Vom Kopf ins Bücherregal - Ein Buch entsteht: Marketing

Wie viele Arbeitsschritte sind eigentlich nötig, bis ein Buch seinen Weg vom Kopf des Autors ins Bücherregal findet? Am Beispiel der Tiroler Märchen soll die Entstehung eines Buchs nachgezeichnet werden. Dabei wurden alle an der Herstellung des Buches beteiligten Personen über ihre Aufgaben, ihre Ausbildung und ihre Arbeit befragt.

Der 6. Teil des Beitrags Vom Kopf ins Bücherregal: Ein Buch entsteht setzt sich mit dem Marketing in einem Buchverlag und den Aufgaben eines Marketing-Leiters auseinander.

Teil 6: Das Marketing - Bücher werden vermarktet

Während in den USA der Bergriff des Marketings bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in den Universitäten Eingang gefunden hat, setzten sich deutschsprachige Universitäten erst seit den 60-iger Jahren des 20. Jahrhunderts mit dem Marketing auseinander.

Marketing kann als Gesamtplan eines Unternehmens verstanden werden, in dem die Ziele, Strategien und Maßnahmen festgelegt sind, mit denen potentielle Kunden gezielt angesprochen werden sollen. Zu den Marketingzielen gehören u.a. die Erhöhung von Umsatz und Absatz eines Produkts sowie die Erhöhung der eigenen Marktanteile oder des eigenen Bekanntheitsgrades.


Je nach Größe gibt es in Buchverlagen eine eigene Marketing-Abteilung. Ihre Aufgabe besteht  darin, mögliche Kunden gezielt anzusprechen, um Bücher aber auch den Verlag zu verbreiten. Foto: Markt-Huter

Zu den verschiedenen Bereichen des Marketings gehört die Produkt- bzw. Leistungspolitik, mit der ein Produkt möglichst gezielt an den Kunden herangetragen werden soll. Die Preispolitik umfasst alle Entscheidungen, durch die letztlich der Preis für ein Produkt festgelegt wird. Unter der Vertriebspolitik werden jene Maßnahmen verstanden, die gesetzt werden, um die Produkte und Dienstleistungen an den Ort der Nachfrage zu bringen. Dazu gehören vor allem Vertriebsweg und der Lieferservice.

Der Kommunikationspolitik kommt schließlich die Aufgabe zu, das Unternehmen und seine Angebote im Bewusstsein aller potentiellen Kunden zu verankern. Dies geschieht durch Werbung, Öffentlichkeitsarbeit aber auch durch das einheitliche Erscheinungsbild eines Unternehmens.

Um gezielt Marketingmaßnahmen zu ergreifen, muss ein Unternehmen den Markt für seine Produkte möglichst genau kennen. Dazu gehört es über Marktanalysen, Trends, die Aktivitäten der Konkurrenz und vor allem über das Verhalten und die Wünsche der potentiellen Kunden bescheid zu wissen.

 

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Wir haben in diesem Zusammenhang Herrn Gerhard Rödlach, den Marketingleiter des Tyrolia-Verlags, über die Aufgaben des Marketings in einem Buchverlag befragt. Außerdem wollten wir wissen, welche Marketingmaßnahmen für das Tiroler Märchenbuch ergriffen worden sind.

Lesen in Tirol: Was ist unter Marketing zu verstehen und was sind die Aufgaben der Marketing-Abteilung in einem Buchverlag?

Gerhard Rödlach: Marketing bedeutet für mich alle Maßnahmen, die im weitesten Sinn ergriffen werden, um die Bücher eines Verlags so gut als möglich zu verkaufen. Darunter fallen die unterschiedlichsten Aktivitäten, die von der Dekoration, also der Gestaltung der Auslage vor Ort im Buchhandel, bis hin zu bezahlten Werbeeinschaltungen reichen. Im besten Fall besteht Marketing aus innovativen und kreativen Maßnahmen, die unter Umständen nichts kosten müssen, für den Buchverkauf aber sehr viel bringen können.

 
Gerhard Rödlach ist Marketingleiter im Tyrolia-Verlag. Marketing bedeutet für ihn alle Maßnahmen, um die Bücher eines Verlags möglichst gut zu verkaufen. Foto: Markt-Huter

Die Aufgaben der Marketing-Abteilung hängen ganz von der Größe eines Verlages ab. Ein Kleinverlag mit nur zwei oder drei Personen, richtet sich natürlich keine eigene Marketing-Abteilung ein. Hier müssen die verschiedenen Aufgaben von allen übernommen werden; die Mitarbeiter sind hier sozusagen Mädchen für alles.

Lesen in Tirol: Steht beim Marketing mehr das Einzelbuch oder der Verlag, die Verlagslinie und sein gesamtes Programmangebot im Mittelpunkt?

Gerhard Rödlach: Die Aufgabe des Marketing lässt sich in dieser Hinsicht nicht wirklich trennen. Ich persönlich bin für das Marketing der gesamten Firma zuständig, zu der neben dem Verlag, auch alle Buchhandlungen zählen. Ungefähr ein Drittel meiner Zeit widme ich dem Marketing für den Buchhandel. Zwei Drittel meiner Arbeitszeit werden für den Bereich des Verlags und seiner Bücher eingesetzt, wozu auch sehr viele Aktionen für Einzelbücher zählen.

Es gibt im Verlag bestimmte Schwerpunkt-Themen, die sich als Ganzes vermarkten lassen, wie z.B. die Hildegard Medizin, der Jakobsweg u.a. Dabei halten wir nach Medien, Partnern und Internetauftritten Ausschau, mit denen wir z.B. unser gesamtes Hildegard von Bingen-Angebot präsentieren können. Gleichzeitig mit den einzelnen Neuerscheinungen wird dann immer die ganze Schwerpunktreihe mit beworben.


Beim Marketing gilt es nicht nur das einzelne Buch zu vermarkten, sondern gleichzeitig immer auch Themen- und Verlagsschwerpunkte und sowie den Auftritt eines Verlages im Ganzen. Foto: Markt-Huter

Das Verlagsprofil des Tyrolia-Verlags hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts sehr verändert. Der Verlag ist über lange Zeit vor allem für Tirolensien und religiöse Literatur im weitesten Sinn gestanden. Das hat sich gewandelt, nachdem wir vor ca. 20 Jahren die Tirolensien als Verlags-Schwerpunkt stark zurückgenommen haben, um den Verlag für neue Bereiche zu öffnen. Im Augenblick sind wir wieder dabei, diese Entwicklung ein wenig rückgängig zu machen und unser regionales Angebot auszubauen.

Religiöse Themen haben in unserem Verlag selbstverständlich weiterhin ihren Stellenwert, woran sich auch in Zukunft nicht viel ändern wird. Wir werden innerhalb unseres religiösen Programms aber vermehrt auf Verbindungen mit populärwissenschaftlichen Themen wie z.B. der Hildegard-Medizin setzen. Themen wie Jakobswege zählen wir verlagsintern zwar zur religiösen Literatur, werden von den Kunden aber zumeist dem Bereich Wandern zugerechnet.

Dadurch dass unser Verlag sehr viele Themen besetzt, ist es sehr schwierig kurz zu beschreiben, wofür der Tyrolia-Verlag steht. Auf der einen Seite kann unser Verlag dadurch sehr viele Märkte besetzen, auf der anderen Seite müssen wir für jeden Markt ständig neue Nischen ausfindig machen. Das allgemeine Marketing für den Verlag wird damit aber ungemein schwierig, wenn es gilt aufzuzeigen, wofür der Verlag steht.


Auch wenn es keine konkrete Ausbildung für den Bereich Marketing in einem Verlag gibt, spielen Kreativität und Flexibilität eine wichtige Rolle. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Welche Ausbildung und welche Kenntnisse werden für den Marketing-Bereich in einem Verlag benötigt?

Gerhard Rödlach: Kreativität, Flexibilität und Spaß am Beruf sind grundsätzlich ganz wichtige Erfordernisse. Wichtig sind aber auch gute Kontakte zu den verschiedensten Personen im Verlag, im Buchhandel und im Öffentlichkeitsbereich. Eine konkrete Ausbildung für den Bereich Marketing im Buchverlagswesen gibt es aber nicht.

Lesen in Tirol: Welche konkreten Marketingmaßnahmen wurden nun für das Tiroler Märchenbuch getroffen?

Gerhard Rödlach: Bei uns im Haus besteht ganz allgemein eine Absprache mit dem Lektorat: Sobald mit einem Autor eine positive Entscheidung für ein Buch getroffen worden ist, werde ich zu den weiteren Gesprächen hinzugezogen. Ich habe also gleich nach den Erstgesprächen zwischen Lektorin und Autorin mögliche Marketingschritte festgelegt.

Beim Tiroler Märchenbuch schien es von Anfang an nahe liegend, den guten Ruf und den Bekanntheitsgrad der Autorin Frau Wolle einzusetzen und das Buch durch zahlreiche Veranstaltungen zu bewerben.


Für das Buch Tiroler Märchen wurden von vornherein ein breites Zielpublikum ins Auge gefasst. Die vorgesehenen Marketingmaßnahmen sind gezielt auf Kinder aber auch Erwachsenen ausgerichtetFoto: Markt-Huter

Um gezielte Marketingmaßnahmen durchführen zu können, haben wir das Zielpublikum der Tiroler Märchen fixieren müssen, wobei zunächst natürlich Kinder nahe liegend gewesen wären. Nachdem Frau Tscholl aber keine Märchenabende für Kinder sondern nur für Erwachsene ab dem Jugendalter ges-taltet, haben wir von vornherein versucht, unser Zielpublikum breiter zu fassen. Unserem erwachsenen Lesern bieten wir eine große Lesereise mit Frau Wolle, von der die Tiroler Märchen in fast allen unseren Filialen sowie in einzelnen Öffentlichen Büchereien vorgestellt werden.

Auf der anderen Seite versuchen wir für Kinder und Jugendliche das Tiroler Märchenbuch an den Schulen zu präsentieren, wofür es uns gelungen ist, die Märchenerzählerin Barbara Beinsteiner zu gewinnen. Sie wird zum Thema Tiroler Märchen ein spezielles Programm für Kinder anbieten und dabei auch das Tiroler Märchenbuch vorstellen. In Zusammenarbeit mit dem Tiroler Kulturservice kann diese Veranstaltung von allen Tiroler Schulen in Anspruch genommen werden.

Vergleichbar mit der Tiroler Sagenschatzkiste bieten wir für Schulen außerdem eine Tiroler Märchenschatzkiste an, für die sich interessierte Schulen ebenfalls über das Tiroler Kulturservice anmelden können. Es handelt sich dabei um schön dekorierte Koffer mit Tiroler Märchenbüchern in Klassenstärke, von denen drei oder vier gleichzeitig in Tirol unterwegs sein werden. Durch diesen gratis Buchverleih wollen wir möglichst viele Schüler auf das Märchenbuch aufmerksam machen. Diese Marketing-Aktion bringt zunächst zwar keinen finanziellen Gewinn, macht das Buch aber in breiten Kreisen bekannt, was sich wieder auf den Verkauf auswirken soll.


Eine Marketingmaßnahme für die Tiroler Märchen ist die Tiroler Märchenschatzkiste, mit der Schulen das Buch in Klassenstärke ausleihen können. Dadurch sollen die Tiroler Märchen in breiten Kreisen bekannt gemacht werden. Foto: Markt-Huter

Nachdem das Tiroler Märchenbuch zahlreiche außergewöhnliche Illustrationen bietet, können neben den Buchpräsentationen in Innsbruck, Regensburg und Brixen auch die Originalbilder des Buches ausgestellt werden. Selbstverständlich machen wir aber auch durch klassische Werbemittel wie Lesezeichen und Plakate auf das Buch aufmerksam.

Lesen in Tirol: Wann gilt für Sie das Marketing für das Tiroler Märchenbuch als abgeschlossen?

Gerhard Rödlach: Das Marketing für ein Buch ist eigentlich nie abgeschlossen oder theoretisch erst dann, wenn die letzten nicht mehr verkaufbaren Exemplare zum Schleuderpreis in den Buchhandel gebracht werden, die Bücher also verramscht werden müssen. Dies sollte beim Tiroler Märchenbuch aber aller Voraussicht nach nicht passieren. Die Marketingarbeit beginnt ca. ein halbes Jahr vor dem Veröffentlichungstermin und konzentriert sich vor allem auf die zahlreichen Präsentationen und Lesungen. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt aber immer rund um den Veröffentlichungszeitpunkt eines Buches.

Lesen in Tirol: Wann lässt sich sagen, dass das Marketing für ein bestimmtes Buch erfolgreich verlaufen ist?

Gerhard Rödlach: Letzten Endes wird erfolgreiches Marketing am Verkauf gemessen, wobei sich ein Verlag die jeweilige Latte des Erfolgs selber setzt. Die Auflagenhöhe eines Buches wird von einem Team im Verlag festgelegt, das aus dem Lektorat, dem Verlagsleiter und der Marketingabteilung besteht. Die Auflagenhöhe muss im Vergleich mit ähnlichen Büchern, ähnlichen Marketingmaßnahmen und in Absprache mit den Vertretern abgeschätzt und festgelegt werden.


Buchpräsentationen bilden einen wichtigen Bereich des Marketing. Lektorin Anette Köhler, Verlagsleiter Gottfried Kompatscher, Autorin Karin Tscholl und Marketingleiter Gerhard Rödlich im Gespräch bei der Präsention der Tiroler Märchen im ORF-Kulturhaus. Foto: Markt-Huter

Erfolgreiches Marketing bleibt aber trotzdem von vielen Faktoren abhängig und lässt sich nicht nur am finanziellen Erfolg festmachen. Manchmal kommt es einfach vor, dass die mögliche Nachfrage nach einem Buch falsch eingeschätzt worden ist. Wenn es dann gelingt, einen schwachen Absatz durch zusätzliche Maßnahmen doch noch zu steigern, kann man dennoch mit dem Marketing zufrieden sein, auch wenn der Verkauf trotzdem unter den Anfangserwartungen liegen bleibt. Bei wichtigen Büchern halten wir dazu den Kontakt zu den Autoren und zu möglichen Veranstaltern u.a. ständig aufrecht.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

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Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 03-09-2008

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