Belletristik und Sachbücher

Alexander Widner, Stark wie ein Nagel

h.schoenauer - 18.10.2016

Aufregende Bücher können seltsame Reaktionen auslösen, wie etwa, dass Dichter neidvoll wünschen, dieses Buch selbst geschrieben zu haben. Meist verschwinden diese Bücher gleich wieder, weil sie zu gefährlich gut sind.

Im Falle von Alexander Widner ist sein Hammer-Roman vom Nagel jetzt nach zwanzig Jahren wieder stark und spitz als Wieser-Taschenbuch greifbar. Und noch immer frisst der Neid Autoren wie Josef Haslinger, der dieses Buch gerne selber geschrieben hätte.

Markus Schauer, Der Gallische Krieg

andreas.markt-huter - 16.10.2016

„Wo schreibt Caesar Geschichte, wo erfindet er sie – und macht das, wenn Worte Tatsachen schaffen, überhaupt einen Unterschied? Diese Fragen stehen stets im Hintergrund, wenn im vorliegenden Buch Caesars Schrift über den Gallischen Krieg, die als eine Stück Weltliteratur gelten muss, vorgestellt und in ihrer raffinierten Machart vor Augen geführt wird.“ (9)

Wohl alle, die in der Schule Latein gelernt haben, sind im Laufe des Unterrichts mit Caesars Werk über den Gallischen Krieg konfrontiert worden. Aber auch für allen andere gilt Caesar als einer der großen Feldherrn der Weltgeschichte. Wie sehr sich Caesar selbst dazu stilisiert und mit welch raffinierten literarischen Mitteln er seinem Kampf um die Macht, jenseits des großen Waffengetümmels ausgefochten hat, zeigt der Altphilologe Markus Schauer überaus eindrücklich in seiner Monographie „Der Gallische Krieg – Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk“.

William Trevor, Ein Traum von Schmetterlingen

h.schoenauer - 13.10.2016

Mit Meistererzählungen wird meist ein Meister geehrt, der für eine Werkausgabe noch nicht tot genug ist, beim Publikum aber bereits das Gütesiegel „zeitlos“ erworben hat.

William Trevor wird wegen seiner Bedächtigkeit oft der Bildhauer der Worte genannt. Neben seinen über zwanzig Romanen, in denen sich meist Helden so in sich entfaltet haben, dass sie kaum noch etwas außerhalb ihrer Reichweite mitbekommen, sind es vor allem die Kurzgeschichten, in denen die Zeit eingefroren wird an einem x-beliebigen Punkt der Biographie mit wenig Aussicht auf Veränderung.

Matthias Politycki, Dies irre Geglitzer in deinem Blick

h.schoenauer - 11.10.2016

Im Volksmund wird das Geglotze, das sich die Helden an der Bar kurz vor dem Umsinken in das Antlitz schmieren, lyrischer Blick genannt. Feiner ausgedrückt handelt es sich dabei um „dies irre Geglitzer in deinem Blick“.

Matthias Politycki lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er das lyrische Handwerk beherrscht. Aus dieser Kompetenz heraus gibt er seine 111 Gedichte in eine Umrahmung, die vorne aus dem idealen Gedicht herausträufelt und hinten mit einem Kellner beschlossen wird, der alles abräumt und die Bude morgenfertig macht.

Alexander Kluge, Kongs große Stunde

h.schoenauer - 09.10.2016

Auf der Überfahrt nach New York, wo der Groß-Affe mit großem Gewinn zur Schau gestellt werden soll, wird dem Kapitän des Schiffes Angst und Bang, weil Kong jederzeit alles zerdeppern könnte.

Alexander Kluge erzählt seit Jahrzehnten Geschichten, denen man nicht entkommt. „Kongs große Stunde“ erklärt in einem kurzen Vorspann, welche Mächte zutage treten, wenn man das eigene genetische Material zur Schau stellt. Und dann folgt nichts weniger als die Geschichte der Menschheit, entflochten und aufgedröselt in die Geschichten von Kong, die unmittelbaren Geschichte der Kluges in Halberstadt und in Geschichte der Gegenwart zerfleddert in tausende Kanäle.

Neil MacGregor, Shakespeares ruhelose Welt

andreas.markt-huter - 06.10.2016

„Von Napoleon stammt die berühmte Feststellung, dass wir, um einen Menschen zu verstehen, die Zeit verstehen müssen, in der er oder sie zwanzig war. Dieses Buch möchte nicht einzelne Menschen verständlich machen, sondern eine ganze Generation – Menschen, die um 1560 in England geboren wurden.“ (16)

Neil MacGregor, Kunsthistoriker und Direktor des British Museum entführt seine Leserinnen und Leser in die Welt des William Shakespeare, in die Welt seines Publikums, als zum ersten Mal seit dem antiken griechischen Theater wieder Menschen aller Schichten Anteil nahmen an den Tragödien und Komödien der Dichter ihrer Stadt und damit selbst als Protagonisten der Theaterstücke interessant wurden. Anhand zahlreicher Gegenstände aus der Welt Shakespeares lässt MacGregor den Alltag der Menschen zur Zeit Shakespeare für seine Leserinnen und Leser wieder zum Leben erwachen.

Margarita Kinstner, Die Schmetterlingsfängerin

h.schoenauer - 04.10.2016

Oft fußt die Freiheit auf einer gelungenen Zeremonie der Befreiung. Wer frei ist, kann überall heimisch werden.

In Margarita Kinstners Roman „Die Schmetterlingsfängerin“ befreit sich zu Beginn ein Geschwisterpaar von sämtlichen Altlasten der Emotion, indem es den Kater Isidor würdig bestattet. Wer von einem Tier so gelungen Abschied nehmen kann, ist letztlich für alle Herausforderungen geeicht.

Axel Karner, Der weiße Zorn

h.schoenauer - 02.10.2016

Von den Geschlagenen, wie die Beatniks jenseits aller Epochen genannt werden, haben wir gelernt, dass ungeheurer Zorn nur mit dem Langgedicht halbwegs ausgedrückt werden kann. Ein Langgedicht hat keinen Anfang und kein Ende und umkreist wie eine Möbiusschleife sich selbst.

Akel Karner macht mit einem Langgedicht diesem weißen Zorn Luft, der vermutlich jeden Künstler heimsucht, wenn die Schaffenskrise nicht mehr weg geht und alles in Frage stellt. Weißer Zorn ist dieser Zustand der verdichteten Zeichenlosigkeit, wie er in der Informationstechnik als weißes Rauschen auftritt.

John Hattie, Lernen sichtbar machen

andreas.markt-huter - 30.09.2016

„Lernen ist etwas Spontanes, Individualistisches und wird oft nur durch Anstrengung erlangt. Es ist ein zeitaufwändiger, langsamer, schritt- und stoßweißer Prozess, der einen eigenen Fluss entwickeln kann, der aber auch Leidenschaft, Geduld und Aufmerksamkeit für das Detail erfordert (sowohl von der Lehrperson, als auch von der bzw. von dem Lernenden).“ (2)

Wohl kaum eine pädagogische Arbeit hat in den letzten Jahren im Bildungsbereich für so großes Aufsehen gesorgt wie John Hatties Mammutstudie „Visible Learning“ zum Thema guter Unterricht. In dieser werden die Ergebnisse von 736 Meta-Analysen aus mehr als 50.000 Studien mit vielen Millionen Lernenden verarbeitet und aufgezeigt, welchen Einfluss bestimmte Methoden und ihre Kombinationen auf den schulischen Unterricht haben.

Christine Hochgerner, Warum Anna in fremden Taschen stöbert

h.schoenauer - 27.09.2016

Je ordentlicher ein Leben verläuft, umso leichter entgleist es. Was bei einer chaotischen Lebensführung als Geniestreich durchgeht, führt bei einem Ordnungsfreak zu einer Lebenskrise.

Christine Hochgerner schickt in ihrem Roman von der Taschen stöbernden Anna die Heldin in jenen Windkanal, in dem vorerst theoretisch das Pensionsgebläse angeworfen wird. Anna geht auf den sechzigsten Geburtstag zu, sie arbeitet als Assistentin in der Zahnarztpraxis ihres Mannes und die Pensionierung wird wohl ihr Leben umkrempeln, vermutet sie.