Vom Kopf ins Bücherregal - Ein Buch entsteht: Die Verlagsleitung

Wie viele Arbeitsschritte sind eigentlich nötig, bis ein Buch seinen Weg vom Kopf des Autors ins Bücherregal findet? Am Beispiel der Tiroler Märchen soll die Entstehung eines Buchs nachgezeichnet werden. Dabei wurden alle an der Herstellung des Buches beteiligten Personen über ihre Aufgaben, ihre Ausbildung und ihre Arbeit befragt.

Der 5. Teil des Beitrags Vom Kopf ins Bücherregal: Ein Buch entsteht setzt sich mit dem Buchverlag und den Aufgaben eines Verlagsleiters auseinander.

Teil 5: Der Buchverlag - Bücher müssen verkauft werden

Buchverlage sind Medienunternehmen, die Werke der Literatur, Kunst, Wissenschaft u.a. vervielfältigen und verbreiten. Sie stellen Druckwerke her, schließen mit den Autoren Verträge über die Nutzungsrechte ab und sorgen für die notwendige Bewerbung und den Vertrieb der Bücher. Die Verlage unterscheiden sich nach ihrem Verlagsprogramm, wobei die Schwerpunkte von Belletristik über Kunst, Sprachen, Wissenschaft, Reiseliteratur, Schulbücher bis hin zu speziellen Verlagen für Lexika und Nachschlagwerken reichen können.

Die Bezeichnung verlegen bedeutete im Mittelalter Geld ausgeben, also etwas auf eigene Rechnung übernehmen. Ein Buchverlag erwirbt dabei üblicherweise das Nutzungsrecht am Werk eines Autors, der dafür eine Vergütung und / oder einen Gewinnanteil an den verkauften Büchern erhält. Die Kosten für den Druck, die Werbung und die Verbreitung des Buchs werden vom Verlag übernommen, dem dafür die Einnahmen aus dem Verkauf zustehen.


Der Leiter eines Verlages ist sowohl für die wirtschaftliche Seite als auch für die grundsätzliche Ausrichtung des Verlags und des Programms verantwortlich. Foto: Markt-Huter

Es gibt Buchverlage mit nur ein oder zwei Personen, von denen dann sämtliche Arbeitsschritte selbst durchgeführt werden. Bei vielen Verlagen handelt es sich um mittelständische Unternehmen, wo die verschiedenen Aufgaben wie Lektorat, Marketing, Werbung, Vertrieb, Lager u.a. von eigenen Abteilungen wahrgenommen werden.

Geführt wird der Verlag vom Verleger, der vor allem für die wirtschaftliche Seite des Unternehmens sowie für die grundsätzliche Ausrichtung des Verlags und seines Programms verantwortlich ist.

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Wir haben den Verlagsleiter des Tyrolia-Verlags, Mag. Gottfried Kompatscher über seine Aufgaben als Verleger befragt aber auch welche Kenntnisse und Ausbildung für einen Verlagsleiter notwendig sind. Außerdem erzählt er über seinen Anteil an der Entstehung des Tiroler Märchen-Buches.

Lesen in Tirol: Was ist ein Verlagsleiter und was gehört grundsätzlich zu seinen Aufgaben in einem Buchverlag?

Gottfried Kompatscher: Ein Buchverlag ist ein Wirtschaftsunternehmen und die Aufgaben des Verlagsleiters sind im Grunde vergleichbar mit den Aufgaben eines Leiters einer Tischlerei oder eines Schuhgeschäfts. Er ist für die wirtschaftlichen Belange zuständig, er muss ein Budget erstellen und entscheiden, wie am Ende des Jahres mit roten oder schwarzen Zahlen umzugehen ist. Er ist für die Personalauswahl und die Personalführung zuständig und ist der Ansprechpartner, wenn bei den MitarbeiterInnen Fragen auftauchen. Wichtige Entscheidungen müssen vom Verlagsleiter - der auch in Detailfragen informiert wird - zumindest mit getroffen werden. Der Verlagsleiter muss den Überblick über den gesamten Verlag behalten.


Ein Buchverlag ist ein Wirtschaftsunternehmen und die Aufgaben des Verlagsleiters sind grundsätzlich mit den Aufgaben eines Leiters einer Tischlerei oder eines Schuhgeschäfts vergleichbar. Foto: Markt-Huter

Spezifisch bei einem Buchverlag kommt hinzu, dass der Verlagsleiter für den rechtlichen Bereich verantwortlich ist, wobei dem Urheberrecht eine besonders wichtige Rolle zukommt. Jeder Schriftsteller, Photograph, Künstler, aber auch jede private Person entscheidet, was mit seinem geistigen Produkt geschehen darf. Der Verlag muss für jede einzelne Zeile oder jedes einzelne Bild, das er in einem Buch verwenden will, erst vom Urheber das Nutzungsrecht dazu erwerben. Dabei soll möglichst genau geregelt werden, was der Verlag mit den geistigen Leistungen machen darf und was nicht.

Zu den Rechten, die ein Verlag auf jeden Fall erwerben muss, gehören die Rechte, dass er ein Werk vervielfältigen, verbreiten und gewerblich verkaufen darf. In der Regel erwirbt er aber auch gewisse so genannte Nebenrechte wie z.B. die Übersetzung eines Buches in eine andere Sprache. In Zusammenhang mit dem Nutzungsrecht stehen auch Fragen nach dem Honorar oder nach den Rechten des Verlags und der Autoren bei der Gestaltung des Werkes. Das alles wird im Verlagsvertrag geregelt.

Der Verlagsleiter hat zudem die Aufgabe sich persönlich um die wichtigsten Partner zu kümmern, d.h. den Kontakt und das Gespräch mit den wichtigen Autoren und Kunden zu pflegen.

Lesen in Tirol: Wie wird man Verlagsleiter und welche Ausbildung braucht man dazu?

Gottfried Kompatscher: Ich sehe im Wesentlichen zwei Wege zum Verlagsleiter: Einer ist der Weg vom Verlagsteam, etwa vom Lektorat, zum Verlagsleiter, wie es auch bei mir der Fall war. Ich war vorher Lektor für das Regionalprogramm und hatte Geschichte und Volkskunde studiert. Ich komme damit thematisch aus dem Bereich der Tiroler Kulturgeschichte.

 
Der Verlagsleiter des Tyrolia-Verlags Mag. Gottfried Kompatscher hat Geschichte studiert und war Lektor für das Regionalprogramm im Tyrolia-Verlag ehe er die Verlagsleitung übernommen hat. Foto: Markt-Huter

Ein anderer Weg zum Verlagsleiter ist der Weg von der kaufmännischen Seite her, mit einer kaufmännischen Ausbildung, was vor allem in großen Konzern-Verlagen häufig vorkommt. In Deutschland gibt es eine Universität und eine Fachhochschule mit spezifischen Lehrgängen für den Bereich der Buch- und Verlagswissenschaft. Absolventen dieser Lehrgänge finden sich immer häufiger in den Führungsgremien großer Verlage. In Österreich jedoch noch sehr selten.

Lesen in Tirol: Was waren Ihre Aufgaben bei der Entstehung des Buches Tiroler Märchen?

Gottfried Kompatscher: Bei den Tiroler Märchen handelt es sich um eine Verlagsinitiative, also um ein Projekt, das wir im Verlag selbst entwickelt haben. Der andere Weg wäre, dass ein Autor sein Manuskript, das er verlegt haben möchte, an den Verlag sendet. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Verlagsinitiativen zumeist wichtiger, weil bei diesen Büchern auf die vorhandenen Marktkenntnisse, auf Kundennachfragen und auf die eigene Programmstruktur gezielt Rücksicht genommen werden kann.

Nachdem wir mit den Tiroler Sagen von Brigitte Weninger und Jakob Kirchmayr große Erfolge erzielen konnten, wollten wir darauf aufbauen. Es folgten nach dem gleichen Konzept die Bücher Wiener Sagen und Vorarlberger Sagen, bei denen wir sozusagen die Kunden gewechselt haben. Um aber die Kunden des Tiroler Sagenbuches neuerlich anzusprechen, die ja in erster Linie Tiroler sind, haben wir den Schritt von den Sagen hin zu den Märchen gemacht, die wir im selben Format und zum selben Preis produzieren wollten.

Mit Karin Tscholl ist es uns dabei gelungen eine Autorin zu finden, die gut schreiben kann und als bekannte Märchenerzählerin eine hervorragende Werbeträgerin für das Buch darstellt. Sie wird in Tirol mit dem Thema Märchen sicher noch für Jahre präsent sein und auf ihren Veranstaltungen das Tiroler Märchenbuch ständig mit sich führen.
Bei der Entscheidung, die Autorin Karin Tscholl und die Illustratorin Irmingard Jeserick mit der Arbeit am Buch zu beauftragen, war ich als Verlagsleiter mit dem gesamten Team eingebunden. Meine spezifische Aufgabe war es, mit der Autorin und der Illustratorin die Verlagsverträge zu schließen, nachdem wir uns grundsätzlich zur Zusammenarbeit entschlossen hatten.


Zu den wichtigen Aufgaben des Verlagsleiters gehören die Honorarverhandlungen mit Autoren, die finanzielle Kalkulation der einzelnen Projekte sowie die Festlegung der einzelnen Buchpreise. Foto: Markt-Huter

Wie gesagt regelt der Verlagsvertrag auch die Honorarfrage. Dabei werden die AutorInnen mit einem Prozentsatz am Verkaufserlös ihres Buches beteiligt. Verkauft es sich gut, können die AutorInnen viel verdienen und auch Millionäre werden, verkauft es sich schlecht, so deckt das Honorar oft bei weitem nicht die Kosten der Manuskripterstellung.

Im Bereich der Kinderbücher ist es allerdings so, dass es sich bei den Illustrationen in aller Regel um Auftragsarbeiten handelt, für welche die KünsterInnen - zu Recht - ein fixes Honorar beanspruchen. Nachdem es sich bei den Tiroler Märchen nun aber sowohl bei den Illustrationen als auch beim Text um Auftragsarbeiten handelt, haben beide Künstlerinnen den berechtigten Wunsch, dass das Honorar ihren Aufwand angemessen abdeckt. Das galt es bei der Kalkulation des Buches zu berücksichtigen und bedeutet, dass das Verkaufrisiko allein der Verlag zu tragen hat.

Lesen in Tirol: Wie wurde der Buchpreis für die Tiroler Märchen festgelegt und welche Überlegungen waren dafür ausschlaggebend?

Gottfried Kompatscher: Die Höhe des Verkaufspreises hängt nicht nur von den Honoraren und den Produktionskosten ab, sondern wird ganz maßgeblich durch den Markt geregelt. Ein Buch wie die Tiroler Märchen lässt sich ganz einfach nicht um 40 Euro verkaufen, wenn vergleichbare Bücher auf dem Buchmarkt um 20 Euro angeboten werden.

Im Laufe der Projektentwicklung haben wir uns für Golddruck am Umschlag und auch im Innenteil entschieden, womit das Buch einen bibliophilen Charakter bekam. Unter Berücksichtigung aller Faktoren haben wir uns schließlich für einen Verkaufspreis von 24,90 Euro entschieden.

Der Ladenpreis ist eine wichtige Komponente in der Buchkalkulation. Eine andere ist die Auflagenhöhe bzw. die zu erwartende Verkaufszahl, die es gilt richtig einzuschätzen. Der beschränkte Tiroler Markt lässt selbstverständlich keine Verkaufszahlen wie bei einem Harry-Potter-Roman erwarten, von dem allein am ersten Verkaufstag 8 Millionen Büchern verkauft worden sind.


Auftritte bei Veranstaltungen und Buchpräsentationen wie bei der Präsentation des Buchs Tiroler Märchen bilden einen wichtigen Bestandteil der Aufgaben eines Verlagsleiters. Foto: Markt-Huter

Wir müssen uns der realistischen Verkaufszahl also durch verschiedene Überlegungen annähern. Von den 600.000 lesenden TirolerInnen werden sich nicht alle ein Märchenbuch kaufen. Die Obergrenze liegt wohl maximal bei der Anzahl der Haushalte mit Kind(ern) und mit deutscher Muttersprache, wodurch sich die maximale Verkaufserwertung bereits sehr reduziert. Aufgrund von Erfahrungswerten haben wir uns schließlich für eine Druckauflage von 5.000 Exemplaren entschieden.

Lesen in Tirol: Was galt es aus der Sicht des Verlagsleiters bei den Tiroler Märchen besonders zu berücksichtigen?

Gottfried Kompatscher: Tiroler Märchen sind ein zeitloses Thema, das heißt, wir hoffen, dass wir dieses Buch auch in fünf oder zehn Jahren noch verkaufen können. Deshalb haben wir bei der ersten Auflage auf Qualität gesetzt: bei der Auswahl der Künstlerinnen genau so wie bei der Produktion. Wir haben uns das Buch etwas kosten lassen, wie man sagt, weil wir hoffen, dass sich diese Investitionen in Zukunft bezahlt machen.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

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Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 27-08-2008

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