Das Kind schaut so lange in den Blumentopf, bis darin Narziss und Narzisse lebendig werden. Was als reine Verzierung des Balkonsimses gedacht ist, entwickelt sich zu einer Tragödie von selbstverliebten bodenständigen Figuren, die ihr Leben lang in sich angewurzelt bleiben.

Andrea Drumbl lässt ihren Roman in einem vegetativen Bogen zwischen Sommer und nächstem Frühjahr ablaufen. Von vorne herein ist klar, dass es gewisse Jahreszeiten gibt, denen man nicht entkommt. Das Schicksal der Menschen läuft ab wie die Zwiebelkomposition von Narzissen, nur dass sich mythologisch zwischendrin Selbstreflexionen bis hin zur Selbstbespiegelung draufsetzen lassen.

Vielleicht erleben wir immer neue Abschnitte bloß deshalb, um die alten zu vergessen.

Stanislav Struhar macht sich mit dem Roman „Das Gewicht des Lichts“ an eine ungewöhnliche Aufgabe heran. Durch die pure Kraft des sommerlichen Lichts versucht ein etwas lebenswackelig gewordener Held wieder Gelassenheit zu finden im Zentrum der eigenen Protuberanzen.

Wir haben jede Menge Lehrbücher für Kinder und Jugendliche darüber, wie man Wissen und Erkenntnis erlangt und eine Persönlichkeit aufbaut, wir haben aber kaum Lehrbücher, die zeigen, wie man das Wissen wieder zur Ruhe bettet und seine Persönlichkeit auflöst.

Jürg Schubiger zeigt mit seiner poetischen Figur eines etwas derangierten älteren Herrn, wie sich vielleicht das Umfeld verändert, wenn eine Persönlichkeit sich in Gedächtnis-Fransen verliert.

Am ehesten kriegt man das Unvorstellbare in den Griff, wenn man es zur Hauptfigur macht, die die Episoden authentisch vorantreibt. So lässt sich die Geschichte manchmal nur von der schwarzen Seite aus beschreiben, wenn die offizielle zu grell überblendet ist.

Michael Poore schickt seinen Satan in Gestalt des Mr. Scratch durch die amerikanische Weltgeschichte, denn die Welt ist amerikanisch, zumindest die teuflische. Mr. Scratch ist fieser Fernsehmoderator und wird ununterbrochen niedergeschossen, was ihm aber nichts  ausmacht, weil er ja der Teufel ist.

Die heutigen Kids sind vom Revolutionsjahr 1968 etwa so weit entfernt, wie es die die damaligen 68er Revolutionäre vom Spartakusaufstand 1919 in Berlin waren. So eine Zeitachse muss man sich durch den Kopf legen, wenn man einen Roman über das Jahr 1968 halbwegs einordnen will.

Siegfried Nitz mildert das Fieber 68 in zweifacher Hinsicht, erstens sind die Protagonisten des Romans noch während ihrer hitzigen Zeit gealtert und zweitens ist die 68er Bewegung nur als verklemmtes Hüsteln nach Südtirol gekommen.

Wenn man bedenkt, dass ein wesentlicher Teil der Geschäftsabschlüsse und Staatsverträge auf den Matratzen entschieden wird, ist es nur allzu logisch, diesem Utensil unter den Lenden eine gewisse staatstragende Kraft zuzusprechen.

Tim Krohn erzählt die Geschichte Europas auf den zwei Quadratmetern einer Matratze, die sich durch die Zeitgeschichte bewegt. In sieben Episoden zwischen 1935 und 1992 wird die europäische Geschichte aufgerollt.

Zum Unterschied vom Roman lassen sich bei Erzählungen oft besonders markant die typischen Erzähl-Fräsungen eines Autors feststellen, weil ja jede Erzählung wieder von null beginnt und jedes Mal der ganze Handwerkskoffer ausgepackt werden muss.

Chris Adrian stellt neun solcher Erzähleinsätze vor, die meist mit einem Vorspann eines Kindes beginnen. Also jemand ist gerade sechs oder neun, dann wird das Markante dieser Figur erzählt, ehe Jahre später dann die Kern-Erzählung einsetzt.

Es gibt keine absoluten Wahrheiten, alles, was wir für wahr halten sind letztlich mehr oder weniger geschickte Arrangements.

Erika Wimmer stellt in ihrem Roman über die „Ansicht eines Dichterinnenlebens“ bewusst Mehrdeutiges, Vages und Relatives in den Mittelpunkt des Erzählens. So genau und bohrend auch recherchiert wird, das Ergebnis ist immer nur eine gewisse Version einer Geschichte zu einer bestimmten Zeit.

Ein kluges Buch wendet sich an die Intelligenz des Lesers und bietet so nebenbei seine Freundschaft an. Wenn das Buch als abgerissener Konsumartikel mit der Brechstange der Werbesemantik auftritt, wird man als Leser vorsichtig.

Bernhard Aichner hat mit seiner „Totenfrau“ einen Durchbruch-Thriller geschrieben, entweder es gelingt ihm jetzt der internationale Durchbruch oder er lässt es in Zukunft bleiben, ist seine Botschaft. Daher geht es in diesem Thriller nicht um eine Geschichte oder eine fiktionale Überlegung sondern um die Anwendung von internationaler Promotion.

Wer glaubt, Tragödien mit elementarer Schicksalsherausforderung könnten nur in hohen Position oder sozialen Randlage auftreten werden, ist wohl in die Irre geführt. Die höchsten Anforderungen an das Leben stellen sich immer aus heiterem Himmel heraus bei Sonnenschein.

In Carsten Ottes Roman „Warum wir“ macht sich ein paar Seiten lang die Idylle breit, ehe es dann richtig losgeht. In einem zeitgemäßen Patchwork-Arrangement freuen sich der Ich-Erzähler Jan und seine Frau Nina auf das Kind, das soeben vom Schwangerschaftstest bestätigt worden ist. Er wird zum ersten Mal Vater und ist aus dem Häuschen vor Glück, sie hat bereits zwei Kinder und blickt eher routiniert in die Zukunft.