monika czernin, maria_theresia„Gewiss, alles deutete längst darauf hin, dass es sich um einen kostbaren Fund handelt, allein die schiere Masse der Briefe, dieser dicke Stapel an Handschriften. Fast alles aus einer Feder! Aber dass es sich um längst vergessene Briefe von Maria Theresia, der einzigen Frau auf Habsburgs Thron, an die Mutter jenes Patenkindes handelt, ist eine Sensation, ein Geschenk des Zufalls …“ (S. 8)

Mehr als 150 Jahre lagern Stapel von Briefen in einem großen Schrank auf Schloss Tratzberg in Tirol. Dorthin gebracht wurden von Graf Franz Enzenberg, der das Schloss 1847 gekauft hatte. Dessen Vater war ein Patenkind Maria Theresias und die Briefe waren an seine Großmutter Sophie Enzenberg geschrieben, Briefe Kaiserin Maria Theresias an ihre beste Freundin.

robert kleindienst, brandseelauteEinwortgedichte sind nach wie vor die beste Methode, einen Gedichtband unverwechselbar zu überschreiben.

Robert Kleindienst verrät mit seiner Lyrik-Formel „Brandseelaute“ schon ein wenig von seinem Konzept, das Weite wird durch spitze Wörter angestochen und wie ein aufgeschlagenes Ei in semantischen Dotter und Eiweiß zerlegt. Brandseelaute sind vielleicht Geräusche aus einem Meer jenseits der Brandung, sie können aber auch aus einer Laute stammen, die auf hoher See abgebrannt ist.

margit helga hosp, auf flachen sohlen auf und davonHelden können es sich in der Literatur nicht aussuchen, an welchem Abenteuer sie groß werden möchten. Und heldenhafte Kinder können erst später im Leben ausmachen, welche Erlebnisse sie entscheidend geprägt haben.

Margit Helga Hosp führt in zehn Erzählungen markante Erschütterungen vor, die fürs erste nur der Ich-Erzählerin auffallen. Es sind dies kleine Verwundungen, Abfallspäne von Mobbing, romantische Ausreißer der Logik oder Dramaturgie-Vorgaben, die jede Heldin aus der Bahn werfen.

Tecia Werbowski, oblomowaSpätestens seit Otto Grünmandls Wunder-Programm „Ich bin nicht Oblomow“ wissen Fachleute des beschaulichen Lebens, wer Oblomow ist. Ein Held, wie für das Bett gemacht, mit starken beamteten Zügen.

Natürlich spielt das Bett auch in Tecia Werbowskis Roman „Oblomowa“ die Hauptrolle. Die Ich-Erzählerin Maya Ney ist stolz auf ihren Namen, weil er so kurz und vernünftig klingt und dennoch überflüssig ist, weil die Erzählerin vollkommen allein auf der Welt ist. Sie wohnt mittlerweile abgelegen in den kanadischen Wäldern und hat nur mehr eines im Sinn, ihre beiden Katzen durch die wunderschönen Jahreszeiten zu führen.

talese_voyeur.jpgDie wirklich wahren Romane sind so echt, dass man nicht mehr unterscheiden kann, was Fiktionen und was Fakten sind.

Gay Talese gilt als Meister des „literarischen Journalismus“, der seit den 1960er Jahren Furore macht, indem Reportagen mit den Mitteln der Literatur entworfen werden. So ist auch die Hauptfrage immer, gibt es das wirklich so?

Barbara tilg, den silberfaden spinnenBeeindruckende Bücher lassen der Leserschaft gar keine Zeit, über die Entstehungsgeschichte des Textes nachzudenken, sie sind einfach wichtig und da.

Barbara Tilg setzt dem poetisch-optimistischen Titel „Den Silberfaden spinnen“ eine beinharte Lebenswidmung entgegen. „Ich habe dieses Buch ist für alle geschrieben die krank waren oder sind. Ich möchte ihnen Mut machen, dass man wieder aufstehen und den Silberfaden des Lebens neu finden kann.“ (5) Durch diese Präambel kriegen die aufgegriffenen Themen, Bilder und Geschichten wie von selbst jenen stabilen Tiefgang, den es braucht, wenn man schon einmal einen Blick nach „enten“ geworfen hat, wie das im Volksmund so schön heißt.

irwanez, pralinen vom roten sternEin makabrer Stoff setzt sich erst in Romanen ab und dann in der Politik. So entsteht das Phänomen, dass Romane zuerst wie aus einer anderen Welt erscheinen und später zur allgemeinen Wirklichkeit werden, als ob sie in realiter verfilmt wären.

Oleksandr Irwanez, Mitglied der legendären ukrainischen Literatur-Gruppe BuBaBu, veröffentlicht 2001 den Roman „Mauer“ in einer Untergrundedition. Da ist die Ukraine noch unversehrt und zumindest geographisch ein von allen akzeptiertes Gebilde. Im Roman geht freilich eine Mauer durch die Stadt Riwne wie einst durch Berlin. Im Westen der Ukraine nämlich hat sich die WUR etabliert (Westukrainische Republik) und im Osten ist die Republik in ein großes Retro der Sowjet-Zeit gefallen. Der Roman erzählt also scharfsinnig prognostisch den Zustand von 2017, nur dass die Gebietsaufteilung seitenverkehrt ist.

selma mahlknecht, das weihnachtskänguruDas kennt man ja von den diversen Überraschungsbesuchen aus der Vorweihnachtszeit: der Korb mit der Schokolade ist schon voll und auch die Keksschüsseln stehen bereits im Badezimmer. Selbst auf dem Handy ist kein Platz mehr für eine Geschenks-App, sodass man sich spontan für das „Weihnachtskänguru“ als Mitbringsel entscheidet, das passt immer.

Selma Mahlknecht hat aus ihrem Buch von der Lebkuchenstraße die interessantesten Weihnachtsgeschichten ausgekoppelt und mit den Illustrationen von Armin Barducci zu einer kleinen Stimmungs-Aufhellung verpackt. In der Bilderwelt dürfen die Accessoires durchaus einmal eine kleine Schramme haben wie eine gebrauchte Weihnachtskugel, die Stimmung bleibt feierlich, auch wenn die einzelnen Schneeflocken sich erst die Hand reichen müssen für eine Schneedecke.

hubert flattinger_kindheit in höttingJede Stadt hat eine sogenannte Ur-Zelle, die als besonders authentisch und ungebrochen gilt. In Innsbruck nimmt Hötting dieses Privileg in Anspruch, und tischt dabei eine besonders deftige Sprache auf, womit die Grundbedürfnisse des Menschen mit beinahe tierisch-einfachen Lauten abgedeckt werden können. Wer sich am Bahnhof Hötting ein Ticket ausdruckt, wird über das international anspruchsvolle „Hotting“ erstaunt sein, es geht zumindest am Bahnhof heute noch heiß her in diesem Stadtteil.

Der Kinder- und Jugendbuchautor Hubert Flattinger inszeniert seinen Rundgang durch den Stadtteil seiner Kindheit mit einem Erinnerungsflash. Er trifft auf ein altes Gesicht, unter dem der Freund aus Kindheitstagen Willi verborgen ist. Und Willi erkennt im gealterten Gesicht des Erzählers jenen Popi mit dem er einst durch alle Zaunlöcher Höttings geschlüpft ist.

rachel cusk, transitDie Meisterinnen des Erzählens lassen die Geschichten an sich herankommen, seitlich vorbei streichen und wieder verschwinden. Währenddessen entwickelt sich das Thema, zum Beispiel Transit.

Rachel Cusk platziert in ihren Romanen meist eine Ich-erzählende Heldin, durch welche die anströmenden Rauchgase abziehen wie durch einen Schlot. Im vorausgeschriebenen Roman „Outline“ (2014) stellt sich die Heldin als Medium zur Verfügung, an das allerhand Geschichten und Begebenheiten herangetragen werden in der Hoffnung, dass eine starke Abprall-Heldin den Wellen die Kraft brechen könnte.