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Wenn gar nichts passiert, ist es meist ein Gedicht, heißt es im Volksmund. Auf der Skala von dynamischen Prozessen nämlich ist die Lyrik ziemlich im Randbereich der Ruhe angesiedelt.

Judith Nika Pfeifer nennt ihre Texte weder Gedichte noch Lyrik, „manchmal passiert auch gar nichts“ ist mit gut dreißig Gattungsbezeichnungen ausgemalt, wovon vielleicht der Begriff Leihworte am heftigsten herausleuchtet. Leihworte sind zum einen geliehene Worte, in der Spezialausführung als Trademarke sind sie eine Hommage an den Südtiroler Performance-Lyriker Jörg Zemmler, der das Motiv in den Vordergrund rückt, dass letztlich alles nur geliehen ist.

Jeder Familienverband lebt davon, dass die einzelnen Mitglieder ein Narrativ entwickeln, worin geschönte Lebensläufe eine Art gelungenen Zusammenhalt zum Ausdruck bringen.

Gesa Olkusz nennt ihren Roman vielsagend „Legenden“, darin werden die Figuren der Vergangenheit oft heiliggesprochen und schön geredet, damit sich die Gegenwart halbwegs aushalten lässt. Held dieser Legenden ist ein gewisser Filbert, der gespalten in Ich-Perspektive und Außensicht durch Berlin strolcht auf der Suche nach Arbeit, Bleibe und Identität.

Alle Bücherfans sind von diesem Titel magisch angezogen: Tief sind wir gestapelt! Vor dem Auge tun sich Bücherstapel auf, die eine Welt versprechen, tief hineingestapelt bis ins Erdinnere.

Christian Steinbacher ist ein Meister der kleinen semantischen Drehung. Wie von einem Hör- oder Sehfehler gesteuert nehmen die Bedeutungen plötzlich einen anderen Weg, obwohl sie an der Oberfläche keine Irritationen aufweisen.

Was tut sich eigentlich täglich am Rand des Systems und kann man den Rand von der Mitte aus beschreiben oder gar verwalten?

Harald Darer sticht mit seinem Roman „Herzkörper“ in jene Wunden, die sogenannte Außenseiter für die Harmonie-bedürftige Mitte jeweils darstellen. Schon der Titel Herzkörper deutet darauf hin, dass hier ein Wärmeaustausch zwischen Emotionen und sozial- thermischen Heizkörpern stattfinden soll.

Es geht nicht um Gefühle, es geht um das Leben. – Nicht immer ist eine Generation imstande, ihre Absichten halbwegs klar zu formulieren.

In J. F. Dams Roman „Die Nacht der verschwundenen Dinge“ versucht ein erfolgreicher Architekt, das Leben wie einen Prestige-Bau zu entwickeln und zu vollenden. Im Grundkern ähnelt dieses Unterfangen dem „Homo faber“ von Max Frisch, der trotz aller Umtriebigkeit auf allen Kontinenten die Liebesangelegenheiten in intimster Aura nicht auf die Reihe bringt.

Je bürgerlicher und biedermeierlicher die Regeln sind, umso lautloser fällt das Aufbegehren gegen die Konvention aus. Der Widerstand spielt sich nur im Hinterkopf im Aberland ab, wo ab und zu zynische Formulierungen entstehen.

In Gertraud Klemms Roman „Aberland“ versuchen Mutter und Tochter in ihren Jahrgangskapseln eingeschlossen mit dem Gesellschaftsstrom mit zu schwimmen, ohne anzuecken und das eigene Wohlbefinden zu gefährden. Heldinnen dieses Abwehrkampfes in einem trivialen Leben sind Elisabeth, 58, aus ihrer Sicht wird in den geraden Kapiteln erzählt, und ihre Tochter Franziska, 35, ihr gehören die ungeraden Auftritte.

Lyrik muss sich fallweise eine eigene Bahn durch morastiges Gelände bahnen, dabei besteht ihre Widerstandskraft darin, dass sie sich mitten durch den Alltag eine tragfähige Spur bahnt, ähnlich einem Schneeflug, der alles für die Fahrt am Morgen freihält.

Annemarie Regensburger ist die große Widerstandskräftige Tirols, mit ihren Dialektgedichten hält sie den Oberflächlichen einen Tiefenspiegel vors Gesicht, mit ihren raren spitzen Epigrammen setzt sie den Floskeln auf den Wegwisch-Displays Grenzen, mit ihren Ermunterungen aus dem der Mitte des Alltags räumt sie verlässlich das Dickicht beiseite, um mit klaren Sätzen durchzustoßen auf die Hinterseite der oft rasch ausgesprochenen Vorurteile. 

Mit dem berühmten starken Anfangssatz brennt sich ein Roman unauslöschlich in das Gedächtnis der Leserschaft. „Jeden Sonntagmorgen, seit 1998, wachte Samuel Bly alleine auf und masturbierte.“ (9)

Nicht nur wegen dieses starken Auftritts des Helden Samule Bly ist Martin Kolozs Roman „Ein Funke Leben“ eine unvergessliche Angelegenheit, das Kammerstück über Trauer, Sinn des Lebens und Verlöschen des Daseins in der dahin strömenden Zeit bremst den bloßen Tagesablauf und implementiert quer gelegte Gedanken.

Das Glück ist einerseits durch einfache Bilder ausgeflaggt und zwingt andererseits den Glücksuchenden zu unendlich ausufernden Schleifen, und zu allem Überdruss ist das Ende offen.

Der Glücksuchende im Hypo-Roman „Solange noch Blätter auf den Bäumen sind“ sichert sich gleich mehrfach gegen allzu eindeutige Entlarvungen seines Tuns ab.

Während die große Literatur wie massive Brückenpfeiler in das wilde Wasser der Gegenwart gerammt ist, sind die Miniaturen am ehesten mit dem Fugenkitt rund um wasserdichte Erlebnis-Elemente zu vergleichen.

Johannes Twaroch nennt seine Kurzprosa stilles Strömen der Zeit, unter der großen Fläche von Weltnachrichten perlen immer diese Minutentexte hervor, oft nur bemerkbar, wenn man als Leser eine Auszeit nimmt, und sei es für Minuten.