Belletristik und Sachbücher

Johannes J. Voskuil, Das Büro. Direktor Beerta

h.schoenauer - 30.04.2013

Manche Bücher begleiten einen ein Leben lang, religiös veranlagte Menschen sagen Bibel dazu, Menschen, die in der Bürokratie arbeiten, sagen Büro dazu.

Johannes J. Voskuil hat ein Leben lang in einem Amsterdamer Institut für Volkskunde an der Erstellung eines gigantischen Zettelkatalogs gearbeitet. Nach seiner Pensionierung hat er sich auf knapp fünftausend Seiten die erlebte Welt von der Seele geschrieben, sein Roman „Das Büro“ hat in den Niederlanden zu einer Welle geistigen und emotionalen Aufruhrs geführt. Der erste Band, Direktor Beerta, ist 2012 auf Deutsch erschienen.

Olga Martynova, Von Tschwirik und Tschwirka

h.schoenauer - 29.04.2013

Lyrik ist für manche Literaturliebhaber der Inbegriff an Fiktion und Dichtung, für die pragmatischen Literaturproduzenten freilich oft das, was beim Dichten übrig bleibt.

Olga Martynova hat für ihren Roman „Sogar Papageien überleben uns“ die Phantasie dermaßen extrem ausgereizt, dass manche Teile nicht mehr im Roman Platz hatten. Diese von der Logik fortgesprengten Poesie-Kapseln sind schließlich neben einem Text über die Oberiuten und dem russischen Dichter Alexander Wwedenskij (1904-1941) als Gedichte von Tschwirik und Tschwirka in der Literatur gelandet.

Markus Koschuh, Voulez-vous Koschuh avec moi?

h.schoenauer - 25.04.2013

Seit Markus Koschuh ein abendfüllendes und staatstragendes Stück über das Unwesen der Tiroler Agrargemeinschaften geschrieben hat, wirken auch seinen kürzeren Texte aus der Tiefe des Alltags wie verbotene Spikes in einem scharf gewuchteten Reifen.

Markus Koschuh nimmt für seine literarischen Piecen immer ein Stück Wirklichkeit, klaubt diese vom sumpfigen Boden der Medien auf und wirft sie wie ein Hölzchen durch die Luft. Manchmal saust diesem Stück Wirklichkeit das Publikum wie ein Hund auf der Wahrheitssuche hinterher, manchmal fällt so ein Stück Literatur einfach wieder zurück in den Morast des Alltags und versinkt.

Hannes Hofinger, Erdbeere mit Flieder

h.schoenauer - 23.04.2013

An der Schwelle zum Herbst des Lebens reißen sich in der Literatur die Helden oft noch alle Abenteuer vom Leib und versuchen kontemplativ auf den unsterblichen Sinn des Daseins zu stoßen.

Hannes Hofinger nimmt mit dem fruchtigen Titel „Erdbeere mit Flieder“ den Helden Daniel Hiob ins Visier, der schon allein durch seinen Namen ein Programm zwischen Kampf und Niederschlag mit sich durchzieht.

Hermann Gummerer / Franziska Hack, Total alles über Südtirol

h.schoenauer - 21.04.2013

Die intensivsten Geschichten lassen sich am besten durch Bilder erzählen und die größten Datenmengen nisten sich über Piktogramme fast wie von selbst im Gehirn ein.

Hermann Gummerer und Franziska Hack rollen das Land Südtirol mit aberwitzig innovativen Tabellen, Torten-Segmenten, Piktogrammen, Schaltkreisen und Sinnspiralen auf. Dabei lautet offensichtlich die Spielregel: alles, was vielleicht in einem Buch steht, lässt sich auf einer einzigen Schautafel zusammenzufassen.

Peter J. Gnad, Kreiss' Lauf

h.schoenauer - 18.04.2013

Ein Spießrutenlauf wird meist vom Publikum mit entsprechendem Kreischen begleitet und jeder Läufer tut gut daran, in solchen Situationen auf sein eigenes Inneres zu hören.

Peter J. Gnad stellt den Helden Kreiss als geschundenen, getriebenen und ausgestoßenen Helden vor, der es fallweise mit sich selbst sehr laut und heftig angeht. Sein Lebenslauf knirscht praktisch von Kindheitstagen an.

Luis Stefan Stecher, Vorübergehend Bild, zu ebner Erde wohnend

h.schoenauer - 16.04.2013

Poesie entsteht nicht im Augenblick des Schwärmens sondern in der Disziplin über Jahrzehnte. Diese poetische Einschätzung gilt für Luis Stefan Stecher, für dessen fünfundsiebzigsten Geburtstag der Folio-Verlag eine mustergültige Sonett-Sammlung zusammengetragen hat. In zwölf Zyklen zu je zwölf Sonetten eröffnet sich somit die lyrische Welt des Jubilars.

Wie mannigfaltig konzentrisch die Motive komponiert sind, lässt sich am besten darstellen, wenn man die Themen der einzelnen Bildkreise ins Auge fasst. Reisebilder, Kindheitsbilder, Landschaftsbilder, Liebesbilder, Menschenbilder, Kunstbilder, Vexierbilder, Lebensbilder, Krankenbilder, Andachtsbilder, Weltbilder, Zeitbilder.

Marion Schiffler, Ich war das Jadekind

h.schoenauer - 14.04.2013

Wenn in einem Landstrich wie Südtirol ein besonderer patriotischer Mythos gepflegt wird, so wird oft darauf vergessen, dass viele kreative Seelen ausgewandert sind, andere haben schon die Welt gesehen und sind dann wieder ins Gebirge heimgekehrt.

Marion Schiffler berichtet in ihrer autobiographischen Erzählung von ihrer Kindheit zwischen 1924 und 1938 in Kanton und Hongkong. Ihr Vater ist als Vertreter des deutschen Konzerns IG Farben in China stationiert, so dass es dem Kind an Wohlstand nicht mangelt.

Thomas Schafferer / Johanna Maria Egger / Daniel Furxer, Pitsch, Patsch, Putsch

h.schoenauer - 11.04.2013

Was wie ein politischer Auszählreim klingt, ist ein poetisch-journalistisches Schreibprogramm der literarischen Connection „Die Schreibmaschinen“, die ihrerseits im Dachverband der Innsbrucker Literaturzeitschrift „Cognac und Biskotten“ untergebracht sind.

Die Schreibmaschinen treten lose in stets veränderter Form in den diversen Literaturzentren auf oder machen wie im Falle Budapest eine unscheinbare Stadt durch ihren Aufenthalt zu einem literarischen Ereignis.

Hans Platzgumer / Didi Neidhard, Musik ist Müll

h.schoenauer - 09.04.2013

Manches um uns herum ist so permanent unauffällig anwesend wie der Blutdruck, dass wir es erst wahrnehmen, wenn wir und bewusst daran heranmachen.

Hans Platzgumer und Didi Neidhard stellen eine verrückt klare Gleichung in den Hör-Raum: Musik ist Müll. Der Essay verwendet dabei eine einfache Szene, wie sie am Kontinent täglich millionenfach vorkommt, der Vater bereitet für den Sohn eine schnelles Frühstück und der Sohn lässt vom Smartphone „Plastik-Musik“ herunter rauschen.