Unterhaltung

Josef Steinbach, Tibor im Glück

h.schoenauer - 16.04.2017

Den besten Stoff für Literatur bietet allemal das Leben selbst und das verrückteste Glück lässt sich nur in der Literatur finden.

Josef Steinbach nimmt diese Extrem-Achsen der Literatur zum Anlass, um darin einen Fall von Glück zu installieren. Tibor im Glück wird als Vorspann in großen Lettern in das Buch gespiegelt, die Buchstaben ziehen einzeln vorbei, so dass man erst nach ein paar Seiten die Botschaft begreift: Tibor Katar widerfährt das Glück.

Mieze Medusa & Markus Köhle, Alles außer grau

h.schoenauer - 31.03.2017

In der Pionierphase des Poetry Slam waren die Auftritte der Künstler oft ein illuminierter Wutschrei, und die ersten Bücher darüber waren unlesbare Niederschriften leicht depressiver Monologisten. Mittlerweile ist Poetry Slam eine kontinental verbreitete literarische Giga-Form mit eigener Geschichte, mitreißenden Ritualen und ausgewiesenen Experten an Bord.

Mieze Medusa & Markus Köhle zeigen mit ihren „Texten to go“, wie Ambiente, Mobilität und lokale Inszenierung eine Kunstform hervorbringen, die „alles außer grau“ ist.

Sepp Kahn, Ein Bauer auf Kur

h.schoenauer - 29.03.2017

Manche Berufsgruppen eignen sich aus politischen, religiösen oder patriotischen Gründen ganz besonders für die Hervorbringung von Helden. So hat der Arbeiter so lange den Helden gemimt, bis es keine Arbeit mehr gegeben hat, und der Bauer, gefeiertes Liebkind aus dem Ständestaat, ringt schon seit Jahrzehnten mit dem heldischen Abgang vom Hof.

Sepp Kahn kümmert sich stets in satirischer Form um dieses Bauernbild, das ihm an manchen Tagen unter der Hand zusammen-kugelt, noch ehe er es fertig entworfen hat. Unermüdlich wird von einer Welt erzählt, worin die Protagonisten sich zuerst in einem Klischee zeigen, dann aber sich selbst durch Bauernschläue retten und dem Publikum zeigen, dass sie noch Herr der Lage sind.

Markus Köhle, Kuhu, Löwels, Mangoldhamster

h.schoenauer - 13.02.2017

Wenn überall in den Labors Pflanzen, Tiere und Menschen zusammengeklont und genetisch umformatiert werden, dann braucht es wohl einen, der im Sprachlabor das passende Material herstellt. Diesen Teil hat der Sprachkünstler und -erfinder Markus Köhle übernommen.

Markus Köhle setzt aus bewährten Tiersilben neue Tiere zusammen und stellt sie wie einst Grzimek mit einer Fallgeschichte vor. Sabine Freitag zeichnet aus bewährten Tierkörperteilen neue Tiere, die im schlimmsten Fall fröhlich, aber nie monströs wirken.

Herbert Dutzler, Bär im Bierkrug, Gott und Teufel

h.schoenauer - 10.02.2017

Der Reiz von Kriminalerzählungen liegt vor allem darin, dass sie zeigen, wie jede mögliche oder unmögliche Situation entgleisen und zu einem Kriminalfall werden kann. Gerade Österreich, das Land der Dauerentgleisungen, entwickelt sich zunehmend zu einem Paradies für Kriminalschriftstellerinnen.

Herbert Dutzler, der immer wieder als die Kriminal-Seele Österreichs bezeichnet wird, deutet in den vierzehn Kriminalgeschichten an, woraus das Land besteht, wenn man seinem Geflüster zuhört: aus verzwickten, verdrossenen und verdroschenen Kleinkrämerseelen, die sich durch den Alltag retten müssen. So kaputt kann es freilich gar nicht zugehen, dass nicht einer der Beteiligten lachen müsste, und sei es nur der Leser.

Reinhard Kocznar, Machtblind

h.schoenauer - 18.01.2017

Viele Kriminalfälle entstehen ja dadurch, dass die Wortwahl oft völlig divergierende Deutungen eines Sachverhaltes zulässt. Machtblind kann heißen, dass jemand wegen seiner Macht blind wird, oder aber, dass jemand gegenüber der Macht blind wird.

Reinhard Kocznar wählt zwar die Form des Kriminalromans, damit alles wenigstens halbwegs eine Ordnung hat, in Wirklichkeit aber beschreibt er das diffuse Treiben rund um mysteriöse Geschäfte, wo alles unsicher ist und nur Wörter wie Knarre oder Kohle Stabilität verheißen. „Er haute ab, als die Knarre sprach.“ (126)

Friedrich Hahn, Von Leben zu Leben

h.schoenauer - 27.12.2016

In einer Welt voller Vernetzung und großer Stückzahl von schlichten Gedanken ist die solitäre Individualität vermutlich das höchste Lebensgut und vielleicht der letzte Lebenssinn.

Friedrich Hahns großes Thema ist das Entstehen von Sinn durch Schreiben. Im Roman „Von Leben zu Leben“ geht er der Frage nach, ob sich diese Identitätsbeschaffung als Beruf ausüben lässt, was den Beruf des Schriftstellers neu definieren würde.

Christopher Morley, Eine Buchhandlung auf Reisen

h.schoenauer - 03.11.2016

Bis herauf zur Jahrtausendwende sind in Österreich am flachen oder steilen Land noch fliegende Bibliothekare unterwegs gewesen, die die öffentlichen Büchereien fallweise mit Lesestoff versorgt haben. Klassische Bücherbusse sind noch in Salzburg und Graz unterwegs , worin sich das Publikum in den Vororten mit Literatur eindecken kann.

Christopher Morleys hundert Jahre alter Roman „Eine Buchhandlung auf Reisen“ gilt allen mobilen Leseeinrichtungen als augenzwinkernd gehaltenes Vorbild. Ein Professor und Büchernarr aus der Stadt fährt aufs Land, um seinen Parnassus samt Pferd Pegasus dem Landwirt Andrew zu verkaufen. Doch da fährt dessen Schwester Helen dazwischen und kauft den Pegassus selbst, denn sie will endlich in die Welt hinaus und lesen.

Reinhard Kleindl, Baumgartner und die Brandstifter

h.schoenauer - 30.08.2016

Wenn die Sinnesorgane auf Verbrechen eingestellt sind, entdecken sie überall und in den idyllischsten Lagen jenen Rauch, der bei Verbrechen gerne aufsteigt.

Reinhard Kleindl ist mit seinem Krimi-Helden Baumgartner literarisch raffiniert unterwegs. Dadurch, dass Baumgarnter wie alle österreichischen Beamten vom Hocken sehr müde und derangiert ist, braucht er nur die halbe Zeit im Einsatz zu sein. Auch im neuen Krimi kommt er erst in der zweiten Ermittlungshalbzeit zu seinem Auftritt, völlig von Tabletten niedergerungen und auch sonst nur bei losem Verstand.

Roland Zingerle, Ein Mord am Wörthersee

h.schoenauer - 16.08.2016

Gegenden, die von Menschen mit gedämpftem Selbstbewusstsein bewohnt werden, tragen gerne verrückte Sportarten aus. So wird der grenzwertige Macho-Dolomiten-Mann naturgemäß in Osttirol ermittelt, während der Kärntner Ironman am Wörthersee sich durch deftiges Kraulen und Strampeln hervortut.

Roland Zingerle setzt seinen Grenzgänger-Krimi idealerweise mitten im Gewusel rund um den Ironman am Wörthersee ab. In dieser Gegend geht man mit Geschäften und sich selbst volles Risiko. So hat es in den letzten beiden Jahren jeweils einen Toten gegeben, was weiter nicht schlimm ist, gehört doch das Sterben mit heraushängender Zunge zu den besonderen Belohnungen des Ironman. Aber für die beiden Opfer ist jeweils eine Lebensversicherung fällig geworden, und das macht selbst Kärntner Versicherer stutzig.