Die ideale Geschichte bringt sich während des Erzählens selbst zum Verschwinden.

Lydia Davis verwendet ihren Roman vom „Ende der Geschichte“ dazu, Konstellationen aufzuzeigen, Ereignisse beim Verblassen zu beobachten und eine Geschichte ohne Geschichte zu erzählen.

Besucher sind normalerweise anonyme, neutrale und friedliche Wesen, die auf der sprichwörtlichen Besuchergalerie Platz nehmen oder eine Statistik als gezählte Individuen auffetten.

In Kurt Palms Roman freilich treten Besucher höchst eigenwillig und alles andere als harmlos auf. Im Mittelpunkt einer Leidensgeschichte zwischen Selbstmitleid und Wahnsinn steht der Journalist Martin Koller, der mitten im Leben einen Hörsturz erleidet und in der Folge beinahe verreckt.

Manchmal wird ein unverwechselbares Arrangement an Orten festgemacht. Neben bekannten Speisen, die sich nach einer Stadt nennen und dadurch in aller Munde sind, gibt es auch architektonische Feinheiten wie etwa den spanischen Balkon.

Was aber hat es nun mit Berliner Zimmer in Ein- und Mehrzahl auf sich?

Seit Paracelsus wissen wir, dass alles eine Frage der Dosis ist. Hannes Köhler geht in seinem Roman „In Spuren“ der Frage nach, ab welcher Dosis eine Persönlichkeit entsteht beziehungsweise verschwindet.

Zu diesem Zweck gibt es eine interessante Versuchsanordnung im studentischen Milieu. Eine Kneipengruppe erzählt sich mehr oder weniger gelungene Witze und huldigt einem aktuellen Lebensprogramm:

Es gibt diese Seelenlandschaften, die selbst einen Psychiater in die Knie zwingen. Meran und die sanfte Umgebung drum herum gelten als besonders feinfühlige Landschaftskissen, in denen die gequälte Psyche wie von selbst zu sprechen beginnt.

In Mareike Krügels Psychiater-Roman „Bleib wo du bist“ tagt im feinem Kongress-Ambiente von Meran eine psychiatrische Gesellschaft, mit dabei ist auch Matthias Harms, Psychiater für Zwangsneurosen.

Oft presst sich einem der Anfangssatz eines Romans wie ein literarischer Ohrwurm ins Gedächtnis, in skurrilen Büchern wie bei Drago Jancars „Nordlicht“ kann aber auch das Schluss-Bild unvergesslich sein.

In dieser Geschichte, die man sich offensichtlich auch schwerhörig zu Gemüte führen kann, kommt ein gewisser Josef Erdmann aus Lienz zu Jahresbeginn 1938 in seiner Geburtsstadt Maribor an, weil er mit Jaroslav einen geschäftlichen Termin ausgemacht hat. Wie bei einem echten Warte-Stück Marke Godot kommt der Erwartete natürlich nie.

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Mittlerweile ist der Krimi-Markt knallvoll, so dass die Verlage immer absurdere Werbestrategien fahren und Klappentexte schreiben müssen, um die Spannung des jeweiligen Werkes im Publikum zu installieren.

William Gordons literarische Leistung besteht auf den ersten Blick darin, der Mann der Erfolgsautorin Isabel Allende zu sein. Auf den zweiten Blick hat er sich mit der Figur des San- Francisco-Redakteurs Samuel Hamilton in die Herzen des Retro-Krimi-Publikums geschrieben und im dritten Ansatz zieht er als Schwarz-Weiß-Anhänger gerade noch rechtzeitig seinen Schreiber-Kopf aus der Klischee-Schlinge.

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Ein Millenniums-Sprung garantiert immer eine gewisse Veränderung, auch wenn sich letztlich nichts verändert. Allein schon die Erwartung einer neuen Epoche lässt alles Geschehene als neu erscheinen, wenn sich nur die passende Jahreszahl dazu einstellt.

Vladimir Pistalo erzählt in seinem Roman von der unverwüstlichen Stadt Belgrad, die auch das neue Jahrtausend in irgendeiner Form über die Runden der Geschichte bringen wird. Was immer auch in Zukunft geschehen wird, es wird eine Kleinigkeit gegen diesen Schock sein, den der Tod Titos ausgelöst hat.

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Jedes Land hat vermutlich einen sogenannten National-Roman, der in Gestalt einer einleuchtenden Story Auskunft gibt über Probleme und Bemühungen einer aktuellen Gesellschaft.

Im Falle der Türkei erfüllt sicher Orhan Pamuk, der Nobelpreisträger von 2006, mit seinem Roman ?Schnee diese Aufgaben. Noch zehn Jahre nach seiner Erstauflage dient "Schnee" im Inland als Kodex politischer Auseinandersetzung und im Ausland als Foyer, die reichhaltigen Mythen und den alltäglichen Kampf um ein politisch erträgliches System in Augenschein zu nehmen.

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Nichts ist so schwer zu erzählen wie Anarchie und Auflösung der Ordnung, denn jede Erzählung schafft ja Ordnung und zerstört dadurch die Anarchie.

Elmore Leonhard, bekannt für speedige Romane weit jenseits der Rechtsordnung, greift mit dem Roman Dschibuti in die Seeräuberei vor Somalia ein. Der Blickwinkel wechselt dabei von Seite zu Seite oder von Einstellung zu Einstellung. Dschibuti nämlich ist vorerst nämlich ein Haufen digitales Rohmaterial, aus dem die Regisseurin Dara Barr vielleicht einen Dokumentarfilm, vielleicht aber gar einen Spielfilm machen will. Der Titel jedenfalls ist klar: "Dschibuti", knapp wie der Film-Mythos "Casablanca".