Tad Williams, Brüder des Windes
„Ich unternehme es jetzt, die Geschichte meines Herrn Hakatri zu erzählen oder jedenfalls die Teile, die ich selbst miterlebt habe, doch noch ehe ich beginne, bin ich schon voller Zweifel. Ich kann die Geschichte meines Herrn nicht erzählen, ohne auch von mir zu berichten, aber ich bin nicht mehr der Pamon Kes, der so lange an seiner Seite gereist ist. Das, was uns widerfuhr, hat mich fast so verändert wie ihn, und ich erinnere mich kaum noch an den, der ich damals war.“ (S. 13)
Pamon Kes, aus dem Volk der Tinukeda’ya, ist der Waffenträger und treue Diener des Zida’ya-Prinzen, Hakatri. Als Kind von seinem Herrn auserwählt konnte er eine Stellung bekleiden, die noch keiner seines Volkes erreichen konnte. Ein unglücklicher und unüberlegter Schwur von Hakatris jüngerem Bruder Ineluki löst eine Katastrophe aus, die das Leben aller Beteiligten dramatisch verändern wird.
Die Geschichte beginnt mit dem Besuch des sterblichen Menschenprinzen Cormach aus dem Königreich Herns bei Hakatris Eltern, und seiner Bitte an die Hüterin der Rituale Sa’onsera Amerasu und dem seinem Volk gegen den ebenso gewaltigen wie gefährlichen Lindwurm, den Schwarzwurm Hidohebhi. Der Lindwurm aus dem Norden hat sich in einer Schlucht am Silberweg sein Versteck gesucht und bedroht seit seiner Ankunft das Land Herns. Enazashi vom Silberheim-Clan hat den Menschen seine Unterstützung verwehrt, weshalb Prinz Cormach nun hier in Asu’a um Unterstützung und Hilfe bittet.
Hakatris Bruder Ineluki glaubt nicht, dass es sich bei dem Lindwurm um den großen Hidohebhi handelt und erklärt sich bereit, die Sterblichen zu begleiten und den Wurm eigenhändig zu töten. Protektor Iyu’unigato, dem die Prahlerei seines Sohnes missfällt, fordert Ineluki zum Schweigen auf und beschließt, die Entscheidung bis zum nächsten Tag zu verschieben. Doch Ineluki fühlt sich gedemütigt und brennt darauf eine Heldentat zu begehen. Allein bricht er am frühen Morgen auf, um den Lindwurm allein zu erlegen. Als Hakatri sein Verschwinden bemerkt, folgt er seinem Bruder mit mehreren Kriegern.
Hakatri und eine Schar Zida’ya-Krieger reiten voraus, um Ineluki einzuholen. Auch Prinz Cormach mit seinen Reitern kann den Trupp schließlich einholen. Da sich alle schon gefährlich nahe dem Versteck des Hidohebhi genähert hatten, drängte Hakatri darauf, rasch wieder zurückzukehren, um eine überlegte Entscheidung zu treffen. Nur Ineluki weigert sich beharrlich umzukehren und drängt darauf den Lindwurm anzugreifen. Dieser erweist sich jedoch als viel gefährlicher, größer und mächtiger als erwartet und tötet zahlreiche Zida’ya unter anderem auch Inelukis Waffenträgerin. Aus einem Schmerz heraus und einem Hass schwört Ineluki Hidohebhi zur Strecke zu bringen, koste es auch sein Leben. Damit setzt er eine tragische Entwicklung in Gang, der auch sein Bruder Hakatri nicht zu entkommen weiß, weil er sein Heldenmut und seine Treue seinen Bruder nicht seinem Schicksal überlassen kann.
Tad Williams bietet in seinem Fantasy-Roman einen Blick in die ferne Vergangenheit Osten Ards, lange vor den Ereignissen rund um den Drachenbeinthron. Es erzählt die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die durch das ungezügelte Temperament des jüngeren Helden in eine hoffnungslose Tragödie geraten. Dabei kommen auch gesellschaftliche Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen zur Sprache und das Spannungsfeld zwischen Treue und Freiheit.
Ein überaus spannend zu lesender Roman aus einer fremden Welt, vor deren Hintergrund sich zahlreiche Tragödien und ein Bruderzwist abspielen und dessen stark gezeichnete Protagonisten einen deutlichen Wandel vollziehen.
Tad Williams, Brüder des Windes. Ein Roman aus Osten Ard, übers. v. Cornelia Holfelder-von der Tann / Wolfram Ströle [Orig. Titel: Brothers of the Wind], ab 16 Jahren
Stuttgart: Klett-Cotta Verlag / Hobbit Presse 2022, 368 Seiten, 25,70 €, ISBN 978-3-608-98503-0
Weiterführende Links:
Klett-Cotta Verlag: Tad Williams, Brüder des Windes
Wikipedia: Tad Williams
Andreas Markt-Huter, 15-11-2022