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Filmtitel sind oft für eine Epoche so prägend, dass ihre Schlüsselwörter sich wie ein visueller Ohrwurm in den Zeitgenossen festsetzen. „Der Himmel über Berlin“ überstrahlt seit 1987 als poetische Äußerung alles, was mit Himmel und Berlin zusammenhängen könnte.

Peter Reutterer setzt seine Gedichte mit Geschichten in zwei Kapiteln auf die Fundamente dieser Himmel-Berlin-Poesie.

Entlegene Inseln müssen einen besonders ausgeprägten Heimat-Magnetismus haben, sonst würden ihre wenigen Bewohner sofort ins Meer oder in die Welt hinaus gespült werden.

Peter May zeigt anhand eines Mordfalles auf der Hebriden-Insel Lewis, wie diese harte Gegend ihre Krallen in das Fleisch der Bewohner knallt und nicht mehr los lässt. Der ehemalige Lewis-ianer Fin muss sein Leben umkrempeln, er tritt aus der Polizei in Edinburgh aus, lässt sich aus einer irreparablen Ehe scheiden, als sein Kind tödlich überfahren wird, und sucht seine Wurzeln auf der Insel auf, um vielleicht wieder Halt zu gewinnen.

Egal ob auf dem Notizblock als knisternder Gestus aufgekritzelt oder auf einem Display als üppiger Fingerzeig ausgewischt: wenn man einen Strich zieht, kommt darunter ein Ergebnis zu liegen, egal wie richtig oder falsch es ausgefallen ist.

Friedrich Hahn setzt als Künstler des Wortes und des Bildes seine aktuellen Werke vorsichtshalber gleich unter den Strich und lädt die Leserschaft dazu ein, sich den Weg zu diesem Ergebnis auszumalen. Dabei verwischen sich die Gattungen Schrift, Bild, Collage zu einer Performance, die sich „Bilder zum Lesen / Texte zum Schauen“ nennt.

Als das dickste Genre der Literatur gilt allenthalben die SF-Literatur. Insider führen diese gewaltigen Romane darauf zurück, dass in der SF nichts selbstverständlich oder irdisch ist und von der Schwerkraft angefangen alles neu erfunden und beschrieben werden muss.

Dietmar Dath verwendet in seinem Roman „Feldeváye“ (ausgesprochen: Feldeweihe) die Sciencefiction dafür, den ganzen Krimskrams der üblichen Fiktion auszublenden, um sich voll und ganz seinem beinahe entmaterialisierten Essay über die Kunst widmen zu können.

Wenn das historische Fundament fehlt, wird aus einer aktuellen Nachricht bald einmal eine Schlagzeile, die ins Leere führt. Über den afrikanischen Kontinent weiß unsereins oft beinahe nichts, weshalb uns die einzelnen Nachrichten nur als Ansammlung von Katastrophen und Unglücken erreichen.

Doris Byer stößt mit ihrem Buch Mali in dieses historische Brachland vor und legt als Anthropologin Material vor, das es an Umfang und Konsistenz durchaus mit dem Clan der Wittelsbacher oder Habsburger aufnimmt. Der Kunststaat Mali nämlich ist ein Produkt der Kolonialzeit und wie ein schlechter Witz auf die gewachsenen Strukturen diverser afrikanischer Reiche darübergelegt. So sind etwa die klassischen Reiche Wagadu, Mali und Gao mindestens so groß wie halb Europa, ihre Erforschung würde ebenso viel Stoff wie die Erforschung Europas hergeben.

Wer keine Klischee-freien Daten hat, ist gezwungen, Klischees zu übernehmen. Im Falle Bayerns bedeutet das eine riesige Lederhose, die das schwarze Loch der Einheitspartei nur zaghaft bedecken kann.

Martin Wittmann steuert diesen Vorurteilen entgegen, indem er in Wort und Bild, englisch und deutsch alles aufblättert, was irgendwann einmal erhoben, erforscht oder für einen Quiz erfunden worden ist. Denn letztlich funktioniert Wissensvermittlung oft nach der guten alten Quiz-Methode, indem man so lange verrückte Fragen stellt, bis die entsprechend verrückte Antwort auftaucht.

Heftige Liebe dauert oft über Jahrzehnte an, vor allem, wenn sie abrupt beendet wird.

Gabriele Weingartner schickt im Roman „Die Hunde im Souterrain“ das Liebespaar Felice und Ulrich durch die akademische Welt Berlins der 1970er Jahre. Während sie zu einander zu finden versuchen, sind sie umtost von weltpolitischen Angelegenheiten und dem Strom der Weltliteratur, worin sie heftig lesen und zitieren. Immerhin startet er gerade eine akademische Karriere als Politologe, während sie sich überlegt, ob eine Dissertation über Hermann Broch günstig sein könnte für wen auch immer.

„Es heißt oft, die Vergangenheit sei ein anderes Land, und in den zurückliegenden rund 550 Jahren, die in diesem Buch behandelt werden, hat man vieles anders gemacht als in der Gegenwart.“ (27)

Der irische Historiker Brendan Simms zieht Mitteleuropa und im speziellen den deutschen Raum in den Fokus seiner historischen Betrachtungen. Wegweisend bemerkt er gleich zu Beginn seiner Darstellung: „Das vorliegende Buch ist keine Geschichte Deutschlands, sondern eine deutsche Geschichte Europas.“ (9)

Trotz aller Bemühungen um eine ausgewogene Geschichtsvermittlung, schaffen es Andreas Hofer mittlerweile auf diverse Käseverpackungen und Zu Mantua in Banden in die Hitlisten diverser Landtage, von einer Geschichte der Juden in Tirol weiß hingegen kaum jemand etwas.

Horst Schreiber stellt vor das Porträt des Abraham Gafni daher einen historischen Essay über das jüdische Leben in Tirol. Und da kommt es gleich zu einer Begegnung zwischen dem Mythos Andres Hofer und dem jüdischen Leben. Als die Hofer-Bande 1809 Innsbruck wieder erobert, grölt sie durch die Altstadt und macht sich über die wenigen Juden her, die in Innsbruck damals ansässig sind. Quasi zur Belohnung dichtet 1831 Julius Moser, ein deutscher Burschenschafter mit jüdischen Wurzeln, das berühmt-berüchtigte „Zu Mantua in Banden“ zusammen“. (14)

In einer Gesellschaft, in der an manchen Tagen ausschließlich Börsen-orientierte Kalkulationen als Gedankengänge zulässig sind, haben es Diskurse über alles, wo keine Zahlen vorkommen, ziemlich schwer.

Günther Oberhollenzer legt sich die Latte gleich doppelt hoch, verwendet er doch Begriffe wie Liebe und Kunst, die mit Zahlenmaterial natürlich nicht zu bewältigen sind. Seine drei Grunderfahrungen zum Thema stammen aus einem aufwühlenden Studium der Kunstgeschichte in Innsbruck, aus seinen kuratierenden Tätigkeiten unter anderem in Südtirol und seiner „Hausaufgabe“ am Essl Museum.