Vom Kopf ins Bücherregal - Ein Buch entsteht: Die Illustratorin

Wie viele Arbeitsschritte sind eigentlich nötig, bis ein Buch seinen Weg vom Kopf des Autors ins Bücherregal findet? Am Beispiel der Tiroler Märchen soll die Entstehung eines Buchs nachgezeichnet werden. Dabei wurden alle an der Herstellung des Buches beteiligten Personen über ihre Aufgaben, ihre Ausbildung und ihre Arbeit befragt.  

Der 3. Teil des Beitrags hat Buchillustrationen und den Berufs des Illustrators zum Thema. Vor allem im Bereich der Bilderbücher und Kinderbücher spielen sie auch heute noch eine zunehmend wichtige Rolle.

Teil 3: Buchillustration - Illustrator - Bilder beleben den Text

Illustrationen von Texten lassen sich bereits in den antiken Schriften finden. Im Mittelalter erlangen die Illustrationen, die hier als Illuminationen oder Buchmalerei bezeichnet werden, eine herausragende Bedeutung. Bekannt sind die aufwendig ausgeschmückten Anfangsbuchstaben, die so genannten Initialen, in zahlreichen berühmten Bibelausgaben. Einen besonderen Aufschwung erlebte die Buchillustration ab dem 18. Jahrhundert, als Leser aus dem Bürgertum zunehmend Gefallen an den illustrierenden Bildern fanden.


Im Bereich der Bilder- und Kinderbücher haben Illustrationen auch heute noch ihren festen Platz. Foto: Markt-Huter

Mit dem Aufkommen der Photographie rückte die Illustration allmählich in den Hintergrund. Nichts desto trotz erlangten Illustrationen im künstlerischen Bereich einen großen Stellenwert. In der Buchillustration der Art Nouveau, des Jugendstils bzw. der Wiener Secession erlebte die Illustration eine regelrechte Renaissance. Seit den 50-iger des 20. Jahrhundert eröffnete sich im Bereich der Werbung für die Illustration wieder eine große Nachfrage. Die interessantesten und innovativsten Illustrationen dürften vermutlich im Bereich der Bilderbücher und Kinderbücher zu finden sein.

An der Aufgabe von Illustrationen hat sich dabei seit ihren Anfängen nichts geändert. Sie sollen u.a. Texte erläutern sowie Sachverhalte und Inhalte veranschaulichen. Sie finden sich in Gebrauchsanleitungen ebenso wie in medizinischen und technischen Fachbüchern oder in der Werbung, in Kunstbänden und Bilderbüchern.

 

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Wir haben die Künstlerin Irmingard Jesserick, die in Bayern lebende Illustratorin des Tiroler Märchenbuchs, über ihre Tätigkeit als Illustratorin und ihre Arbeit am Tiroler Märchenbuch befragt.

Lesen in Tirol: Frau Jeserick, wie sind sie Buchillustratorin geworden?

Irmingard Jeserick: Illustratorin zu werden war immer schon mein Kindheitstraum. Es gibt unterschiedliche Wege. Ich habe z.B. nach dem Abitur ein Praktikum absolviert habe, was Voraussetzung für den Besuch der Kunstakademie war. Ich bin dann an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg aufgenommen worden, wo ich Malerei und freie Graphik studiert habe. Andere Illustratoren beschreiten wieder einen anderen Weg und werden Gebrauchsgraphiker


Die Künstlerin Irmingard Jeserick beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit Märchen aus aller Welt und entwickelte dabei ihren eigenen unverwechselbaren Stil. Sie lebt in Furth im Wald, wo sie bereits drei Märchenbücher illustrierte. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Wie hat sich ihre Arbeit an den Tiroler Märchen von der Kontaktaufnahme durch den Verlag bis zum Beginn der Arbeit gestaltet? Was waren die Richtlinien für ihre Arbeit an den Illustrationen?

Irmingard Jeserick: Ich habe bereits früher Illustrationen zu Märchen gezeichnet, aber auf freier Basis und nicht in so enger Zusammenarbeit mit einem Verlag. Die Lektorin Dr. Anette Köhler, die ein von mir illustriertes Märchenbuch kannte, hat mich ausfindig gemacht und mich gebeten, die Tiroler Märchen zu illustrieren. Anschließend hat sie mir den Text der Tiroler Märchen der Gebrüder Zingerle geschickt.

Richtlinie des Verlags für die Illustrationen war lediglich, dass sie alpenländische, tirolerische Anklänge haben sollten, wobei es selbstverständlich klar war, dass sich Tiroler Märchen nicht wie Märchen aus 1001 Nacht illustrieren lassen. Ansonsten habe ich bei meiner Arbeit an den Illustrationen sehr viel Freiheit genossen, was ich aber von Anfang als eine Bedienung für diese Arbeit gesehen habe.

Es gibt aus meiner Sicht ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder bestellt man sich einen Gebrauchsgraphiker, dem man vorgibt, wie etwas auszusehen hat. Das Ergebnis wird dann selbstverständlich auch entsprechend weniger kreativ erweisen. Oder man beschreitet den anderen Weg und beauftragt einen Künstler, lässt ihn aus seinem Innersten schöpfen und damit auch eine entsprechende Qualität schaffen. Dafür ist dann aber ein großes Maß an Freiheit Grundvoraussetzung.

Die Zusammenarbeit mit dem Verlag ist aus meiner Sicht sehr angenehm verlaufen. Es ist natürlich auch hier wichtig, dass die Chemie zwischen den beteiligten Personen stimmt. Es tut mir daher auch sehr leid, dass ich aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Präsentation des Buches und an der Ausstellung meiner Illustrationen teilnehmen kann.

Lesen in Tirol: Wie haben sie mit ihrer Arbeit an den Illustrationen begonnen.

Irmingard Jeserick: Bevor ich mit meinen Zeichnungen beginne, lese ich natürlich die Geschichte, die mich entweder sofort anspricht oder eben nicht. Wenn sie mich anspricht, entstehen bei mir gleich beim Lesen bereits bestimmte bildliche Vorstellungen, die ich dann umsetze. Ich mache mir dazu gleich Vorskizzen. Illustrieren ist für mich Kommunikation mit anderen und für mich besonders interessant, wenn es sich um die Auseinandersetzung mit anderen Ländern handelt.

Als Text-Vorlage für die Illustration der Tiroler Märchen hat mir überwiegend die Ausgabe der Brüder Zingerle zur Verfügung gestanden, mit der ich mich intensiv auseinander gesetzt habe. Die sprachlichen Feinheiten des bearbeiteten Textes sind für die Illustration eines so dicken Märchenbuchs nicht mehr so wichtig, wie es bei einem Bilderbuch der Fall wäre. Bei Bilderbüchern müssen auch die Textaufteilung und die Textlängen berücksichtigt werden, weshalb dem Originaltext für die Ausarbeitung von Illustrationen natürlich eine zentrale Bedeutung zukommt.

Bei den Texten zu den Tiroler Märchen hat mich sofort die Muse geküsst, sodass ich augenblicklich mit der Arbeit zu den Illustrationen beginnen musste. Die Märchen haben mich derart angesprochen, dass ich die nächsten vier Monate in einer Art Rauschzustand bei der Arbeit an den Illustrationen verbracht habe.


Neben ganzseitigen Bildern hat die Künstlerin auch zahlreiche Schmuckleisten gestaltet, die jeweils am Beginn eines Märchens zu finden sind und wo sie ihrer Phantasie freien Lauf gelassen hat. Foto: Markt-Huter

Bei 25 Märchen konnten mich selbstverständlich nicht alle gleichermaßen begeistern. Da aber für jedes Märchen lediglich zwei Illustrationen zu zeichnen waren, hatte ich keine Probleme, für jedes Märchen zumindest eine bestimmte Textstelle mit einer bildlichen Vorstellung zu verbinden. Ein Grundzug meiner Arbeit war es, dass die beiden Illustrationen eines Märchens, jeweils farblich zueinander passen.

Lesen in Tirol: Wie würden Sie Ihre Arbeit und Ihren Arbeitsalltag charakterisieren?

Irmingard Jeserick: Mein Arbeitsalltag hat sich so gestaltet, dass ich täglich um 10 Uhr Morgens mit dem Zeichnen begonnen, dann von 17 Uhr bis 19 Uhr eine zweistündige Pause gemacht habe. Anschließend ging die Arbeit bis in die Nacht hinein weiter. Die Arbeit an den Illustrationen war dabei ungemein intensiv.

Für mich ist es wichtig, meinen Zeichnungen immer auch eine kleine humoristische Note mit zu geben. So finden Sie im Tiroler Märchenbuch beispielsweise eine Schmuckleiste, auf der ein Schaf dargestellt ist, das sich durch einen Garten mit lauter schönen Blumen frisst. Eine andere Idee war es, den Märchenvogel auf dem Einband, auf dem Vorsatzpapier dahinfliegen und schließlich im Innentitel über Innsbruck landen zu lassen.

 
Der Arbeitstag einer Künstlerin unterscheidet sich häufig von der geregelten Arbeitszeit anderer Menschen. Gearbeitet wird dann, wenn man am kreativsten ist. Die Arbeit kann dann auch schon bis spät in die Nacht hinein gehen. Foto: Markt-Huter

Ein Teil der Illustrationen weist auch eine autobiographische Note auf, wo ich eigene Erinnerungen und Erfahrungen mit hinein spielen lasse. So spielen im Märchen der Königssohn und die geheimnisvolle Katze die Mäuse im Hintergrund der Illustration remi demi. Das ist ein typisches Bild, das ich selbst Tag für Tag mit meinen zahlreichen Katzen erleben kann.

Lesen in Tirol: Welche Zeichen- und Maltechnik haben Sie für Ihre Illustrationen verwendet? Wie würden Sie ihren Stil beschreiben und was ist das charakteristisch daran?

Irmingard Jeserick: Ich selbst verstehe mich als eine Art moderne Buchmalerin, die in der Tradition der alten Buchmalerei steht. Ich verwende prinzipiell zwei Maltechniken: Die farbigen Illustrationen setzen sich aus einer Mischtechnik aus Federzeichnung und Aquarellmalerei mit Blattgoldverzierung zusammen. Danach mache ich aber auch z.B. bei Initialen gerne Federzeichnungssilhouetten. Damit lassen sich Texte, die nicht farbig illustriert sind, ganz einfach zu beleben.

Die Vorarbeiten zu meinen Bildern nehmen ungefähr gleich viel Zeit in Anspruch wie die eigentliche Ausführung. Dabei erlaubt mir meine Zeichen- und Maltechnik keine Fehler. Es lässt sich im Nachhinein nichts mehr korrigieren oder übermalen. Was da ist, bleibt da. Als Künstler begibt man sich dabei in eine schwierige Situation. Sobald sich in der Vorstellung ein Bild entwickelt hat, muss es sofort heraus. Wenn nun etwas schief läuft, lässt sich der Spannungsbogen nicht mehr wiederholen. Um dieses Risiko möglichst einzugrenzen, sind daher immer sehr umfangreiche Vorarbeiten notwendig.

 
Illustratoren setzen sich individuell mit dem vorgegebenen Text auseinander. Die Ergebnisse sind einmalig und fordern die Fantasie der Leserinnen und Leser. Foto: Markt-Huter.

Lesen in Tirol: Was sind die typischen tirolerisch/alpenländischen Merkmale, von denen Sie gesprochen haben?

Irmingard Jeserick: Ich spreche natürlich vom Tirolerischen aus der Sicht einer Außenstehenden. Ein Beispiel dafür wäre eine Schmuckleiste, bei der eine Hexe aus einer Hexenhütte schaut, wobei die Hütte eine Seilbahn ist. Ein anderes Beispiel wäre ein Steinbock, der auf einer Initiale herum klettert. Generell sind viele der gezeichneten Figuren in Trachten gekleidet, wie etwa ein Stinkkäfer, den ich mit Trachtenhut dargestellt habe. Selbstverständlich handelt es sich dabei um Klischees aus der Sicht des Nicht-Tirolers, die aber auch für Tiroler recht unterhaltsam und interessant sein sollten.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

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Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 13-08-2008

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