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Ein Konflikt wird ja für die Literatur erst dann interessant, wenn er vollends ausgebrochen ist. Und wenn dann wie im Falle der Killing Fields das Desaster gigantisch wird, kann es mit Worten erst wieder nicht eingefasst werden.

Peter Fröberg Idling legt seinen Gesang für einen aufziehenden Sturm ins Kambodscha des Jahres 1955. Die Franzosen sind abgezogen und „haben keine erfahrene Wählerschaft hinterlassen.“ (146) Im Wahlkampf kommt es zu Übergriffen aller Art, Chaos wird geschürt und dennoch kristallisieren sich zwei Stränge heraus, die bodenständige Prinzen-Partie und die kommunistische Partei. Nach der Röte ihres Programms nennen sie sich Khmer rose und Khmer ruge.

In der Geschichte gibt es meist einen Mainstream, aus dem dann Sackgassen abbiegen und im puren Vergessen enden. Nach jeder Friedenskonferenz gibt es Sieger und politische Gebilde, die sprichwörtlich von der Landkarte verschwinden. Wo gehen all diese Staaten hin, die oft mit großer Hingabe gegründet worden sind?

Norman Davies stellt unter dem magisch schönen Titel „verschwundene Reiche“ fünfzehn Reiche vor, die in Europa teils über Jahrhunderte, teils nur eine Nacht lang eine Rolle gespielt haben. Dabei werden diese versunkenen Polit-Schätze in drei Schritten aufbereitet. Im ersten gibt es eine Darstellung der Gegend und der Gesellschaft, wie sie aus heutiger Sicht erkennbar ist, wenn man darüber etwa einen Touristen-Prospekt zu Rate zieht. Im zweiten Teil kommt das „vanished kingdom“ zu Wort, wie es sich damals dargeboten hat. Und im drittel Teil wird untersucht, was davon in Erinnerung geblieben oder vergessen ist.

Die wirklich harte Erziehung für das Leben muss man sich selbst verpassen, da darf man sich auf niemanden verlassen.

Antonia Baum startet ihren Erziehungsroman der anderen Art mit einem Motto, das alle Pädagogen schmerzt. Der Vater sagt den Kindern, er hätte sich allein und ohne fremde Hilfe selbst erzogen! Damit ist auch das Figuren-Set abgesteckt, Vater Theodor arbeitet sich der Reihe nach durch Modeberufe durch und ist daher Arzt, Künstler und Autohändler in einem. Oft ist er alles gleichzeitig, wenn er sein Restaurant Theodor nennt und sich quasi als Protagonist ins eigene Programm steckt.

Wenn ein Jahrhunderte altes Gesellschaftsmodell zerfällt, helfen oft nur mehr alt-biblische Sprüche, um das Chaos darzustellen.

Der ungarisch-siebenbürgische Schriftsteller Miklós Bánffy verwendet für seine Siebenbürgische Untergangs-Trilogie die drei frei formulierten Bibel-Zitate „Du wurdest gewogen“, „Und für zu leicht befunden“ und „In Stücke gerissen“. Die drei Romane lassen sich auch einzeln lesen und beschäftigen sich mit den letzten Dezennien der Doppelmonarchie. Was für Österreich die Kastration von Versailles darstellt, ist für Ungarn der Friedensvertrag von Trianon 1920, in dem alles Bisherige zerrissen wird.

Wer sich eine Vorstellung von seinem eigenen Lebensglück machen will, muss unbedingt einen Stammbaum anlegen. Nichts ist so verlässlich für die Karriere wie ein rechtwinklig abgezwickter Stammbaum.

In O. P. Ziers Roman „Komplizen des Glücks“ ist am Ende ganz im Stile von Dynastien der  Stammbaum der Wirrings aufgezeichnet. Klitzeklein sind Ein-Kind-Generationen verknüpft und einmal geht sich sogar ein kleiner Seitensprung aus. Diese Skizze zeigt das Thema des Romans, es geht um das kleine Glück, um Ein-Kind-Familien, Ordnung und Würdigung des jeweiligen Zeitgeistes.

Manche Gegenden sind so zerfleddert und zerlegt, dass sie nur mit einer Naht quer durch das Herz zu einem Bild zusammengeflickt werden können.

Andrzej Stasiuk schreibt vornehmlich über Grenzen, entkoppelte Gebiete, aus der Gravitation gefallene Gesellschaften. Der aktuellen Sammlung von knapp fünfzig Fernweh-Geschichten sind sechs Richtschnüre vorgespannt, wie man sich diesen Emotionen nähern könnte.

Wenn jedes zweite Buch, das erscheint, ein Thriller ist, dann muss zwischendurch die Thriller-Paste auf Laborproben gedrückt und analysiert werden.

Herbert J. Wimmer, der Meister der fiktionalen Untersuchungen mit fiktionalen Mitteln, tut sich in der Irritation „Tote im Text“ die Mühe an, aus Hunderten von Mustern einen Ur-Thriller herauszudestillieren und diesen gleich zu einem Giga-Knüller aufzublasen. Denn je größer der Fall, umso größer die Spannung, oder doch nicht.

„Je mehr wir das digitale Netzwerk von heute nutzen, umso weniger wirtschaftliche Werte schafft es. Es sorgt sich nicht um ökonomische Gerechtigkeit, sondern ist der Grund für die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich und für die Aushöhlung der Mittelschicht.“ (7f)

Der Traum der Gründerjahre scheint endgültig geplatzt zu sein, wo in das Internet noch die Hoffnung auf den endgültigen Sieg der Demokratie gesetzt wurde, der durch eine pluralistische, für alle zugängliche Informations- und Meinungsfreiheit, fernab von staatlicher Kontrolle erreicht werden sollte. Heute, rund 25 Jahre nach dem Start des World-Wide-Webs hat das „freie“ Internet zu einer radikalen Umstrukturierung der Wirtschaft geführt, die hierarchisch strukturiert, monopolisiert und von einer neuen Oligarchie beherrscht wird.

Eine Altherrenrunde, die sich regelmäßig dem Canasta hingibt, ist wahrscheinlich das Stabilste und Staatstragendste, was einem Staat wie Österreich passieren kann.

In Jürgen Genthners „Therapienovelle“ versammeln sich regelmäßig vier Typen Marke Hofrat um den Canasta-Tisch, alle haben es in jene Sphären der Macht geschafft, wo einem nichts mehr passieren kann und wo dann auch nichts mehr passiert.

Wenn sich Siebzehn-Silber über das Land legen, naturgemäß silbrig, denkt die lyrische Seele an dieses fernöstliche feine Netz, das dort in Gestalt von Haikus Nächtens über die Hügel gelegt wird.

Joachim Gunter Hammer steckt seinen Kosmos im steirischen Hügelland unter die magische Silbendecke und bestrahlt alles mit poetischen Partikeln, die dem Kürbis den letzten Glanz verleihen.