Ali Benjamin, Die Suche nach Paulie Fink
„Wenn das hier wirklich eine Fernsehserie gewesen wäre, so wie alle taten, dann hätte es locker eine Million guter Auftakte für die erste Folge gegeben. Sie hätte zum Beispiel im Juni anfangen können, als ich eines Tages von der Schule heimkam und Mom mich mit den schicksalshaften Worten Caitlyn wir ziehen um begrüßte. Nicht etwa Hättest du was dagegen, wenn wir …?“ (S. 17)
Caitlyn Breen fällt es schwer ihre alten Freundinnen und ihre alte Schule zu verlassen und nach Mitchell in Vermont zu übersiedeln, wo sie als neue Mitschülerin in die 7. Klasse der Mitchell School starten muss. Nicht leichter wird ihr Schulstart, nachdem sie heimlich mit dem allseits bewunderten Paulie Fink in Konkurrenz tritt, der nach den Sommerferien aus unerwarteten Gründen nicht mehr in die Klasse zurückgekehrt ist.
Caitlyns neue Schule unterscheidet sich fundamental von ihrer alten Junior Highschool. Während sich in Mitchell alle Schüler so verhalten, wie es ihnen gerade beliebt, ganz egal wie verrückt sie dabei wirken mögen, war es an ihrer alten Schule eine Kunst, nichts falsch zu machen, sich richtig zu kleiden und sich mit den richtigen Freundinnen abzugeben, um nicht als Außenseiterin gemobbt zu werden. Über Paulie Fink erfährt Caitlyn im Laufe der Zeit das genaue Gegenteil.
Damit sie Paulie besser kennenlernt, soll sie die einzelnen Mitschüler über ihre Erfahrungen und Erinnerungen mit Paulie befragen. Dabei stellt sich heraus, dass niemand genau weiß, wo er eigentlich gewohnt hat, woher er gekommen ist und warum er die Schule verlassen hat. Alle können jedoch über sein eigentümliches Verhalten und seine zahlreichen Streiche erzählen, mit denen er Direktorin Alice Gliba immer wieder zur Verzweiflung bringen hat können.
Caitlyn beginnt sich allmählich an die neuen Verhältnisse der Mitchell School zu gewöhnen, zu denen neben dem Füttern von Ziegen im Sportunterricht auch das faszinierende Unterrichtsfach „Menschheitskunde“ gehört, das die Fächer Geschichte, Mythologie, Philosophie sowie Sprach- und Literaturunterricht umfasst. Die Fachlehrerin Mags gelingt es, durch ihre unkonventionell Herangehensweise an Platons Höhlengleichnis, Caitlyn zu inspirieren und Bezüge zu ihrem eigenen Leben herzustellen.
Zu den Aufgaben der Schüler der oberen Klassen an der Mitchell School gehört es, sich um die jüngsten Kinder als Pausenpartner zu kümmern. Caitlyn bekommt die schüchterne und kleine Kiera zugewiesen und findet sich nach Anfangsschwierigkeiten immer besser in ihre Rolle als Mentorin hinein. Je mehr sich Caitlyn in die Schule einzupassen beginnt und je mehr sie von Paulie Fink erfährt, umso mehr lernt sie auch über sich selbst kennen und ihr vermisstes Leben an ihrer alten Junior Highschool neu zu beurteilen.
„Die Suche nach Paulie Fink“ setzt sich aus der Sicht einer dreizehnjährigen Schülerin mit den Schwierigkeiten und Ängsten der Pubertät auseinander, ihren Platz in der Gruppe Gleichaltrige zu finden. Rund um Platons Höhlengleichnis wird gezeigt, wie ein Neuanfang Angst bereiten kann, aber auch neue Chancen bietet, die sich durch einen neuen Blick auf die Welt eröffnen.
Ali Benjamin überzeugt in ihrer beeindruckenden Geschichte durch starke und individuell gezeichnete Charaktere sowie eine berührende Handlung vor dem Hintergrund des Alltagslebens an einer Landschule. Erzählt wird die Geschichte von Hilfsbereitschaft, Freundschaft aber auch der Suche nach sich selbst und wie es gelingen kann gut und zufrieden zu leben. Ein überaus empfehlenswerter Kinder- und Jugendroman der junge Leserinnen und Leser, aber auch Erwachsene von Beginn weg durch ihren liebenswerten Charme und Witz zu berühren vermag.
Ali Benjamin, Die Suche nach Paulie Fink. Übers. v. Jessika Komina / Sandra Knuffinke [Orig. Titel: The Next Great Paulie Fink], ab 11 Jahren
München: Hanser Verlag 2021, 352 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-446-26949-1
Weiterführende Links:
Hanser Verlag: Ali Benjamin, Die Suche nach Paulie Fink
Wikipedia: Ali Benjamin (engl.)
Andreas Markt-Huter, 11-05-2022