Irmgard Kramer, 17 Erkenntnisse über Leander Blum
„Die Vollendung unseres Masterpieces lag zum Greifen nah. Mehr als ein Jahr Vorbereitung, unzählige Sketche, in jeder freien Minute waren wir über Papier gebeugt gewesen und hatten gekritzelt und gezeichnet, alle wieder auf den Kopf gestellt und von vorne begonnen. Jonas war ein Tüftler. Der gab sich so schnell nicht zufrieden.“ (S. 7)
Jonas und Leander sind beste Freunde und seit ihrer Geburt im selben Krankenhaus, am selben Tag eng miteinander verbunden. Ihre Leidenschaft ist das Malen von Graffitis, die unter ihrem Künstler-Tarnnamen „BLUX“ an allen möglichen Orten in Wien zu entdecken sind. Als sich Leander in „Rapunzel“, die zu einer anderen Gruppe von Graffiti-Sprayer gehört verliebt und Jonas ein Märchen vom chinesischen Pinsel entdeckt, geraten die Dinge aus dem Ruder.
Leander und Jonas haben sich in der Wiener Graffiti-Szene bereits einen Namen gemacht und steigern sich mit voller Leidenschaft in ihre Kunst, für die sie alles miteinander teilen und auch gemeinsam die Techniken berühmter Maler studieren und in ihre Graffitis einzubauen. Aber ihre Spray-Kunst im öffentlichen Raum an allen möglichen Mauern, verlassenen Fabrikgebäuden und Zugwaggons ist auch illegal, was den besonderen Kick für die beiden ausmacht. Für Leander besonders tragisch zeigt sich der Umstand, dass sein Vater bei der Polizei arbeitet, wo er ein Fahndungsteam leitet, das die illegale Tätigkeit der Graffiti-Sprayer bekämpfen soll.
Bei einem Fotoshooting unter einer Autobahnbrücke am Rande der Stadt, bei dem zahlreiche Street-Art-Künstler versammelt sind, treffen Leander und Jonas auf eine andere Gruppe von Graffiti-Sprayer, die ihre Parallelklasse besuchen. Leander fällt besonders ein Mädchen mit langen blonden Zöpfen auf, die er Rapunzel nennt und in die er sich auf der Stelle verliebt. Als Leander etwas später verkleidet wieder auf Rapunzel trifft, beschließen er und Jonas sie auf einer Geburtstagsparty wiederzusehen, ohne die Folgen zu ahnen.
Während die Geschichte rund um die beiden Freunde aus der Sicht von Leander erzählt wird, steht im zweiten Erzählstrang, der wenige Monate später spielt, die achtzehnjährige Lila im Mittelpunkt, die am ersten Schultag verschlafen hat und nur mehr einen freien Sitzplatz neben dem neuen Mitschüler Leander Blum findet. Während ihr Leander zu Beginn schweigsam, blass und vollkommen verschlossen erscheint, gelangt sie im Laufe der Zeit zu immer neuen Erkenntnissen über den merkwürdigen Jungen, der ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt. Als sich die beiden bei einem Schulausflug im Wald verlaufen, kommen sie einander näher.
Irmgard Kramer schreibt einen spannenden und authentischen Jugendroman, den sie im Milieu der Street-Art spielen lässt, in das sie überaus interessante Einblicke offenbart. Neben einer Geschichte über Kunst, Leidenschaft und Freundschaft wird auch eine Geschichte über die Mühen und Leiden des Erwachsenwerdens erzählt. Die unterschiedlichen Blickwinkel und Erzählstränge fügen im Laufe der Erzählung das Puzzle zu einem virtuosen Gesamtbild zusammen.
Die authentische Beschreibung der Welt der Graffiti-Kunst sowie die nicht weniger realistische Auseinandersetzung mit Freundschaft und Liebe machen den Jugendroman zu einem überaus außergewöhnlichen und eindrucksvollen Kunstwerk, das die jugendlichen Leserinnen und Leser von Beginn weg in seinen Bann zu ziehen vermag.
Irmgard Kramer, 17 Erkenntnisse über Leander Blum. Ab 14 Jahren
Bindlach: Loewe Verlag 2018, 352 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-7855-8911-3
Weiterführende Links:
Loewe Verlag: Irmgard Kramer, 17 Erkenntnisse über Leander Blum
Wikipedia: Irmgard Kramer
Andreas Markt-Huter, 25-04-2019