E. T. A. Hoffmann, Meister Floh
„Es war einmal – welcher Autor darf es jetzt wohl noch wagen, sein Geschichtlein also zu beginnen. »Veraltet! – Langweilig!« – so ruft der geneigte oder vielmehr ungeneigte Leser, der nach des alten römischen Dichters weisem Rat gleich medias in res versetzt sein will.“ (S. 9)
Der Frankfurter Kaufmannssohn Peregrinus Tyß erlebt groteske und merkwürdige Abenteuer, in denen sich Traum und Märchen zu fantastischen Ereignissen vermengen. Verpackt in einer Erzählung mit fantastischen Elementen bringt E. T. A. Hoffmann in seinem „Meister Floh“ seine Kritik und Abneigung am Spitzelwesen und an der staatlichen Willkür mit bissigem Humor zum Ausdruck.
Peregrinus Tyß kommt nach drei Jahre auf Wanderschaft nach Hause und erfährt, dass Eltern mittlerweile verstorben sind. Er wohnt nun allein mit seiner Haushälterin in dem großen Haus seiner Eltern und beginnt sich eine Fantasiewelt zusammenzureimen. Er verschenkt Weihnachtsgeschenke an arme Familie. Bei der Suche nach einem verwechselten Weihnachtspaket lernt er die geheimnisvolle Dörtje Elverdink kennen, die Nichte und Assistentin des Flohbändigers Leuwenhoek, die den Meister Floh sucht.
An einem zweiten Schauplatz spielt die Geschichte des Flohbändigers Leuwenhoek, der einen Flohzirkus leitet, dessen Kunst die Menschen zum Staunen bringt. Als die Flöhe eines Tages mit ihrem „Meister“ verschwinden, beklagt Leuwenhoek seinem Freund Georg Pepusch, dass auch Dörtje Elverdink verschwunden sei. Dabei erzählt er, dass Dörtje eigentlich eine Prinzessin namens Gamaheh aus dem Märchenland „Famagusta“ sei. Der in Dörtje verliebte Pepusch irrt verzweifelt durch die Stadt und erblickt sie zufällig im Haus des Peregrinus Tyß. Als er zu ihr ins Zimmer klettern will, wird er als Einbrecher verhaftet.
Im Haus erscheint Peregrinus mittlerweile Meister Floh, das merkwürdige Oberhaupt des Flohzirkus, das lesen und sprechen kann. Meister Floh erzählt von Dörtjes wahrem Wesen als Prinzessin, die ständig seine Hilfe brauche, um zu überleben. Peregrinus verspricht Meister Floh ihn nicht an Dörtje zu verraten, die sich ebenfalls in seinem Haus befindet. Meister Floh gibt Peregrinus ein Gedankenmikroskop, mit dessen Hilfe er die wahren Gedanken seiner Mitmenschen lesen kann. Als Peregrinus von Abgesandten des Stadtrats verhaftet wird, trifft er im Gefängnis auf Georg Pepusch, der sich immer noch verzweifelt nach der Prinzessin sehnt.
Hoffmanns fantasievolle Erzählung ist bevölkert von merkwürdigen Figuren und Personen, deren Geheimnisse und Ziele allmählich aufgedeckt werden und zusammenlaufen. Dabei durchlaufen die Protagonisten im Laufe der wechselreichen Handlung zahlreiche unerwartete Wandlungen durch.
Eine überaus lesenswerte Neuauflage des alten romantischen Klassikers, das durch die dezente Beibehaltung alter Ausdrucksformen und die künstlerisch gestalteten, scherenschnittartigen Illustrationen einen Hauch vergangener Zeiten mitschwingen lässt.
E. T. A. Hoffmann, Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde, ill. v. Alexander Pavlenko, ab 16 Jahren
Frankfurt a. Main: Edition Faust 2023, 224 Seiten, 24,00 €, ISBN 978-3-949774-15-7
Weiterführende Links:
Edition Faust: E. T. A. Hoffmann, Meister Floh
Wikipedia: E. T. A. Hoffmann
Wikipedia: Alexander Pavlenko
Andreas Markt-Huter, 28-06-2023