Roman

Sofi Oksanen, Als die Tauben verschwanden

andreas.markt-huter - 14.01.2015

„Rosalies Gesicht war in Falten gelegt, die Falten röteten sich, ihre weißen Ränder zerfielen, der Ekel wurde sichtbar, obwohl es nicht zu Rosalies Wesen passte, solche Gefühle zu zeigen, sie war ein lachlustiges Mädchen, aber nein, der Ekel war stärker, er war unüberwindlich.“

Der Roman „Als die Tauben verschwanden“ beschreibt den fortlaufenden Werdegang zweier junger estnischer Männer und ihren Frauen in der Zeit der sowjetischen und deutschen Besatzung im vergangenen Jahrhundert bis herauf in das Jahr 1965, der eine ein Kämpfer, der andere ein sich jeder Macht anbiedernder Opportunist - Verrat und Hintertücke im Kampf mit Loyalität und Liebe.

Reinhard Kocznar, Brandgeld

h.schoenauer - 22.12.2014

Geld hat ähnlich wie Wasser mehrere Aggregatszustände, es kann in seiner Veranlagung fest, flüssig und gasförmig sein. Wenn es seine Besitzer wechselt, wird es oft zu einem heißen Ding, zu Brandgeld eben.

Reinhard Kocznar beschreibt das kriminelle Treiben diverser Anleger in der Provinz anhand von heißem Geld, das als großer Bluff durch die Gassen der Provinzstadt Innsbruck verschoben wird.

Andrea Drumbl, Die Vogelfreiheit unter einer zweiten Sonne

h.schoenauer - 17.12.2014

Die Vogelfreiheit ist ein zweischneidiges Schwert, zwar ist optisch auf den ersten Blick alles eitler Sonnenschein, aber noch vor dem Horizont sind Fallen und dunkle Wolken aufgebaut.

Andrea Drumbl wählt bewusst einen barock-komplizierten Titel, denn ihre Figuren denken die griffigen Bilder aus Kindheit und Glückskunde zu Ende und kommen dabei an den Abgrund der Schönheit. „Die Vogelfreiheit unter einer zweiten Sonne, weil die erst scheint zu schön“ führt hinein in jenes Gebiet, wo das Oberflächliche an seine Grenzen kommt und der Tiefgang von was auch immer beginnt.

Erwin Uhrmann, Ich bin die Zukunft

h.schoenauer - 12.12.2014

Je unübersichtlicher die globale Verknüpfung der Lebensabläufe ausfällt, umso realistischer werden die Robinsonaden, die wir an manchen Tagen wie Überlebensbücher lesen.

Erwin Uhrmann erzählt auf der ersten Ebene von einem Aussteiger, der in die Berge flüchtet. Der Ich-Erzähler Sebastian Leitner hat sein Schicksal zu sehr mit dem Geld verknüpft, nach einer Kreditklemme klemmt es auch in seiner Ehe, seine Kindheit erscheint ihm zerknittert, kurzum, er macht sich auf den Weg ins Gebirge und mietet sich im Berghaus bei einer Frau Dora ein.

Herbert Rosendorfer, Martha. Von einem schadhaften Leben

h.schoenauer - 05.12.2014

In entlegenen Landstrichen herrschen unabhängig von den jeweiligen Regierungen in den Zentren völlig autarke Geister, die in ihrer Hilflosigkeit von den Bewohnern Dämonen genannt werden.

Herbert Rosendorfer stellt in seinem letzten, beinahe vollkommen fertig gewordenen Roman „Martha, Von einem schadhaften Leben“ eine kluge These auf. Während wir in der Geschichtsschreibung immer von politischen Regimen und Quell-erfassten Protagonisten sprechen, regieren in der Peripherie oft ganz andere Mächte. Im Südtiroler Vinschgau sind dies die steinernen Mächte, die unbeirrt von der jeweils gültigen Landessprache ihre Untertanen in der Kunst des Überlebens unterweisen.

Margit Kröll, Zufallsopfer

h.schoenauer - 01.12.2014

Obwohl man Land und Leuten von Tirol letztlich alles zumutet, ist man doch immer wieder überrascht, wenn sich in der Literatur ein Fall zu einem Weltproblem aufschaukelt.

Margit Kröll zeigt in ihrem Hypo-Roman „Zufallsopfer“ recht eindringlich, wie das Verbrechen überall zuschlägt, wo es um Geld geht. Und da es besonders in Tirol Tag und Nacht um Geld geht, ist auch das Verbrechen immer auf dem Sprung zum nächsten Auftritt.

Piersandro Pallavicini, Ausfahrt Nizza

h.schoenauer - 19.11.2014

Da das Leben die Figuren steuert und nicht umgekehrt, kommt es am Lebensende meist zu Entgleisungen der skurrilen Art.

Piersandro Pallavicini kümmert sich in seinem Roman „Ausfahrt Nizza“ um jenen Notausgang, durch den vorzugsweise in der Literatur die Figuren geschleust werden, wenn das Leben verbockt ist und zu Ende geht. Zwei gut abgehangene Ehepaare und ein Witwer als Ehe-Restl rasen in einer Oldie Rallye nach Nizza, um das erlauchte Ambiente, die Restaurants mit Senioren-Touch und die eleganten Kliniken unter Palmen zu genießen.

Lydia Mischkulnig, Vom Gebrauch der Wünsche

h.schoenauer - 17.11.2014

Biographien entwickeln sich selten geradlinig, meist kreisen sie um ein paar Ur-Ereignisse und wer Glück hat erfährt auch noch zu Lebzeiten, worum er kreist.

Lydia Mischkulnig stellt in ihrem Roman „Vom Gebrauch der Wünsche“ ein Männerherz vor, das vor allem von Frauen betreut wird, nachdem es von einem Lebenskünstler enttäuscht worden ist.

Friedrich Hahn, Wie es im Buche steht

h.schoenauer - 10.11.2014

Ein Buch geht üblicherweise nach hinten oder nach vorne los. Nach hinten schauen die Romane wie Tagebücher und erzählen dabei von bereits geschehenen Ereignissen, nach vorne blicken die prognostischen Romane und liefern eine Art Drehbuch, wie die Zukunft ablaufen könnte.

Friedrich Hahn vereint in seinem Roman „Wie es im Buche steht“ beide Erzählrichtungen, zum einen kriegen die Helden ein Schicksal, als ob sie alles realiter erlebt hätten, zum anderen aber steht alles, was noch passieren wird, in einem Buch, das quasi mit Leben abgearbeitet werden muss.

Andrea Drumbl, Narziss und Narzisse

h.schoenauer - 07.11.2014

Das Kind schaut so lange in den Blumentopf, bis darin Narziss und Narzisse lebendig werden. Was als reine Verzierung des Balkonsimses gedacht ist, entwickelt sich zu einer Tragödie von selbstverliebten bodenständigen Figuren, die ihr Leben lang in sich angewurzelt bleiben.

Andrea Drumbl lässt ihren Roman in einem vegetativen Bogen zwischen Sommer und nächstem Frühjahr ablaufen. Von vorne herein ist klar, dass es gewisse Jahreszeiten gibt, denen man nicht entkommt. Das Schicksal der Menschen läuft ab wie die Zwiebelkomposition von Narzissen, nur dass sich mythologisch zwischendrin Selbstreflexionen bis hin zur Selbstbespiegelung draufsetzen lassen.