Vom Kopf ins Bücherregal - Ein Buch entsteht: Der Graphiker

Wie viele Arbeitsschritte sind eigentlich nötig, bis ein Buch seinen Weg vom Kopf des Autors ins Bücherregal findet? Am Beispiel der Tiroler Märchen soll die Entstehung eines Buchs nachgezeichnet werden. Dabei wurden alle an der Herstellung des Buches beteiligten Personen über ihre Aufgaben, ihre Ausbildung und ihre Arbeit befragt.  

Im 4. Teil des Beitrags Vom Kopf ins Bücherregal: Ein Buch entsteht wollen wir dem Graphiker ein wenig über Schulter schauen. Nachdem Text und Illustrationen vorliegen, kommt dem Typographen die Aufgabe zu, das Buch zu gestalten.

Teil 4: Typographie - Die Schrift macht das Buch

Die Typographie wird heute als Gestaltungsprozess verstanden, in dem mit Hilfe von Schrift, Bildern, Linien, Flächen und typographischem Raum Druckwerke und elektronische Medien gestaltet werden. Dabei hängt die Geschichte der Typographie sehr eng mit der Entwicklung der verschiedenen Schriftarten und den sich verändernden Wiedergabetechniken zusammen.

Hauptziel der Typographie ist es, den Inhalt und Zweck eines Werkes zu verdeutlichen und für die Bedürfnisse des Lesers anzupassen. Die optimale Lesbarkeit des Textes ist dabei Grundvoraussetzung. Die lässt sich erreichen durch eine klare Strukturierung der Texte, sowie durch den Einsatz von unterschiedlichen Schriftarten, Schriftgrößen und Auszeichnungsarten. Dazu gehören beispielsweise Überschriften, Kursivschrift oder Kapitälchen, Satzbreite, das ist die Länge einer Zeile, Zeilenfall, wie z.B. Flattersatz, zentrierter Zeilenfall oder Blocksatz sowie der Satzspiegel innerhalb eines Papierformats.


Es gehört zu den zentralen Aufgaben des Typographen, durch die Auswahl der richtigen Schriftart, Schriftgröße u.a. graphischer Gestaltungsmöglichkeiten einen Text möglichst gut lesbar aufzubereiten. Bild: Wikipedia

Der Satzspiegel bezeichnet die Nutzfläche auf der Seite eines Buches und wird durch die unbedruckten Abstände zwischen dem Satzspiegel und dem Rand begrenzt. Die Kunst beim Satz ist die Gestaltung der Seite in einer Form bzw. in einem Verhältnis, so dass sie dem Betrachter harmonisch erscheint.

Bei der Typographie werden zwei große Bereiche unterschieden: Die Mikrotypographie, die sich mit dem Aufbau einzelner Buchstaben und Zeichen auseinandersetzt und die Makrotypographie, wo die gestalterische Gesamtkonzeption eines Werkes im Mittelpunkt steht.

 

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Für die typographische Gestaltung des Tiroler Märchenbuchs war der niederösterreichische Buchgestalter Michael Karner verantwortlich, der im folgenden Interview über seinen Beruf und seine Arbeit am Tiroler Märchen-Buch Auskunft gibt.

Lesen in Tirol:  Wie sieht die Ausbildung zum typografischen Gestalter bzw. Buchgestalter aus?

Michael Karner: Eine spezielle Ausbildung gibt es nicht. Ich habe ursprünglich eine Schriftsetzerlehre in einer Buchdruckerei in Gloggnitz absolviert. Sehr häufig spezialisieren sich aber Graphik-Designer zum Buchgestalter, oder machen nebenbei auch Bücher.

 
Michael Karner zählt heute zu den renomiertesten österreichischen typographischen Gestaltern. Nach einer Lehre als Schriftsetzer und Arbeiten in verschiedenen Druckereien, Werbeagenturen und Verlagen hat er sich 2004 selbständig gemacht. Foto: Michael Karner

Bei meinen ersten gestalterischen Arbeiten handelte es sich um Partezettel, Vermählungskarten u.ä. die alle im Handsatz angefertigt wurden. Da mir damals nur drei Schriften zur Verfügung standen, habe ich mich sehr früh mit dem Design Motto Less is more beschäftigt.

Nach mehreren Jahren Reisen bin ich wieder in den Beruf durch Umschulung zum Fotosetzer eingestiegen und habe in der Folge alle Anpassung an die technischen Veränderungen des Berufsstandes mit vollzogen. Nach Arbeiten in diversen Druckereien, Satzstudios, Werbeagenturen und Verlagen bin ich seit Jänner 2004 als typogra?scher Gestalter bzw. Buchgestalter selbständig tätig.

Lesen in Tirol: Was waren bei der Herstellung des Tiroler Märchenbuchs ihre Aufgabe und wie erfolgte am Beginn die Kontaktaufnahme durch den Verlag, die einzelnen Arbeitsschritte vom Text - zur Endausarbeitung?

Michael Karner: Als Typograph oder Buchgestalter war ich für die graphische Gestaltung und den Satz des Tiroler Märchenbuches verantwortlich. Nachdem ich für den Verlag schon einige Bücher gemacht habe - z. B. die Tiroler Sagen und die Wiener Sagen - kam der Verlag auf mich zu. Am Anfang stehen die üblichen Preisverhandlungen, bei denen der Preis pro Seite vereinbart wird.

Grundsätzlich beginnt dann meine Arbeit damit, dass ich anhand von Probekapiteln und -Illustrationen Musterseiten ausarbeite. Je nach Aufgabe kann es sich dabei um zwei bis drei verschiedene Gestaltungslinien handeln. Im konkreten Fall habe ich dem Verlag zwei unterschiedliche Gestaltungsvarianten vorgelegt. Der Verlag hat sich dann den gewünschten Stil ausgewählt und mir alle Texte und alle Illustrationen in digitaler Form zukommen lassen.


Für die graphische Gestaltung der Tiroler Märchen wurden dem Tyrolia-Verlag zwei unterschiedliche Gestaltungslinien zur Auswahl vorgelegt. Foto: Michael Karner

Lesen in Tirol: Wie hat der Arbeitsablauf bei der Buchgestaltung zum Buch Tiroler Märchen ausgesehen und was waren die einzelnen Arbeitsschritte vom Text - zur Endausarbeitung?

Michael Karner: Zunächst beginnt der Graphiker mit dem so genannten Seitenumbruch. Bei einem Buch wie den, Tiroler Märchen handelt es sich dabei um eine arbeitsreiche und möglichst im Vorfeld gut überlegte Angelegenheit. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, die zahlreichen Elemente wie Text, Initialen, Illustrationen oder Schmuckelemente - ich denke dabei z.B. an den über die Seiten mitfliegenden Vogel - möglichst harmonisch und schlüssig auf den Doppelseiten zu platzieren.

Der Weg, bis man schließlich zum fertigen ersten Umbruch gelang, ist meist mit zahlreichen Hindernissen gepflastert. Es braucht nun häufiges Probieren und Umstellen, bis sich die Seitenumbrüche endlich richtig ausgehen. Hier sind eine gute Zusammenarbeit und eine gute Kommunikation mit der zuständigen Verlagslektorin notwendig. Wenn es gar nicht mehr anders geht, ist sie es auch, die mir dann im schlechtesten Fall zugesteht, einmal die Reihenfolge der einzelnen Märchen zu verändern.

Nach dem ersten Umbruch, also nach dem ersten durch- und einarbeiten aller Texte, Illustrationen, Initialen u.a., schicke ich die bearbeiteten Seiten in Form einer pdf-Datei an den Verlag. Die Seiten werden dort ausgedruckt, durchgesehen und korrigiert. In Form eines moderierten Ausdrucks erhalte ich die gesammelten Korrekturen an Text und Bildern wieder zurück. Nachdem die Korrekturen nach den Angaben des Verlags mit eingearbeitet worden sind, liegt schließlich der so genannte zweite Umbruch vor. Nun sind wir schon recht knapp vor der letztgültigen Fassung, und nach weiteren ein oder zwei Korrekturdurchgängen gibt die Lektorin schließlich ihr endgültiges OK.

 
Zu den großen Herausforderung der graphischen Gestaltung der Tiroler Märchen gehörte es, die zahlreichen Elemente wie Text, Initialen, Illustrationen oder Schmuckelemente möglichst harmonisch und schlüssig auf den Doppelseiten zu platzieren. Foto: Michael Karner

Der nächste Arbeitsschritt besteht nun darin, eine Datei zu erstellen, mit der die Druckerei arbeiten kann. Diese Dateien sind von Druckerei zu Druckerei unterschiedlich zu gestalten. In den meisten Fällen handelt es aber sich aber um eine druckreife pdf-Datei. Die Übergabe der druckreifen pdf.-Datei erfolgt meist direkt an die Druckerei. Im Normalfall - wie auch beim Tiroler Märchenbuch - ist damit die Arbeit des Typografen abgeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt bleibt einem meist nur noch die inständige Hoffnung übrig, dass die Druckerei auch sorgfältig arbeitet, und man nach einigen Wochen ein herzeigbares Buch in Händen hält.

Lesen in Tirol: Welche Bedeutung kommt der Schrift bei einem Buch generell zu?

Michael Karner: Schrift ist das wichtigste Werkzeug des Typografen oder Buchgestalters um Gedanken sichtbar zu machen. Und deshalb ist die Lesbarkeit das entscheidende Kriterium für die Auswahl einer Schrift, die für die Gestaltung von Büchern verwendet werden soll. Schrift soll sich nicht plump in den Vordergrund drängen, sondern die richtige Atmosphäre erzeugen.

Lesen in Tirol: Welche Kriterien waren für die Auswahl der Schrift ausschlaggebend?

Michael Karner: Bei einem illustrierten Buch muss die ausgewählte Schrift natürlich zu den Illustrationen und zum Charakter des Buches passen. Es sollte also - im besten Fall - eine natürliche Einheit bilden. Die von mir ausgewählte Schrift heißt Diotima und kommt diesem Anspruch am Nächsten.


Graphiker Michael Karner, Illustrator Jakob Kirchmayr und Tyrolia-Verlagsleiter Gottfried Kompatscher wurden beim Wettbewerb Schönste Bücher Österreichs 2005 für das Buch Tiroler Sagen ausgezeichnet. Foto: Schönste Bücher.at

Lesen in Tirol: Worauf ist beim Buchsatz generell zu achten?

Michael Karner: Ich versuche grundsätzlich nicht mich selbst, also den Gestalter des Buches, in den Vordergrund zu stellen, sondern eine dem Text und den Illustrationen gemäße Gestaltung zu finden. Ich will mich nicht durch eine zwanghaft originelle Gestaltung quasi zwischen Autor und Leser drängen. So gestaltete Bücher sind mir ein Gräuel.

Wenn der Leser meint, ein Buch nicht lesen zu können, z.B. weil er müde ist, das Licht schlecht ist, oder er sich schlicht denkt, den Inhalt nicht zu verstehen, liegt das oft genug auch an der unzureichenden typografischen Aufbereitung des Textes. Wenn Schriften nur schwer lesbar geordnet sind oder dem Inhalt widersprechen, ist das oft der erste Schritt zur erschwerten Lektüre.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

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Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 20-08-2008

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