihn zu sich ins Abteil ein und versteckt ihn vor dem Schaffner.
Am nächsten Tag will sie mit seiner Mutter sprechen, weil einer kleine Junge nicht alleine nach Italien fahren darf. Aber Carlo beschließt nicht aufzugeben und versucht von Rom aus alleine weiter nach Neapel zu kommen. Bald muss er aber feststellen, dass nicht alle Menschen so nett und ehrlich sind, wie die alte Dame im Zug und so muss er noch zahlreiche Hindernisse auf seiner Reise zu Papa überwinden.
Oliver Scherz gelingt es, das schmerzliche Thema wie sehr Kinder unter der Trennung ihrer Eltern in eine spannende Abenteuergeschichte zu verpacken, ohne dabei die Sehnsucht des Kindes nach der heilen alten Welt aus dem Auge zu verlieren. Dabei überzeugt die heitere Leichtigkeit und der liebevolle Humor mit der ein schwieriges Thema behandelt wird, ohne seicht oder platt zu werden.
Es ist vor allem die lebendige und glaubwürdige Darstellung des kindlichen Helden, dessen Tatkraft und unbändiger Wille keinen Zweifel an der Realität aufkommen lassen. Ein überaus empfehlenswertes Buch, das die jungen Leserinnen und Leser in ihren Bann ziehen und mit Carlo mitfiebern lassen wird.
Oliver Scherz, Keiner hält Don Carlo auf. Ill. v. Peter Schössow, ab 8 Jahren
Stuttgart: Thienemann Verlag 2015, 112 Seiten, 10,30 €, ISBN 978-3-522-18395-6
Weiterführende Links:
Thienemann Verlag: Oliver Scherz, Keiner hält Don Carlo auf
Homepage: Oliver Scherz
Wikipedia: Peter Schössow
Andreas Markt-Huter, 19-04-2016